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Kosova -
Zur medizinischen Versorgungslage

Hilmi Gashi

Bern, Juni 2001

Zum Autor:
Hilmi Gashi, 1967, wohnhaft in Bern, war Programmleiter bei Radio RaBe, arbeitete beim Schweizerischen Roten Kreuz als Co-leiter des Rückkehrzentrums Biel und als Kosova- Koordinator. Heute arbeitet er als freischaffender Journalist, Kursleiter und Filmemacher. Vom Oktober 99 bis Oktober 2000 entstanden die Aufnahmen für den Film „Kosova retour“, den er zusammen mit seinem Freund Georg Häsler realisierte. Die Aufnahmen für den nächsten Dokumentarfilm „Arbëresh“ beginnen im Juli 2001.

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AUTOR Hilmi Gashi
REDAKTION Rahel Bösch, Länderanalyse SFH
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COPYRIGHT © 2001 Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bern
Kopieren und Abdruck unter Quellenangabe erlaubt.

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ..............................................................................................1
2 Struktur des Gesundheitswesens .........................................................2
2.1 Primäre Grundversorgung in den Gesundheitshäusern (Ambulatorien) ..................3
2.2 Sekundäre Versorgung in den Spitälern ...........................................................3
2.3 Tertiäre Versorgung..........................................................................................5
3 Zugang zum Gesundheitssektor ...........................................................6
3.1 Versorgung mit Medikamenten.........................................................................6
4 Psychologische und psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten .........7
4.1 Fachkräfte und Behandlungsmethoden ............................................................8
4.2 Umfeld...............................................................................................................9
4.3 Versorgung von traumatisierten Kindern........................................................ 10
4.4 Versorgung von Frauen................................................................................... 10
5 Psycho-soziale Programme................................................................ 11
5.1 Psychosoziale Programme der Föderation der Gesellschaften
des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes ............................................ 11
5.2 Community Mental Health Center................................................................... 11
5.3 Chancen und Grenzen der Psycho-sozialen Programme ............................... 12
6 Versicherungssystem und die Kosten im Gesundheitswesen ........... 13
7 Zusammenfassung.............................................................................. 14

ANNEXES

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1  Einleitung

Dieser Bericht über die aktuelle medizinische Versorgungslage in Kosova beruht auf Recherchen vor Ort, in deren Rahmen zahlreiche Gespräche mit FachärztInnen und mit dem Pflegepersonal sowie mit den zuständigen Personen innerhalb der UNMIK-Verwaltung geführt wurden. Im Rahmen von Besuchen von mehreren Krankenhäusern und Ambulatorien ergab sich zudem die Möglichkeit, Gespräche mit einigen PatientInnen zu führen. Im Anhang sind einige Fallbeispiele kurz dokumentiert. Als Hintergrundinformationen wurden zudem verschiedene Berichte von internationalen Organisationen verwendet.
Mit der Aufhebung der Autonomie Kosovas im Jahre1989 wurden unter dem Regime von Milosevic alle Bereiche des sozialen und wirtschaftlichen Lebens segregiert. Davon war auch der Gesundheitssektor stark betroffen und zwar sowohl im Bereich der medizinischen Versorgung als auch im Bereich der Aus- und Weiterbildung des medizinischen Fachpersonals auf allen Ebenen. Ab 1989 bis zum Kriegsausbruch 1998 war somit die albanische Bevölkerung in Kosova gezwungen, sich in sogenannten Untergrundschulen auszubilden. Für das medizinische Personal bedeutete dies, dass die Ausbildung auf die Vermittlung von Lerninhalten auf einer rein theoretischen Ebene beschränkt war, da die Möglichkeit einer praktischen Anwendung entweder nicht vorhanden oder nur im privaten Sektor möglich war. Die Folgen von Separierung und Abdrängung in den Untergrund auch in diesem Bereich wurden nach dem Krieg deutlich sichtbar:
Mangelnde Praxiserfahrung, veraltete Behandlungsmethoden, Mangel an Wissen und Weiterbildung sowie mangelndes Know How im Umgang mit medizinischen Geräten.
Auch die Infrastruktur des medizinischen Systems wurde stark beeinträchtigt. Während einem Jahrzehnt war weder die Innenausstattung instand gehalten worden, noch gab es Neuanschaffungen.
Die vorhandenen neueren Geräte und Apparaturen wurden teilweise von den abziehenden serbischen Ärzte zerstört oder mitgenommen. Die albanischen ÄrztInnen sprechen gar von einer gezielten Zerstörung der Gesundheitsversorgung auf allen Ebenen.
Nach der Massenentlassung des albanischen Personals aus den Spitälern und Gesundheitshäusern Anfang der 90er Jahre mied die albanische Bevölkerung aus Angst vor falscher Behandlung durch serbische ÄrztInnen den öffentlichen Gesundheitssektor. Nur im äussersten Notfall gingen die Menschen in ein öffentliches Spital.
Die Eröffnung privater Spitäler durch finanzkräftigere ÄrztInnen konnte nur eine minimale Verbesserung der medizinischen Versorgungslage für die albanische Bevölkerung bieten, da diese Dienstleistungen für die Mehrheit zu teuer und damit nicht erreichbar waren.
Auch im Bereich der Präventivmedizin, wie etwa Impfkampagnen, entstand eine Notsituation, weil die Eltern Angst vor der Vergiftung ihrer Kinder hatten. Die Zahl der Fehlgeburten mit tödlichen Folgen für die Mütter und Kinder stieg drastisch an. Dies wiederum nährte Berichte über Fehlbehandlungen in den Geburtsabteilungen der öffentlichen Spitäler.
Während des Krieges wurde den AlbanerInnen der Zugang zur medizinischen Versorgung aufgrund des grossen Misstrauens gegenüber dem serbischen Personal einerseits sowie andererseits wegen des offensichtlichen Desinteresses vieler serbischer ÄrztInnen, AlbanerInnen richtig zu behandeln, erschwert.1 Aufgrund der Kämpfe und Vertreibungen kam es

1 Dass der Zugang zur medizinischen Versorgung einerseits aufgrund der zahlreichen Checkpoints von Armee und Polizei erschwert wurde, andererseits aber auch aufgrund gezielter Diskriminierung zeigt auch die OSCE in ihrem Report zur Verification-Mission auf: Die albanischen PatientInnen konnten nicht in Spitäler eingeliefert werden, ohne das Risiko von Verhaftungen bei den Kontrollen vor den Eingängen einzugehen;

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zudem fortlaufend zu Versorgungsengpässen und Mangel- beziehungsweise zeitweise Unterernährung.
Hinzu kamen die schweren Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen, die einen grossen Teil der Bevölkerung traumatisierten.
Die Kombination all dieser aufgeführten Faktoren führt dazu, dass heute eine sehr grosse Anzahl von Personen in Kosova auf medizinische Betreuung und Versorgung angewiesen ist. Das medizinische System ist zwar mittlerweile imstande, eine Basisversorgung zu gewährleisten. Trotz der grossen Anstrengungen und des Engagements sowohl seitens der lokalen ÄrztInnen, der Verantwortlichen innerhalb der UNMIK sowie der MitarbeiterInnen der verschiedenen Hilfswerke, ist auch im Frühling 2001 die Situation in der Gesundheitsversorgung nach wie vor sehr problematisch. Auf einzelne Problembereiche soll im Folgenden eingegangen werden.

2  Struktur des Gesundheitswesens

Die medizinische Grundversorgung in Kosova ist auf der Stufe der Basisversorgung gewährleistet.
Dies wurde von mehreren Gesprächspartnern bestätigt. „On a basic level it works”, so die Einschätzung von Bengt Stahlhandske, Co-Director im UNMIK Gesundheitsund Sozialdepartement (Department of Health and Social Welfare) in Prishtina.
In allen Gebieten der Medizin gibt es jedoch spezifische Fälle, die in Kosova nicht behandelt werden können. Stahlhandske versteht den Wunsch der westlichen Länder, auch die restlichen Flüchtlinge zurückzuschicken, gibt aber zu bedenken, dass dabei die menschliche Dimension zu kurz kommen könnte. Das kosovarische medizinische Versorgungssystem habe zwar grosse Fortschritte gemacht, trotzdem sei es ein System, das sowohl mit den Folgen des Krieges zu kämpfen habe, wie auch mit der grossen Zahl der Menschen, die während Jahren eine unzureichende bis sehr schlechte medizinische Versorgung genossen hätten. Falls in den zuständigen Aufnahmeländern aufgrund eines spezifischen Krankheitsbildes Zweifel bestünden, ob eine ausreichende Behandlung in Kosova möglich sei, so der Vorschlage des Co-Leiters des Gesundheitsdepartements, sollten die behandelnden ÄrztInnen mit der UNMIK Kontakt aufnehmen. Dann könne sein Departement die Lage mit den ÄrztInnen der Universitätsklinik in Prishtina besprechen und eine Empfehlung ausstellen. „Nur so kann“, so Stahlhandske, „der Betroffene eine angemessene medizinische Behandlung erhalten“. Der Gesundheitssektor ist in Kosova faktisch in drei Teile gegliedert.

