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     An den Bundesminister des Inneren
          Herrn Manfred Kanther
     Bundesministerium des Inneren
     PF: 17 02 90
     53108 Bonn

                                                                                                         FAX  0228 681-4665
                                                                                                         E-Mail   <NV@PCNETZ.BMI.BMI.BUND400.DE>

Sehr geehrter Herr Kanther,

mit großem Unverständnis beobachte ich, daß die Bundesrepublik Deutschland nach wie vor nicht Willens ist, die Abschiebungen von ausreisepflichtigen Kosova-Albanern nach Jugoslawien auszusetzen.

Alle Informationen, die in Deutschland über die Medien verbreitet werden sprechen in den letzten Tagen dafür, daß sich in Kosova der Beginn einer Tragödie abzeichnet, die durchaus Dimensionen annehmen kann, wie wir sie aus dem schrecklichen Bosnien-Krieg bereits kennen. Zehntausende von albanischen Menschen befinden sich bereits auf der Flucht innerhalb von Kosova oder sind auf dem Weg nach Albanien, um den Angriffen der serbischen Militär- und Polizeieinheiten zu entgehen.

Täglich sterben Menschen.

Die Haltung der Bundesrepublik Deutschland, dennoch weiter in dieses Krisen- bzw. Kriegsgebiet abzuschieben ist mir aus diesen und aus den folgenden Gründen nicht verständlich:

1. Appelle des UNHCR werden mißachtet

Deutschland, als ratifizierender Staat des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, schiebt trotz dringender Appelle der Hochkommissarin des UNHCR vom 9. März und vom 4. Mai diesen Jahres weiter ab.

Genfer Flüchtlingskonvention Art. 33: Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
1. keiner der vertragsschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenze von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.

Ich bin der festen Überzeugung, daß dieser Passus der GFK zumindest seit dem 28. Februar diesen Jahres auch auf Albaner aus Kosova anzuwenden ist, da sie allein aufgrund ihrer Ethnie zunehmend verfolgt und bedroht werden. Die Feststellung aus dem Lagebericht des auswärtigen Amtes vom 27.02.1996 "Repressionen in Kosovo können jederzeit jeden treffen, müssen aber nicht..." hat sich überholt. Die Wahrscheinlichkeit durch serbische Militär- und Polizeieinheiten oder bewaffnete serbische Zivilisten angegriffen und ermordet zu werden wächst täglich.

Angesichts der Fläche von Kosova, welche lediglich 10 835 km² umfaßt, kann man nicht mehr davon sprechen, daß eine Rückkehr nach Kosova in sogenannte sichere Gebiete möglich ist, denn angesichts der heutigen Militärtechnologie und der beinahe ausnahmslosen Bewaffnung serbischer Zivilisten, kann kein Gebiet in Kosova mehr als sicher und damit als inländische Fluchtalternative bezeichnet werden.

2. Internationale Gremien befassen sich aus gutem Grund mit der Lage in Kosova

Auch die Tatsache, daß sowohl der Weltsicherheitsrat als auch die Balkan-Kontaktgruppe sich äußerst besorgt zeigen findet keinen Eingang in die Entscheidungen der Innenministerien obwohl es nach §54 AuslG durchaus möglich wäre, für zumindest 6 Monate die Abschiebungen nach Kosova auszusetzen, sofern dies im Interesse des Bundesrepublik Deutschland liegt oder aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen.

Mehrere zurückgeführte Kosovaren wurden bereits ermordet. Täglich sind neue Todesopfer unter der Zivilbevölkerung zu beklagen, ganz zu schweigen von den zahllosen Verletzten und der täglich schlechter werdenden Versorgungslage und medizinischer und ernährungstechnischer Hinsicht, da mittlerweile alle Güter knapp sind.

3. Innenpolitische Erwägungen sind zwar verständlich aber zu kurz gegriffen

In diese Situation hinein ist die Abschiebung von weiteren Menschen in meinen Augen durch nichts mehr zu rechtfertigen. Auch die mir durchaus verständliche innenpolitische Erwägung, ausreisepflichtige Flüchtlinge abzuschieben ist angesichts der Gefahr eines drohenden Krieges in Kosova und einem damit zu erwartenden neuen Flüchtlingsstrom zu kurz gegriffen, da aus diesen Gründen gerade zum jetzigen Zeitpunkt weitere Abschiebungen kontraproduktiv sind und die Kriegsgefahr durch Schaffung noch größeren Elends und damit eines noch größeren Druckes auf die albanische Bevölkerung in Kosova erhöht wird.

4. Reisewarnungen an deutsche und amerikanische Bürger

Das auswärtige Amt warnt in seinem Sicherheitshinweis vom 25.05.1998 vor touristischen Reisen in das Gebiet Kosovo. Auch Amerika warnt seine Bürger in ähnlicher Art und Weise davor, nach Kosova zu reisen.

Angesichts dieser Tatsache empfinde ich es als zynisch, daß dennoch Kosovaren, die wesentlich weniger Schutz durch ihren Staat genießen als Deutsche oder Amerikaner, weiterhin abgeschoben werden in ein Land, in dem die serbische Staatsmacht gegen albanische Bürger Kosovas mit Waffengewalt vorgeht.
 

Sehr geehrter Herr Kanther,

ich bitte Sie dringend darum, auch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland,
im Rahmen der Innenministerkonferenz darauf hinzuwirken,
daß derzeit nach Kosova nicht abgeschoben wird.
 

Mit freundlichen Grüßen