?  Primäre Grundversorgung in den Gesundheitshäusern (Ambulatorien)
?  Sekundäre Grundversorgung in Spitälern
?  Tertiäre Versorgung (spezielle Kliniken und gut ausgerüstete Universitätsspitäler)

wenn es den PatientInnen gelang, ins Spital zu gelangen, wurden sie dort gezielt diskriminiert, sei es, dass das Personal schlicht die Behandlung verweigerte, sei es, dass hohe Gebühren verlangt wurden für eine Behandlung, die serbische PatientInnen gratis erhielten. Es gab starke Hinweise auf Misshandlungen; die Notfallaufnahmen der Spitäler waren stets von Armee- und Polizei bewacht (um Einlieferungen von verwundeten AlbanerInnen zu kontrollieren). Ausführungen siehe: OSCE, As seen, As told, An analysis of the human rights findings of the OSCE Kosovo Verification Mission October 1998 to June 1999, OSCE, Warschau 1999

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2.1  Primäre Grundversorgung in den Gesundheitshäusern (Ambulatorien)2

In fast jeder grösseren Ortschaft Kosovas sind die Gesundheitshäuser, die sogenannten Ambulatorien, wieder in Betrieb. In den Städten sind täglich mindestens ein Arzt bzw. eine Ärztin sowie mehrere KrankenpflegerInnen im Dienst; es funktioniert auch ein Notfalldienst als erste Anlaufstelle für medizinische Notfälle, die dann vor dort aus ins Spital eingewiesen werden. Die Ambulatorien haben auch einen Labordienst, wo rudimentäre Proben und Analysen vorgenommen werden können.
In die Ambulatorien der grösseren Dörfer kommen die ÄrztInnen, je nach EinwohnerInnenzahl, zwei bis drei Mal pro Woche. KrankenpflegerInnen sind auch dort täglich im Einsatz, geben Spritzen, machen nach Bedarf Hausbesuche und ergreifen erste medizinische Massnahmen in Notfällen.
Die Ambulatorien sind teilweise auch heute noch in einem desolaten Zustand. Das Personal kämpft täglich mit Problemen, wie mangelnder oder nicht vorhandener Wasserversorgung und Stromunterbrüchen sowie ständigem Medikamentenmangel. Deutlich wird der prekäre Zustand daran sichtbar, dass nur sehr wenige dieser Ambulatorien über eine Heizung verfügen - dies bei einem ausgesprochen kontinentalen Klima mit starken Niederschlägen im Winter und Tiefsttemperaturen bis minus 20 Grad.
Im Bereich der Basisversorgung fehlt es vor allem an gut ausgebildeten AllgemeinärztInnen sowie an Krankenpflegern. In Zukunft soll das ganze System der Basisversorgung grundlegend reformiert werden. Die medizinische Grundversorgung soll auf Basis eines Hausarzt- Systems (Family doctors) funktionieren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ein entsprechendes Programm entwickelt. Im Frühling des laufenden Jahres befinden sich fünfzig ÄrztInnen in einer sechsmonatigen Weiterbildung zum Familienarzt bzw. zur Familienärztin. Ein Team von KrankenpflegerInnen aus Kanada bildet KrankenpflegerInnen aus Kosova in Familienpflege aus. Zudem wurde an der medizinischen Fakultät der Universität Prishtina ein zweijähriges Nachdiplomstudium für die Ausbildung zum "Family Doctor" eingeführt.

2.2  Sekundäre Versorgung in den Spitälern

In Kosova gibt es fünf sogenannte Regionalspitäler, die über ein breiteres Angebot im Bereich der Gesundheitsversorgung verfügen. Diese Spitäler dienen der medizinischen Versorgung von einer grossen Anzahl von Menschen in der jeweiligen Region. Die Spitäler verfügen über die entsprechenden Abteilungen, die ein klassisches Spital kennzeichnen. Heute mangelt es in den meisten Spitälern an Geräten zur exakten Diagnostizierung. Die Apparaturen sowie das gesamte technische Equipment sind zum Teil zwischen 15 und 30 Jahre alt, teilweise noch älter.3 Für die modernen Geräte, die zum Teil von Donatoren gespendet wurden, fehlen in vielen Fällen die nötigen Fachkräfte beziehungsweise das notwendige Know How, um die sensiblen Geräte bedienen zu können. Wichtig wäre eine Ausbildung des Personals im Umgang mit der gelieferten Apparatur.

2 Zum Zustand der Ambulatorien nach dem Krieg siehe: Rahel Bösch, Lageanalyse Kosova: Medizinische Situation, März 2000, SFH, Bern März 2000
3 Zur Ausstattung der Krankenhäuser, siehe: WHO, Assessment of regional hospital equipment, Situation in March 2000, April 2000

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In einigen Bereichen der Medizin herrscht ein grosser Mangel an SpezialistInnen. Dieser Mangel ist auch darauf zurückzuführen, dass die serbischen SpezialistInnen Kosova verlassen haben und - wie bereits in der Einführung aufgezeigt - es wenig bis keine gut ausgebildete albanische SpezialistInnen gab und gibt. In der Stadt Peja im Westen Kosovas beispielsweise gibt es keine PsychiaterInnen, weil alle drei serbischen PsychiaterInnen Kosova verlassen haben. Heute gibt es in Kosova insgesamt 16 PsychiaterInnen auf fast zwei Millionen EinwohnerInnen sowie insgesamt fünf PsychologInnen, von denen allerdings nur zwei über praktische Erfahrungen im klinischen Bereich verfügen (siehe unten: Mental Health). In Kosova fehlen auch Fachkräfte für Anästhesie und Radiologie. Die wenigen, die es gibt, sind mit der Menge an Arbeit stark überfordert.
Alle Regionalspitäler verfügen über eine zu kleine Zahl von Betten gemessen an der EinwohnerInnenzahl.
Je nach Regionalspital sind es zwischen 180 bis 225 Betten auf 100'000 EinwohnerInnen.4 Das Regionalspital in Prizren beispielsweise ist mit 650 Betten auf 329.610 EinwohnerInnen eines der grössten Spitäler Kosovas. So kann es ohne weiteres vorkommen, dass die Betten doppelt belegt werden oder die PatientInnen zu früh nach Hause entlassen werden müssen.5
Die Hygieneverhältnisse liegen weit unter den westlichen Standards. Die meisten Spitalgebäude wurden zwischen 1960 und 1980 gebaut und sind seither nicht mehr repariert worden.
Sämtliche Wasser- und Stromleitungen sowie die gesamte sanitäre Infrastruktur sind in äusserst schlechtem Zustand. Die Toiletten sind zum Teil stark beschädigt und dementsprechend verschmutzt, Wasserleitungen sind undicht oder funktionieren gar nicht. Jahrzehntealte Waschmaschinen funktionieren nicht mehr, was dazu führt, dass die Spitalwäsche nicht ordnungsgemäss gewaschen werden kann. In der Orthopädie der medizinischen Fakultät in Prishtina beispielsweise blättert der Putz von den Wänden und Decken ab, die Steckdosen ragen aus den Wänden raus, in den Toiletten fehlen Papier und Seife.6

4 Der durchschnittliche Bettenzahl variiert auch in der Schweiz nach Kantonen. Der gesamtschweizerische Durchschnitt liegt laut Angaben des Bundesamts für Statistik bei 630 Betten auf 100‘000 EinwohnerInnen; die Bettenzahl gemessen an den EinwohnerInnen ist also in der Schweiz rund drei Mal höher. 5 Dies zeigte eine Recherche der SFH auch im August 2000: In der Wöchnerinnenabteilung im Krankenhaus Prizren mussten sich zwei Frauen das Bett teilen. Viele zogen es vor, unmittelbar nach der Geburt nach Hause zurück zu kehren. Siehe: Rahel Bösch, Kosova - zur humanitären und sozialen Situation, August 2000, SFH, Bern, August 2000
6 Drastisch werden die desolaten Zustände auch im Monatsbericht von Caritas Prishtina geschildert: "Infiziert sich jemand im Krankenhaus, müssen Verwandte oder Freunde sich darum bemühen, die nötigen Medikamente aus dem Ausland zu besorgen... Dr. Matthias Reinecke von der WHO bemängelt das schlechte Umfeld für Heilungsprozesse, vor allem die mangelnde Hygiene. Viele Neugeborene haben Hirnhautentzündung und andere Infektionskrankheiten. Kaiserschnitte werden auf solch altmodische Weise durchgeführt, dass selbst sehr junge Mütter zwei davon kaum durchhalten können. ... Die Infektionsvorbeugung funktioniert nicht, da die Krankenschwestern keine dementsprechende Ausbildung haben... sie werden während der Mittelschule zu Schwestern ausgebildet, ohne jegliche klinische Praxis... Zusätzlich sind die Arbeitsbedingungen für das Personal sowie auch für die Patienten immer noch denkbar schlecht. Die Zimmer sind in einem erbärmlichen Zustand, von den Badezimmern gar nicht zu sprechen. Der Strom fällt ständig aus, Wasserrohre brechen..." "Die Infrastruktur im Krankenhaus Prizren scheint noch erbärmlicher zu sein als die an der Uniklinik Pristina, obwohl dies kaum vorstellbar ist. Das Dach müsste vollkommen erneuert werden, die Heizung ist marode, die Sanitäranlagen katastrophal. Die Patientenzimmer haben nicht einmal Waschbekken, in einem Zimmer stehen zwischen 8 und 10 Betten. In den Badezimmern sind Duschen geplant (!), Badewannen nicht, was für kranke Menschen eine Katastrophe bedeuten kann... die Wasserversorgung im Krankenhaus Prizren könnte funktionieren, würde die Leitung nicht illegal angezapft und so der Druck verringert... Die völlig veraltete Kanalisation bricht immer wieder auf..."(zit. nach: Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina, Monatsbericht März 2001 auf: www.cvizk.de)

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Hinzu kommt die generell schwierige Versorgung. Laut Auskunft von mehreren PatientInnen mussten diese ihre Bettwäsche und das Essen selbst mitbringen. Das Pflegepersonal in den Spitälern ist nicht für die Allgemeinpflege geschult, es existiert kein Pflegeverständnis, wie zum Beispiel in der Schweiz. Nach dem Selbstverständnis der Pflegenden in Kosova besteht ihre Aufgabe vornehmlich aus der Abgabe von Spritzen, dem Setzen von Infusionen, der Entnahme von Blutproben sowie der unmittelbaren Behandlung von Wunden. Oft übernehmen die Familienangehörigen die Pflege der PatientInnen.
Leicht verbessert hat sich die Situation der Dialyse-PatientInnen. Einige Regionalspitäler haben mittlerweile neue Geräte erhalten. So arbeitet das Regionalspital in Peja derzeit mit zwölf neuen Maschinen. In anderen Regionen werden die alten ebenfalls nach und nach durch neue ersetzt oder ergänzt. Dennoch ist der Andrang so hoch, dass die Maschinen in mehreren Schichten laufen müssen, um den Bedarf zu stillen.7

2.3  Tertiäre Versorgung

Theoretisch würden die Kliniken der medizinischen Fakultät in Prishtina in diese Kategorie der medizinischen Versorgung gehören. In der Praxis sind diese Kliniken jedoch lediglich bessere Regionalspitäler. Laut Dr. Xhavit Kurhasani von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es keine speziellen Kliniken oder gut ausgerüstete Gesundheits- oder gar Rehabilitationszentren in Kosova. Die PatientInnen, die bereits vor dem Krieg nicht in Kosova behandelt werden konnten, wurden früher nach Belgrad, Zagreb, Sarajevo, Lubljana oder Skopje überwiesen. Heute kommt als einzige Möglichkeit nur noch Mazedonien in Frage. Mit der Einführung der Passpflicht (früher konnte man mit einer Identitätskarte nach Mazedonien einreisen) für KosovarInnen tritt das Problem der Papierbeschaffung erneut in den Vordergrund.
Tausende von KosovarInnen verfügen über keinerlei gültige Identitätspapiere, geschweige denn Pässe mehr und warten auf die Identitätspapiere der UNMIK-Verwaltung. Hinzu kommt die problematische Situation in Mazedonien selbst, die wohl die Möglichkeit einer Evakuierung von albanischen PatientInnen aus Kosova nach Skopje in weite Ferne rücken lässt.
Derzeit warten über 300 komplizierte medizinische Fälle warten auf eine sogenannte medizinische Evakuierung (Medical Evacuation) zur Behandlung im westlichen Ausland. Die Auswahl der PatientInnen bestimmen nicht die ÄrztInnen vor Ort, sondern die Donatoren. Prioritär wurden bisher Kinder ausgeflogen, weil diese Fälle in den Medien besser in Szene gesetzt werden können. Unmöglich ist weiterhin die Behandlung der Menschen mit Krebsleiden und Herzproblemen. Komplizierte Langzeittherapien sollten in den westlichen Ländern abgeschlossen werden, weil die Therapiemöglichkeiten in Kosova sehr beschränkt sind, oder es keine geeignete Therapiemethoden gibt. AIDS und andere schwere Krankheiten des Immunsystems und komplizierte Krankheiten der inneren Organe können auch nicht behandelt werden.8

7 Laut dem Monatsbericht von Caritas (März 2001, a.a.O) mussten im März an der Uniklinik in Prishtina 83 Dialyse-PatientInnen in drei Schichten an sechs Tagen behandelt werden. "Die technische Ausrüstung ist katastrophal und es besteht keine Kapazität für weitere Patienten." (ebd.)
8 Auch im jüngsten UNMIK-Policy Paper vom April 2001 wird bestätigt, dass sich die Situation seit Oktober 2000 (letztes publiziertes Policy Paper) im medizinischen Bereich nicht wesentlich verbessert hat: Keine Behandlungsmöglichkeit für chronische Krankheiten, die eine komplizierte und langfristige Behandlung brauchen; die folgenden Beschwerdenkreise /Behandlungsmöglichkeiten werden ausdrücklich als „Beispiele“ aufgeführt (also nicht abschliessend!): Krebs, Herzkrankheiten/Chirurgie/Augenchirurgie, schwere chronische geistige Behinderung und psycho-soziale Störungen, hormonale Diskfunktionen, HIV/AIDS. Personen mit chronischen Krankheiten sollten nicht nach Kosova zurückkehren („should not return“ to Kosova“). (siehe Annex 2, UNMIK-Briefing Note on the Repatriation of Kosovar Albanians, April 2001, Originalwortlaut)

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3  Zugang zum Gesundheitssektor

Zugang zum Gesundheitssektor haben theoretisch alle BewohnerInnen Kosovas. Im Bereich der primären Versorgung (Ambulatorien) ist dies auch in Realität fast überall möglich. Schwierig wird es im sekundären Bereich (Spitäler). Der Prozess des Aufbaus von befriedigend funktionierenden Regionalspitälern ist, wie oben gezeigt wurde, langwierig und noch keineswegs abgeschlossen. Zu den Problemen im Bereich der veralteten und schlecht unterhaltenen Gebäulichkeiten, des sanitären Systems, des veralteten und mangelhaften technischen Equipments sowie im Bereich des Personals kommt für die PatientInnen eine weitere Schwierigkeit: Es ist dies die Distanz, die die Menschen zurücklegen müssen, wenn sie in ein solches Spital gehen wollen. Vor allem für alleinstehende Frauen und ältere Menschen sind diese Distanzen nicht einfach zu bewältigen. Die Solidarität innerhalb der Familie spielt in der Tat eine grosse Rolle, doch nicht alle Personen, insbesondere jene, die zu den am meisten verletzlichen gehören, können auf eine solche Struktur zurückgreifen.
Vor allem für alleinerziehende Frauen ist es oft ein Ding der Unmöglichkeit, da sie über keinerlei Transportmittel verfügen und zudem meist weitere Kinder zu versorgen und zu betreuen haben. Hinzu kommt die enorme wirtschaftliche Not. Viele Menschen sind ohne Arbeit, haben im Krieg fast alles verloren und kämpfen ums schlichte Überleben. Dies funktioniert knapp im alltäglichen Leben. Sowie jedoch ein Krankheitsfall oder ein Unfall hinzukommt, der zusätzliche Ressourcen benötigt, stossen diese Personen an ihre Grenzen. Jede zusätzliche Belastung wird materiell, sozial und emotional fast untragbar oder unüberwindbar.
Die Minderheiten haben in den Enklaven eine funktionierende primäre Gesundheitsversorgung. Im sekundären Sektor (Spital) wird es schwierig, weil die Minderheiten Angst haben, in den Regionalspitälern nicht richtig behandelt zu werden. Herr Stahlhandske erwähnt hier das Beispiel von Shtërpce und Mitrovica. Die SerbInnen von Shtërpce gehen ins „Bondsteel“, ins Militärlager der US-KFOR Kontingents, und die AlbanerInnen von Mitrovica nach Prishtina, weil das Spital im nördlichen Teil der geteilten Stadt liegt.9
Erschwert wird die Situation zudem durch den stetigen Rückzug der internationalen Nicht- Regierungsorganisationen, deren medizinische Programme teilweise nur für die unmittelbare Nachkriegsphase vorgesehen waren oder die aufgrund eines Mangels an finanziellen Mitteln ihre Programme streichen müssen. Dieser Umstand erschwert vor allem die Gesundheitsversorgung der Menschen in den Randregionen.

3.1  Versorgung mit Medikamenten10

Vor allem in den Städten gibt es genug Apotheken, in den Dörfern sind sie selten zu finden. Man muss unterscheiden zwischen Apotheken des öffentlichen Sektors und des privaten Sektors, wobei letztere überwiegen: In den öffentlichen Apotheken sind die Preise für die wichtigsten Medikamente zwar bezahlbar, oft sind allerdings die nötigsten Medikamente nicht verfügbar.

9 Siehe auch: Rahel Bösch, Zur Situation der ethnischen Minderheiten, Bern, SFH März 2001: Hier wird die medizinische Versorgungsproblematik für die verschiedenen Minderheiten geschildert. Ausführlichere Informationen siehe: OSCE / UNHCR: Assessment of the Situation of Ethnic Minorities in Kosovo (Period Covering Oct 2000 trough Feb 2001)
10 Im oben zitierten UNMIK-Paper wird auch zur Verfügbarkeit von Medikamenten Stellung genommen: Nur Medikamente für weit verbreitete Krankheiten sind im öffentlichen Sektor erhältlich; Patienten mit seltenen, chronischen Krankheiten, die komplizierte und teure Diagnostik und Medikamentierung verlangen, haben keine genügende Versorgung. Die Versorgung auf dem Medikamentenmarkt ist unregelmässig: PatientInnen mit Krankheiten, die intensive, komplizierte und sophisticated Behandlungen brauchen, sollten „die Gelegenheit haben die Behandlung zu beenden“ bevor sie nach Kosova zurückkehren. (siehe Annex 2, UNMIKBriefing Note on the Repatriation of Kosovar Albanians, April 2001, Originalwortlaut)

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Die privaten Apotheken haben ein breiteres Sortiment an guten bis sehr guten Medikamenten. Wegen der willkürlich hohen Preise können diese allerdings nur von wenigen bezahlt werden. Dies hat zur Folge, dass sich im Notfall die Menschen zum Teil verschulden müssen, um ein entsprechendes Medikament zu bekommen. Laut Auskunft von Bengt Stahlhandske, dem Co- Leiter des Gesundheitsdepartements, sind die wichtigsten Medikamente (essential drugs) durchaus vorhanden. Dass die Menschen ihre Medikamente, Infusionen, das Verbandmaterial oder sogar die Röntgenfilme selber kaufen müssen, führt er auf den Missbrauch seitens des korrupten medizinischen Personals zurück, dass, um den Lohn zu verbessern, die Medikamente knapp hält, sie versteckt oder einfach behauptet, man müsse für das Material bezahlen. Teilweise sei die Knappheit auch auf eine falsche Anwendung und Dosierung zurückzuführen. Die Röntgenfilme würden beispielsweise nur in beschränkter Zahl abgegeben, da es vorkomme, dass ein Röntgenfachmann mehrere Filme für einen einfachen Armbruch verwende.11

4  Psychologische und psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten

In allen im Rahmen dieser Abklärung geführten Gesprächen wurde auf die schwierige Lage im Bereich der psychiatrischen und psychologischen Behandlung hingewiesen. Kris Hurlburt , Koordinatorin für Psycho-Soziale Programme bei der Internationalen Föderation der Gesellschaften des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes in Kosova bringt es so auf den Punkt: “Es macht mir Angst, wenn ich sehe wie die Regierungen die traumatisierten Menschen zurückschicken. Diese Menschen haben keine Struktur, keine entsprechende Behandlung oder Pflege. Wir haben keine freie Kapazitäten für neue Fälle."12
Das Zentrum für Krankheitskontrolle hat festgestellt, dass 25 Prozent der Bevölkerung Kosovas an den Folgen der Repression und des Krieges leiden. Die meisten haben im Krieg mehrere traumatische Erlebnisse gehabt. Traumatische Situationen, wie etwa eine Flucht unter Beschuss der Artillerie, ZeugIn werden von Misshandlungen und Folterungen von Menschen, von Exekutionen oder Massakern oder miterleben, wie ein Teil der Eltern weggebracht wurde. Das Erleben von Hausdurchsuchungen und -Plünderungen von Deportation und Vergewaltigungen und monatelanges Überleben unter sehr schwierigen Bedingungen – viele irrten zudem monatelang in den Wäldern umher... all dies hat tiefe Spuren hinterlassen. 13 Verständlich, dass angesichts all dieser Erlebnisse heute Hunderte von Menschen schwere psychische und psychologische Probleme haben. Laut Schätzungen der lokalen Fachkräfte und der MitarbeiterInnen der Hilfswerke, werden diese Menschen noch über Jahre hinweg therapeutische und soziale Unterstützung benötigen.

11 Die Aussagen, wonach auch einfachste Medikamente selbst bezahlt werden müssten, wird auch im oben zitierten Monatsbericht von Caritas bestätigt: "In Pristina müssen die meisten Medikamente von den Patienten selbst in der Apotheke gekauft werden, sogar das Nahtmaterial....Herr Graziani (Leiter des Spitals Prizren) schreibt den Mangel an Medikamenten und Sanitärmaterial der unzuverlässigen Organisation zu. Im Zug der Not- und Katastrophenhilfe gab es immer wieder Notkäufe von NGOs, doch diese bleiben mittlerweile aus." (Monatsbericht Caritas, März 2001, a.a.O
12 Kris Hurlburt im Gespräch mit dem Autor: It scares me, what Governments do with sending back traumatised people. These people have nothing: no structure, no adequate care or treatment. We have no capacities to take more people”.
13 Eine ausführliche Übersicht zu den begangenen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen, sowohl thematisch (violation of the right to life, torture and ill-treatment, rape and other forms of sexual violence, missing persons, arbitrary arrest and detention, violation of the right to a fair trial, intimidation and harassment, denial of access to health care, destruction of civilian property, looting, human shields, forced expulsion) als auch geografisch (Vorkommnisse in den einzelnen Municipalities) siehe: OSCE, As seen, As told, An analysis of the human rights findings of the OSCE Kosovo Verification Mission October 1998 to June 1999, OSCE, Warschau 1999

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4.1  Fachkräfte und Behandlungsmethoden

Angebote zur psychotherapeutischen und psychiaterischen Behandlung von Traumata sind jedoch nicht vorhanden, unzureichend oder überlastet. Wie oben bereits erwähnt, gibt es lediglich 16 PsychiaterInnen in Kosova, was angesichts der Fälle, die behandelt werden müssten, mehr als problematisch ist. Diese ÄrztInnen müssen oft sehr viele Aufgaben gleichzeitig erledigen und sind daher massiv überlastet: Einerseits arbeiten sie im Spital; aufgrund des Mangels an Fachkräften in diesem Bereich, müssen sie in den verschiedenen Gremien im Sektor der Mentalen Gesundheit mitarbeiten, sie müssen Weiterbildungen organisieren respektive an solchen teilnehmen. Ihre Projektinitiativen sind gefragt, sie sollen im Bereich der Sensibilisierung mitwirken und beispielsweise in den Schulen die SchülerInnen über den Umgang mit eigenen Trauma oder schwer traumatisierten Menschen aufklären. "Unter diesen Umständen," so beklagt sich Dr. Agron Zajmi, Direktor der Psychiatrieabteilung im Regionalspital von Gjakovë, "ist man unmöglich in der Lage, den PatientInnen die nötige Aufmerksamkeit schenken zu können. Bei der Arztvisite kann ich ein paar Hände schütteln, ein paar aufmunternde Worte in den Raum sagen, dem Rapport der Schwestern zuhören, ein paar Therapiemassnahmen vorschlagen und schon muss ich zur nächsten Sitzung, zum Unterricht oder in die Privatpraxis.“ Er wisse schon, so Dr. Zajmi, dass die PTSD-PatientInnen (Post Traumatic Stress Disorder) mehr Aufmerksamkeit bräuchten, aber auch Ärztinnen haben nur einen 24-Stunden-Tag. Von Hausbesuchen und geeigneten Therapiemethoden durch Einbezug der Familie kann unter diesen Umständen keine Rede sein.
Die PsychiaterInnen behandeln Epilepsie, Lähmungen, Neurosen, Psychosen als neurologische Phänomene rein medikamentös und nicht mit therapeutischen Methoden.14 Die Medikamente müssen die PatientInnen oft selber kaufen und falls ein Medikament fehlt, wird ein anderes, mit zum Teil unbekannter Wirkung, eingesetzt. Neuroleptika, die für die Heilung eingesetzt werden, sind Neuroleptika im klassischen Sinne. Bestimmend für die Wahl des Medikamentes ist nicht der eigentliche Bedarf, sondern das Angebot. Verordnet wird, was eben gerade erhältlich (und erschwinglich!) ist. Diese Medikamente, da waren sich alle GesprächspartnerInnen einig, haben starke Nebenwirkungen auf die Psychomotorik. Ein Patient, der mit solchen Neuroleptika behandelt wird, sieht apathisch aus und kann seine Bewegungen nicht kontrollieren. Er bewegt sich unnatürlich, schaukelt hin und her, läuft herum, nimmt seine Umgebung sehr schlecht bis gar nicht wahr. Seine Zunge hängt hinaus und Speichel läuft ihm aus dem Mund.
In Gesprächstechniken und anderen therapeutischen Behandlungsansätzen wurden diese PsychiaterInnen zu wenig geschult. Die Behandlung mit Gesprächen als Therapieform war hier die Sache der Psychologen. Im ganz Kosova gibt es zur Zeit fünf PsychologInnen und nur zwei von ihnen haben Erfahrungen im klinischen Bereich.

14 Der heute in Kosova praktizierte Ansatz in der Psychiatrie beschäftigt sich nicht ganzheitlich mit dem Mensch, sondern verfolgt eine auf Nervenreaktion basierte klassische Neurologie. Die Behandlung ist rein auf die Verabreichung von Medikamenten ausgerichtet ist. „ Der 'Neuropsychiater' behandelt einen Patienten im Normalfall als Nervenkranken: Die Behandlung ist auf Gehirnfunktionen ausgerichtet, das heisst, die Ursachen der psychischen Dysfunktion werden im Gehirn gesucht (EEG, Tomographie),“ so die Erläuterung von Kris Hurlburt, Koordinatorin für Psycho-Soziale Programme bei der Internationalen Föderation der Gesellschaften des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes in Kosova.

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4.2  Umfeld

Hinzu kommt das schwierige Umfeld: Für viele PatientInnen, die unter verschiedenen psychischen Symptomen leiden, wären eine ruhige und geeignete Umgebung sowie Pflege und Beschäftigungstherapie als Ergänzung zur psychiatrischen Behandlung sehr wichtig. In Kosova gibt es weder entsprechende Einrichtungen oder Institutionen noch das notwendige Know How. Die psychiatrische Klinik der Universität von Prishtina beispielsweise ist dem Spitalkomplex der Medizinischen Fakultät angeschlossen. Die Umgebung des Spital ist alles andere, als was man sich unter einen ruhigen Ort vorstellen würde: Viel Verkehrslärm und an die Strassen anschliessend befindet sich das Feldlager der italienischen Carabinieri, die in Prishtina Dienst tun. Wenn man bedenkt, dass hierher Menschen für eine Behandlung kommen, die vom Krieg traumatisiert sind, fragt man sich als Aussenstehender, wie sich diese Menschen in einer solchen Nachbarschaft wohl fühlen sollen.
Auf der Abteilung selbst sind die Hygieneverhältnisse, verglichen mit den Schweizer Standards, eine reine Katastrophe. In den Zimmern wird geraucht, drei Menschen teilen enge, kleine Zimmer. Zusammen untergebracht sind jeweils PatientInnen mit den verschiedensten Krankheitsbildern. Im Zimmer eines Rückkehrers aus Deutschland, der seit einem Jahr an einer schweren Psychose leidet, liegt ein weiterer Patient, der auch an einer schweren Psychose leidet sowie ein junger drogenabhängiger Mann.
Aus Platzmangel werden mehrere PatientInnen, in einem einzigen Zimmer untergebracht. Die Verhältnisse sind in Gjakovë oder Prizren noch prekärer: Dort teilen sich zehn bis elf PatientInnen die Zimmer. In der psychiatrischen Abteilung des Regionalspitals in Gjakovë sind beide Zimmer voll ausgelastet (11 PatientInnen pro Zimmer). Es wird geraucht, laut Musik gehört, an die Decke gestarrt, laut vor sich hin geredet, diskutiert...
In allen Spitälern können weitere PatientInnen nur aufgenommen werden, wenn andere in „Urlaub“ geschickt werden. Die Aufenthaltszeit beträgt teilweise bis zu einem Jahr.
In Prishtina sind die weiblichen und männlichen Patienten in verschiedenen Abteilungen voneinander getrennt untergebracht. Dies bringe zumindest eine Erleichterung für die Frauen, meint eine Pflegerin. Trotzdem kann von einer Intim- oder Privatsphäre für die PatientInnen kann keine Rede sein. In Giakovë sind alle PatientInnen, ob Männer oder Frauen, auf der gleichen Abteilung untergebracht.
Für PatientInnen mit Selbst- und Fremdgefährdung ist keines der Spitäler in Kosova ausgerüstet, da keine geschlossene Abteilungen vorhanden sind. Dies wird von allen GesprächspartnerInnen bestätigt.15 Bengt Stahlhandske vom Gesundheitsdepartment erzählt von vier Männern in Gjilan, die in ihrem Wahn schon mehrere Morde verübt haben. Er sei gezwungen, sie in einem Gefängnis unterzubringen, hält aber nachdrücklich fest, dass sie keine Kriminelle seien, sondern Kranke, die man in einer geeigneten Institution unterbringen müsste. Dr.Ulaj, Direktor der Psychiatrie in Prishtina, erzählt von drei Patienten, die entlaufen sind: Zwei seien von Autos überfahren worden und einen habe man auf dem Feld erfroren gefunden.16

15 Kris Hurlburt, Dr. Jusuf Ulaj, Direktor der Universitären Psychiatrie in Prishtina und Bengt Stahlhandske, Co-Director in the UNMIK-Department of Health and Social Welfare in Prishtina
16 Der Mangel im Bereich von Mental Health wird auch in der Briefing Note on the Repatriation of Kosovar Albanians UNMIK bestätigt: Die psychiatrisch-psychologische Versorgung besteht nur aus der Versorgung mit Pharmazeutika, „Rehabilitierung“ ist praktisch nicht existent – es kann nicht „genug stark betont werden, dass in Kosova derzeit kein Psychiatrie-Spital (mental hospital) existiert. Pro 100'000 Einwohner gibt es eine/n PsychiaterIn, PsychologInnen gibt es praktisch nicht („almost non-existent“) und wenige PsychiaterInnen wurden in Psychotherapie weiter gebildet: Die aktuelle Mangelsituation im psychiatrisch-psychologischen Behandlungssektor lässt die UNMIK „an die Gastländer appellieren solche Fälle (geistig behinderte und Psychiatrie-Fälle) in diesem Zeitpunkt nicht

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4.3  Versorgung von traumatisierten Kindern

Es gibt in Kosova keine KinderpsychiaterInnen und keine Kinderpsychiatrie. Dr. Agron Zajmi, Direktor der Psychiatrie Abteilung im Spital von Gjakovë, beispielsweise schickt die Kinder in die Pädiatrieabteilung des Regionalspitals von Gjakovë. Die Pädiatrie ihrerseits ist sehr wenig entwickelt. Nur in den grösseren Spitälern werden die Kinder behandelt. Kosova hat die höchste Kindersterblichkeitsrate in Europa. Dieser Trend konnte laut Bengt Stahlhandske gebremst werden, jetzt gelte es, diesen Zustand zu stabilisieren.17

4.4  Versorgung von Frauen

Im Allgemeinen ist die Situation der Frauen in Kosova sowohl in sozialer wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht sehr schwierig. Frauen, deren Männer im Krieg umgekommen sind oder seit dem Krieg als vermisst gelten, müssen das Überleben ihrer Kinder sichern in einer Umgebung, die die Probleme der Frauen nicht als prioritäres gesellschaftliches Problem behandelt. Wenn keine grössere Familienstruktur vorhanden ist, sind die Frauen in einer prekären Situation. Sie müssen selbst schauen, wie sie die Kinder über die Runden bringen, die Felder bebauen, das Haus wieder bewohnbar machen. 18
Hinzu kommen die Kriegstraumatisierungen und als Teil davon auch die Vergewaltigungen, die in der Gesellschaft noch immer tabuisiert werden. Dass es Vergewaltigungen gegeben hat, ist in der Bevölkerung zwar als kollektives Wissen vorhanden, es wird jedoch nicht offen darüber gesprochen. Eine Frau, die sexuellen Übergriffen ausgeliefert war, wird selbst nicht darüber sprechen, geschweige denn medizinische Hilfe verlangen, aus Angst von ihrem Mann, dessen Familie und der Gesellschaft isoliert zu werden.
Dr. Xhavit Kurhasani, Co-Leiter des WHO Büros für die Regionen Peja und Gjakovë, spricht von einer grossen Tabuisierung der sexuellen Gewalt. Damit diese Frauen den Schritt in die Öffentlichkeit wagen, bräuchte es eine Enttabuisierung des Problems. In Bosnien hätten sogar die Geistlichen auf das Problem hingewiesen und diese Frauen als Opfer des Krieges dargestellt. „Etwas ähnliches ist in Kosova noch nicht geschehen und solange diese Vergewaltigungen als Schande gesehen werden, werden die Frauen schweigen“, stellt Kurhasani resigniert fest. Kinder, die aus diesen Vergewaltigungen entstanden sind, wurden irgendwo abgesetzt. Die Situation in den Geburtsabteilungen ist nach wie vor schwierig. Wegen Mangel an Betten, werden Frauen kurz nach der Geburt nach Hause geschickt oder müssen zu zweit ein Bett teilen. „Alles muss man selber kaufen, von Medikamenten bis zu den Windeln,“ sagt eine Frau die vor kurzem im Spital von Prizren geboren hatte. Das medizinische Personal sei nur für Geburtshilfe geschult und würde keine psychologische Hilfe für Frauen mit schwieriger Geburt leisten.

zurück zu schicken. In Kosova gibt es keinerlei Strukturen um akute Fälle (acute mental health cases) oder Personen die in geschlossene Abteilungen (Psychiatrie) gehören zu behandeln und unter zu bringen (siehe Annex 2, UNMIK-Briefing Note on the Repatriation of Kosovar Albanians, April 2001, Originalwortlaut)
17 Laut Angaben der WHO lag die Kindersterblichkeit bei 29,2 auf 1000 Geburten. WHO, Kosovo find Maternity Report, Jan. – Dec. 2000 in: WHO Health Talks N°. 41, 11.04.01
18 Zur problematischen Situation von alleinstehenden Frauen in Kosova siehe auch: Rahel Bösch, Kosova: Zur Rückkehrperspektive von alleinstehenden Frauen, SFH, Bern März 2001

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5  Psycho-soziale Programme

Die sogenannten "Psychosozialen Programme" der ausländischen Nicht-Regierungsorganisationen sind nicht mit dem Angebot einer psychiatrischen Behandlung zu verwechseln. Im Vordergrund stehen bei diesen Programmen vielmehr die "psycho-soziale" Animation und Unterstützung, durchgeführt in den einzelnen Gemeinden und in Familien und nicht eine professionelle ärztlich begleitete Therapie. Im Folgenden werden zwei Beispiele vorgestellt.

5.1  Psychosoziale Programme der Föderation der Gesellschaften des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes

Viele der Projekte, die von den NGO’s initiiert und durchgeführt werden, sind psychosozialer Natur. Ein Beispiel sind die psycho-sozialen Programme des Roten Kreuzes in Kosova: Die Internationale Föderation der Gesellschaften des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes führt sechs regionale PSP-Zentren (Psycho-Soziale Programme) in Kosova. Solche Zentren finden sich in Peja, Gjakovë, Gllogovc, Podujevo, Prishtina. Zusätzliche Gebiete, wie Lipjan, Klina, Istog und Skenderaj werden ebenfalls abgedeckt. Jedes regionale Team besteht aus vier Personen und ist aufgeteilt in Zentrumteams und mobile Teams. Das unterstützende Personal besteht aus sechs ÜbersetzerInnen, drei ProgrammassistentInnen, sieben FahrerInnen und fünf Putzleuten. 2000 Personen kommen in den Genuss dieser Unterstützung.
Die Aktivitäten des Zentrums konzentrieren sich auf Gruppenarbeiten, soziale Aktivitäten und Rekreation für jedes Alter. Es gibt Gruppen von Witwen und Witwern, von alleinerziehenden Eltern mit Kleinkindern oder etwa von ehemaligen Gefangenen. Kinder werden in Aktivitäten, wie Singen, Tanzen, Sport oder Exkursionen einbezogen. Diese Aktivitäten beruhen auf freiwilliger Basis. Die Personen können nach Bedarf einfach vorbei kommen oder auch einen Termin abmachen. Die mobilen Teams besuchen die sozial schwächsten Menschen, sowohl in den ländlichen als auch in den urbanen Gebieten. Sie helfen in vielen Belangen des alltäglichen Lebens in dieser Nachkriegsphase. Sie organisieren beispielsweise einen Transport von einer abgelegenen Dorf in die Stadt für eine medizinische Behandlung, versuchen Medikamente zu besorgen für alte und mittellose Menschen, helfen bei der Zwangseinlieferung von psychotischen PatientInnen, die gefährlich für sich und die anderen werden, oder ermöglichen ganz einfach, dass Verwandte, die in anderen Regionen wohnen, besucht werden können.

5.2  Community Mental Health Center

Ein weiteres Beispiel von psycho-sozialer „Community Work“ ist das im Aufbau befindliche „Community Mental Health Center“ in Gjakovë: In Zusammenarbeit mit PsychiaterInnen und PsychologInnen von Trieste, wurde in Gjakovë ein Haus fertiggestellt, in dem den Menschen in einer organisierten und strukturierten Form eine Wiedereingliederung in der Gesellschaft ermöglicht werden soll. Das Zentrum wurde im März des laufenden Jahres eröffnet und versteht sich als Pilotprojekt. Zwei Psychiater des Regionalspitals von Gjakovë und acht PflegerInnen werden in diesem Zentrum arbeiten. Nötig wären noch mehr PflegerInnen, aber im Moment bleibt dies aus finanziellen Gründen eine „Wunschvorstellung“. Die KrankenpflegerInnen haben eine allgemeine Ausbildung in Krankenpflege, aber keine spezifische Ausbildung in der Psychiatriepflege. Für das Pilotprojekt sollen sie jedoch in verschiedenen Bereichen der Arbeit mit traumatisierten Menschen geschult werden. Laut Dévora Kestel, Expertin für Mental Health Centers und temporäre Beraterin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sind unter anderem Kurse in Malerei, Handwerk, Tanz und Gesprächstechnik geplant.

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Überdies sollen die acht KrankenpflegerInnen imstande sein, mit den BesucherInnen des Zentrums über deren praktischen Probleme zu sprechen, Vorschläge zur gemeinsamen Lösungsfindung zu machen, Gartenarbeiten zu erledigen oder Exkursionen zu organisieren.
Das derzeit im Aufbau befindliche „Community Health Haus“ versteht sich als eine ambulante Tagesstruktur ohne stationäre Unterbringungsmöglichkeit. BesucherInnen des Zentrums können, je nach Bedürfnis oder Lust, eine Stunde bis zum ganzen Tag im Zentrum bleiben, Aktivitäten besuchen und an Workshops teilnehmen.
Die Räumlichkeiten des Zentrums machen einen angenehmen Eindruck. Im grössten Raum stehen Zeitungen zu Verfügung, später soll man hier zeichnen und malen können, zusammen fernsehen, tanzen oder Gruppengespräche abhalten.

5.3  Chancen und Grenzen der Psycho-sozialen Programme

Die verschiedenen Angebote waren und oder sind nur für eine kurze Zeitdauer gedacht und sind abhängig von den zur Verfügung stehenden Mittel der Hilfswerke und der Kapazitäten, die diese NGO’s haben. Einige Programme wurden wegen Geldmangel auch bereits abgebrochen. Die renommierte Organisation MDM (médicins du monde) wird sich im Juni zurück ziehen, weil ihre Programme aus Geldmangel nicht mehr weitergeführt werden können. Das gleiche Schicksal erlitten Projekte der World Vision, der ADRA und weiterer engagierter Organisationen.19 Alle Kapazitäten der NGO’s, die im psycho-sozialen Gebiet arbeiten, sind voll ausgelastet. Die NGO’s können keine weitere Personen übernehmen, und dies haben sie oft auch öffentlich bekannt gegeben. Medica Mondiale hat bereits den Regierungen in Deutschland und Österreich geschrieben und sie gebeten keine traumatisierten Menschen in den Kosova zurückzuschicken, weil sie nicht mehr aufgenommen werden können. Die WHO wird etwa 38 Prozent der Stellen in Kosova streichen. Für viele Projekte konnte kein Geld gefunden werden. Vom Abbau sind viele Arbeitsplätze und Büros in den Regionen Kosovas betroffen. „Die NGO’s haben den Gesundheitssektor sehr stark gestützt. Jetzt gehen sie und wir werden Probleme haben“, so die nüchterne Einschätzung von Bengt Stahlhandske.
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die psycho-sozialen Programme als kurzfristiges Angebot für eine von Krieg und schweren Menschenrechtsverletzungen traumatisierte Bevölkerung, die in Folge von Zerstörung, Mangel an medizinischer Versorgung und mangelnder Existenzsicherung sowohl sozial, emotional als auch wirtschaftlich in einer äusserst prekären Situation ist, verstanden werden müssen.
Psychosoziale Programme werden in der Regel von internationalen Organisationen innert relativ kurzer Zeit auf die Beine gestellt wird. Sie sollen in einer Übergangsphase zwischen humanitärer Nothilfe und funktionierenden sozialen und medizinischen Strukturen für die schwächsten Mitglieder der Nachkriegsgesellschaft zur Verfügung stehen. Daher sind psycho-soziale Programme eher als kurz- bis mittelfristiges Überlebenshilfeangebot für traumatisierte Kriegsopfer vor Ort konzipiert und nicht als medizinische Betreuungsstruktur, die fähig wäre, traumatisierte Vertriebene und Flüchtlinge aus dem westlichen Ausland, die dort professionelle medizinische Unterstützung in Anspruch nehmen können, aufzunehmen und therapeutisch zu behandeln.

19 Laut Auskunft von Margrit Spindler, Leiterin von Médica Kosova in Giakova, sind allein in dieser Stadt, wo der Grad der Traumatisierung ausserordentlich hoch ist, von über 60Organisationen, die in diesem Bereich arbeiteten waren im Januar 2001 noch 3-4 verblieben: „Das heisst, dass ebenfalls traumatisierte Frauen, die bis zu 20 Familienangehörige verloren oder noch Vermisste haben, sozusagen kaum noch eine Anlaufstelle finden werden...“ (Schreiben vom Februar 2001 an die SFH-Länderanalyse)

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6  Versicherungssystem und die Kosten im Gesundheitswesen

Eine Krankenversicherung gibt es in Kosova nicht. Die Weltbank ist daran, Modalitäten und Arten eines künftigen Versicherungssystems zu erarbeiten.
Im Moment werden die Kosten in einem sogenannten „Co-Payment“-Verfahren gedeckt: Eine Preisliste enthält die Preise für Untersuchungen und Medikamente, die von PatientInnen bezahlt werden müssen.20 Dies gilt jedoch nur für den öffentlichen Sektor. Eine Preisregulierung bei PrivatärztInnen und privaten Apotheken existiert noch nicht. Von der Zahlungspflicht sind Kriegsinvalide, Behinderte, ältere Menschen und alleinerziehende Frauen und Männer befreit. Sie müssen sich im Sozialamt anmelden und bekommen einen entsprechenden Ausweis.
Die ÄrztInnen und das medizinische Personal sind oft schlecht bezahlt und wenig motiviert, sich in den öffentlichen Institutionen des Gesundheitswesens zu engagieren. Zudem bestehen teilweise Interessenskonflikte, wenn ÄrztInnen, das medizinische Personal oder deren Verwandte gleichzeitig eine Apotheke oder eine Poliklinik führen. Ein Spezialist, der im Spital arbeitet, gleichzeitig aber eine Privatklinik führt, wird die PatientInnen zwecks besserer Untersuchung an seine Privatklinik verweisen. Es ist auch tatsächlich so, dass in einigen Privatkliniken und Polikliniken, neuere Geräte vorhanden sind und somit eine bessere Diagnostizierung möglich ist.
Weil jegliche Kontrollmechanismen fehlen, werden den PatientInnen oft Beträge abverlangt, die über das Normale hinausgehen. „Unter dem Tisch“ nennt Bengt Stahlhandske, Co-Direktor im UNMIK-Department für Gesundheit und Soziales, dieses Phänomen, kann aber nichts dagegen machen. Dies führt indirekt auch zu Problemen in der Versorgung mit Medikamenten in den öffentlichen Apotheken. Die Medikamente, die auf der Liste der „Essential Drugs“ stehen, sollten zwar vorhanden sein, werden aber oft als "fehlend“ bezeichnet, was zur Folge hat, dass die PatientInnen dann in einer privaten Apotheke ihre Medikamente kaufen müssen.

20 Siehe Annex 3: ICMPD-IOM: Topical Information Fact Sheet: Health System in Kosovo – Health Regulations: Fees to be paid by the users of health services

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7  Zusammenfassung

Trotz jahrelanger Vernachlässigung des Gesundheitswesens in Kosova durch das serbische Regime, trotz den Folgen des Krieges, dem allgemein schlechten Gesundheitszustand der Bevölkerung und den Kriegstraumata ist es den lokalen und internationalen Akteuren gelungen, eine Basisversorgung der Bevölkerung in Kosova zu gewährleisten.
Die staatlichen (GO’s) und nichtstaatlichen (NGO’s) Organisationen haben in einer ausserordentlich schwierigen und krisenhaften Umgebung grosse Arbeit geleistet und somit eine Katastrophe im Gesundheitssektor abwenden können. Davon zeugen verschiedene Projekte im Bereich der Epidemienbekämpfung, Impfungen, Renovationsarbeiten an den Gesundheitshäusern und Spitälern, Aufklärungskampagnen in den Schulen sowie der Aufbau von psychosozialen Programmen. All diese Fortschritte geben Anlass zur Hoffnung, dass sich die medizinische Versorgungssituation der Bevölkerung auf dem Weg zur Normalisierung befindet.
Trotz dieser Fortschritte gibt es nach wie vor Probleme, die nicht gelöst worden sind. Spitäler brauchen medizinische Geräte zur genaueren Diagnostizierung und Behandlung von Krankheiten. Benötigt werden SpezialistInnen in vielen Fachgebieten der Medizin, wie Anästhesie, Radiologie, Psychiatrie oder Psychologie. Notwendig ist zudem eine bessere und kontinuierliche Versorgung mit Medikamenten und Behandlungsmaterial. Die Apparatur in den Spitälern ist oft veraltet und funktioniert nicht immer. Die Ausstattung der Röntgenabteilungen entspricht ebenso wenig wie die generellen Hygienestandards den mitteleuropäischen Minimalanforderungen. Es fehlen Strahlenschutzdecken oder oft auch Filme. Laboratorien sind lediglich für einfache Befunde ausgestattet, jedoch nicht für komplexe Untersuchungen.
Zudem ist die kontinuierliche Versorgung mit Wasser und Strom nach wie vor ein Problem, das die Arbeit des medizinischen Personals erschwert; zumal, aus Wassermangel, die minimalen Hygienevorschriften nicht eingehalten werden können. Dies führt zu Infektionen verschiedener Art, wie Hirnhautentzündungen oder etwa Harnweginfektionen.
Medikamente, die sogenannten „Essential Drugs“ sind zwar vorhanden, aber nicht überall. Oft kommt es zu Engpässen. Beispielsweise kam es sofort zu einem Mangel an Sauerstoff, weil dieser aus Mazedonien importiert werden muss und Mazedonien mehrmals die Grenze zu Kosova geschlossen hat. Die vorhandenen Dialysemaschinen steigen oft aus, weil sie zu alt sind, oder es fehlt ganz einfach die Dialyseflüssigkeit. Hinzu kommt die Problematik der Unterschlagung und Korruption: Medikamente werden an PatientInnen zu höheren Preisen verkauft oder PatientInnen müssen diese in privaten Apotheken oder in anderen Städten kaufen. Auch die geografische Distanz ist ein Problem, vor allem für die Bevölkerung der ländlichen Gebiete. Zwar gibt es in den grösseren Ortschaften Ambulatorien, die aber nur für eine minimale Versorgung ausgestattet sind. Es gibt in Kosova wenig AllgemeinärztInnen, weil dieses Fachgebiet unattraktiv ist. PatientInnen aus den Randregionen müssen oft weite Distanzen zurücklegen, um zur Ärztin bzw. zum Arzt zu kommen. Wer kein Auto oder niemanden in der Verwandtschaft hat, der ein Auto besitzt, befindet sich in einer schwierigen Situation und geht meistens nicht zum Arzt bzw. zur Ärztin.
Angesichts des Grads an Traumatisierung und der Zahl von traumatisierten Menschen ist das kosovarische Gesundheitswesen sowohl hinsichtlich der Kapazitäten wie auch der fachlichen Know Hows in einer sehr schwierigen Situation: Die psycho-sozialen Programme der Hilfswerke, vermögen die Situation zu mildern, aber nicht zu beheben. Sie bieten keine professionelle medizinische Behandlung. Viele Projekte werden initiiert, scheitern jedoch meistens in der Projektierungs- oder Durchführungsphase, weil die Finanzmittel fehlen und

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die Hilfswerke Kosova verlassen. Im Bereich der psycho-sozialen Animation arbeiten zudem oft lokale Fachkräfte oder schnell ausgebildete Laien, die zum Teil selbst traumatisiert sind oder ähnliche Erfahrungen wie ihre PatientInnen gemacht haben.
Menschen mit traumatischen Erlebnissen können derzeit keine adäquate Behandlung und Betreuung erhalten. RückkehrerInnen, die an PTSD leiden, erfahren in der Regel keine Unterstützung vor Ort, weil die Kapazitäten fehlen. Viele NGO’s haben an die westlichen Staaten appelliert, traumatisierte Menschen nicht zurückzuschicken.
„Eine Rückführung solcher Menschen in einer Umgebung, die noch mit Kriegsfolgen zu kämpfen hat, würde diese Menschen erneut traumatisieren“, so die Befürchtung der ExpertInnen.
Vor dem geschilderten Hintergrund betonen auch die Verantwortlichen innerhalb der UNMIKVerwaltung, dass Personen in besonders verletzlicher Situation, Personen also, die nach einer Rückkehr von sozialer Unterstützung abhängig würden sowie Personen, die kontinuierlicher medizinischer Versorgung bedürfen, derzeit nicht zurückgeschickt werden sollten.21 Offiziell sei die Nothilfephase in Kosova vorüber, konstatiert auch die WHO Mitte Juni des laufenden Jahres in einer Mitteilung, aber im Gesundheitsbereich ist herrsche nach wie vor eine Notsituation. 22

21 siehe Briefing Note on the Repatriation of Kosovar Albanians der UNMIK vom April 2001 in Annex 2
22 In der Mitteilung wird klargestellt, dass WHO angesichts des neuen Influxes von Flüchtlingen aus Mazedonien sowie des Ausbruchs des Krim-Kongo-Fiebers einerseits und eines Rückgangs an Mitteln andererseits an die Grenzen gekommen ist. WHO, 13 June 2001, Repeated Crisis test WHO’s capacity in Kosovo: „The "emergency phase" is officially over, Kosovo has moved into development. But in the health sector, emergency is still an everyday word. Any new day can deliver an unexpected crisis that will divert the remaining core staff away from their programmes and planned activities. If a similar combination of crises occurs again and lack of funds will continue within a few months, WHO Kosovo is unlikely to be able to provide all the support expected of it.

Kosova – Zur medizinischen Versorgungslage – Juni 2001 / ANNEXES

ANNEXES

?  ANNEX 1: Fallbeispiele aus dem medizinischen Alltag ................................... 1
?  ANNEX 2: UNMIK-Informationen zur Rückkehr, April 2001......................................3
?  ANNEX 3: ICMPD-IOM Kosovo Information Project:
Topical Information Fact Sheet – Health System in Kosovo
(Auszug) ...................................................................................... 9
Quelle: ICRC 06/2000 (http://www.icrc.org/eng/balkans)

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ANNEX 1: Fallbeispiele aus dem medizinischen Alltag

Die folgenden Fallbeispiele geben einen exemplarischen Einblick in den medizinischen Alltag in Kosova.

Der Autor traf die PatientInnen im Rahmen der Besuche von Ambulatorien und Spitälern zufällig. In den folgenden Notizen sind die Erzählungen kurz zusammengefasst. Die Namen liegen dem Autor und der SFH vor, aus Gründen der Diskretion sind sie hier verändert. Munire V. (53) die wegen eines Schulterbruchs im Spital von Prizren in Behandlung war, erzählte von einem Kind, dass 5 Wochen im Spital war und kein einziges Mal gewaschen wurden. Die Krankenschwestern, die das Gefühl hätten, nicht dafür zuständig zu sein und sich oft wie Ärzte aufführten, täten nichts, um die nötige Pflege zu gewährleisten. Das Kind habe geweint, sich gekratzt, nicht geschlafen.
Nach mehrmaliger Intervention habe sich eine Pflegerin um das Kind gekümmert. Nach dem Waschen sei das Kind zum ersten Mal ruhig eingeschlafen. Das Kind hätte auch kein Pyjama oder Bettzeug vom Spital bekommen.
Samir K. (60) wird mit einem Armbruch ins Spital eingeliefert. In der Röntgen Abteilung heisst es dann: "Wir können nicht röntgen, weil kein Film da ist". Weil Samir K. kein Geld für den Film hat, hilft ihm ein junger Mann aus, der bereits einen Film für seine Mutter gekauft hatte. Er arbeitet in der Schweiz.
Gjezair G. (55) muss einen Nierenstein entfernen lassen. Die Operation dauert 3 Stunden und wird von einem albanischen und einem deutschen Arzt im Spital von Prizren durchgeführt. Zuvor müssen Labor und Röntgenuntersuchungen gemacht werden, Medikamente, Infusion, Verbandszeug, Spritzen gekauft und jemand für die Blutspende organisiert werden. Die ganze Organisation und den Kauf der nötigen Materialien besorgen seine Söhne. Kostenpunkt DM 1000. Der operative Eingriff habe nicht viel gekostet, teuer seien die Röntgenbilder, Medikamente, Infusionen und Verbandmaterial gewesen, so Gjezair. Auch die nötige Pflege und Nachpflege, sowie das Bettzeug werden von der Familie zur Verfügung gestellt.
Den Bombenangriff der NATO auf einen Flüchtlingstreck bei Korishë bei Prizren hatte Sadije K. (30) überlebt. Vor einigen Monaten, bei der Geburt ihres Kindes ist die Frau mit psychischen Problemen in die psychiatrische Abteilung des Regionalspitals in Prizren eingewiesen worden. Die Diagnose des Arztes lautet: Sadije K. habe das Ereignis nicht verarbeitet. Ihr Trauma würde sich erst jetzt bemerkbar machen. Sie bekommt Psychopharmaka und wird nach ein paar Tagen entlassen. Eine Hirnstromanalyse konnte nicht in Prizren durchgeführt werden, weil es im Spital keinen Tomograph gibt. Die nötige Untersuchung wurde in Prishtina durchgeführt. Die Patientin bekommt nach wie vor Medikamente, die sie ruhig stellen. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Aus Verzweiflung hat ihr Mann sogar einen Heiler beigezogen, der aber auch nicht helfen konnte.
Blerim Z., (12), überlebt als einziger ein Massaker. Er wird im Spital von Prizren mit Medikamenten vollgestopft. Wenn die Wirkung nachlässt, schreit er: "Weg hier, sie wollen uns umbringen". Gespräche über das Erlebte finden nicht statt.

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Enver A. ist ein junger Mann von zirka 18 Jahren. Im Sprechzimmer von Psychiater Dr. Agron Zajmi, im Regionalspital von Gjakovë sitzt er zusammen mit seinen Eltern. Enver schweigt die ganze Zeit. Sein Blick schweift in die Ferne, er sieht so aus, als gehe ihn das Gespräch nichts an. Enver hat den Krieg in Kosova erlebt, wurde nach Albanien vertrieben, von wo aus er nach Österreich geflohen und bis nach dem Krieg geblieben ist. Alles sei in Ordnung gewesen, erzählt seine Mutter. Aus Österreich habe er oft angerufen und immer gesagt, es gehe ihm gut. Nach der Rückkehr habe er immer mehr geschwiegen, Orte an denen gekämpft wurden, gemieden, sich immer mehr vom Umfeld zurückgezogen. Weil die Mutter das Gefühl hatte, etwas sei nicht in Ordnung, hat sie die Hilfe von Dr. Zajmi gesucht. Die Medikamente, die er nehmen müsse, würden einfach zu schwach wirken, deshalb habe sie die Dosis erhöht. Dr. Zajmi sagt, sie solle bei der, von ihm verschriebene Dosis, bleiben sonst könnte es Probleme geben. Enver sagt die ganze Zeit nichts und sitzt teilnahmslos da. Der Arzt spricht nur mit der Mutter oder dem Vater.

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ANNEX 2: UNMIK-Informationen zur Rückkehr, April 2001

BRIEFING NOTE ON THE REPATRIATION OF KOSOVAR ALBANIANS

During the year 2000 alone, IOM reported that it had assisted 87,264 persons to return to Kosovo in organised movements. According to figures provided by the UNMIK Border Police, approximately 12,500 individuals were forcibly repatriated during the same period. The number of spontaneous returns is unknown, but it appears reasonable to conclude far in excess of 100,000 Kosovars came back to the province over the year, swelling the habitually resident population by around five percent.
In short, a massive humanitarian effort since the end of the conflict in 1999 has assisted well over three-quarters of a million Kosovars who have returned to the territory to begin rebuilding their lives. The large number of returnees has an inevitable impact on all aspects of society, including housing, social assistance, the provision of health care, policing and, in particular, education.
Despite the limited absorption capacity and shattered infrastructure in Kosovo, those ethnic Albanians who have returned thus far have generally managed to find accommodation, whether in their original homes or with friends and relatives. In view of the large number of returns over the past year, however, shelter possibilities are now largely exhausted. Future retumees, especially those who have been longterm residents abroad, will find prospects for resettlement in the province far more daunting.
UNMIK therefore continues strongly to recommend a strategy of phased and coordinated returns. In view of the diminishing resources available to assist in reintegration efforts for these latter retumees, host countries should be aware of the difficulties that will inevitably arise in absorbing those who arrive without accommodation and the protection afforded by the traditional social safety net. Greater investments on the part of sending countries in key areas of need would help to create the requisite conditions for the smooth integration of such long-time expatriates and their children into a country many of them have not seen in years, if ever.
Governments are therefore urged, consistent with all previous UNMIK appeals with regard to return policy, to continue to give priority to voluntary returns. By providing the necessary incentives for repatriation to proceed at a manageable, yet steady pace, the likelihood is greater that the returnees may arrive home in dignity and safety, in accordance with the principles of international refugee law. In view of its humanitarian and human rights mandate under Security Council Resolution 1244, UNMIK bears ultimate responsibility for ensuring adherence to this basic standard in all organised repatriation movements. International instruments signed by the sending countries likewise commit them to protect these rights.

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Beyond adherence to these precepts, the prevailing conditions in Kosovo argue forcefully in favour of guaranteeing that all repatriation programmes be designed as co-ordinated, phased and orderly movements, in order to take full account of two major concerns:

?  ensuring adequate accommodation for all returnees;
?  avoiding the return of members of vulnerable groups for whom assistance is currently unavailable.

While UNMIK recognises the principle that those Kosovar Albanians who are no longer in need of international protection23 (which emphatically does not include those originating from North Mitrovica) may return to the territory, the forced return of persons belonging to ethnic minorities and the consignment to Kosovo of persons not originating from there are entirely different matters. Although this paper focuses on the repatriation of Kosovar Albanians, experience of forced repatriations over the past several months warrants some attention. In the first instance, UNMIK is deeply concerned at the recurrent forcible repatriation of members of ethnic minorities24, in particular the deportations of Roma/Ashkalija families and individuals. In view of continued killings of members of the Roma/Ashkalija community in Kosovo, the time does not appear ripe to launch the forced returns of such vulnerable individuals.
Furthermore, the forced return of individuals at risk, such as members of ethnic minorities, potentially violates Article 33 of the 1951 Refugee Convention. In addition, according to the jurisprudence of the European Court of Human Rights, such forced returns could constitute a violation of Articles 2 and 3 of the European Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms (ECHR).
As for persons not originating from the province, it is essential to recall that UNMIK enjoys a mandate limited to the territory of Kosovo and does not hold any jurisdiction over Serbia, Montenegro, Albania, Macedonia or Bosnia. Nonetheless, some governments have consigned rejected asylum-seekers originating from these places to Kosovo. In view of the constraints of UNMIK's mandate, the deportation of such persons to Kosovo does not constitute an acceptable solution for these individuals.
Further, the fundamental protection enshrined in the ECHR-that people at serious risk of death or suffering inhuman or degrading treatment must not be forcibly returned-extends to all persons, including ex-offenders. It is of great concern that the forcible repatriation of exoffenders, who may be at risk of suffering death or degrading treatment (including exoffenders belonging to non-Albanian ethnic communities), has been carried out, presumably on the erroneous assumption that this group does not enjoy protection under this basic tenet of human rights.
At present, the situation for minority groups remains extremely precarious. Largely confined to very limited enclaves as a result of security problems, members of minority ethnic communities suffer even lower living standards than those of the general population. Their ac-

23 Notwithstanding positive developments and the efforts of the international community, there remain individual Kosovo Albanians who could face serious problems were they to return at this stage. in this regard, UNMIK refers to the UNHCR Position on the Continued Protection Needs of Individuals from Kosovo (March 2001). The position taken by UNHCR is fully supported by UNMIK, which urges adherence to the principles outlined therein.
24 See the seventh OSCE/UNHCR Assessment of the Situation of Ethnic Minorities in Kosovo, April 2001.

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cess to health, education and other public services is restricted, so that many remain heavily reliant on humanitarian assistance.
In addition to the frequent outbreaks of ethnic tension and violence that continue to cause great concern for the overall stability of Kosovo, attention must also be given to the highly volatile situation in the region as a whole. Further flight of ethnic Albanians across Kosovo's southeastern boundary with Serbia, which could reach massive proportions in the event of further hostilities, would require a total reassessment not only of the province's absorptive capacity, but also the appropriateness of repatriating people into a potentially explosive security situation.
The situation for members of ethnic communities living in a particular location where they are in the minority remains precarious. They face serious risk of harassment, violence or death, severely restricting their freedom of movement, often limited to small enclaves, while many continue to leave Kosovo. In addition, the return of ethnic Albanians into areas of communal tension can have a severely destabilising effect on these minority communities.

1. ACCOMMODATION

The return of homeless Kosovars without strong family or community ties would be counterproductive to ongoing reconstruction and development efforts, potentially reversing the enormous progress made thus far and further heightening insecurity in the region. The need for a phased and gradual return is therefore in the interests of all who wish to strengthen current efforts to rebuild a stable and prosperous Kosovo.
According to previous assessments, an estimated 83,000 residential units were in need of essential repairs or reconstruction. In spite of substantial progress in efforts to rebuild damaged or destroyed housing during 2000, the grim reality is that the full realisation of this goal cannot be achieved in a single year. It is interesting to consider that Kosovo has historically enjoyed a capacity to construct no more than 7,000 housing units per year. This offers some indication of the enormity of the task ahead.
A further important consideration in determining Kosovo's absorptive capacity for mass return is the recent finding that the host-family system is in many areas saturated. Thousands of persons still remain with host families in Kosovo, including those who reside with friends and relatives. The traditional safety net of extended families and strong community ties, which has played an important role in providing at least initial accommodation for returnees, may now be overburdened. Serious consideration should be given to avoiding the return of persons without access to shelter, which on a large-scale could potentially give rise to widespread and prolonged displacement, as well as to chronic dependence on humanitarian assistance.
Secondary displacement resulting from the arrival of returnees who wish to reclaim their own property or reside with immediate relatives, is also an unavoidable outcome of largescale returns. Based on the limited accommodation and reconstruction capacity, concerns arise that the introduction of massive numbers of returnees without shelter may not only have serious negative repercussions on the viability of recovery and reintegration efforts, but also may place additional pressures on the existing population of vulnerable individuals, as well as minority groups.

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2. HEALTH CARE

Through the efforts of UNMIK, Kosovo's health services have recovered substantially over the past eighteen months, thus far managing to meet the basic needs of the current population. Although the health services system seems capable of providing satisfactory primary and much secondary care, many conditions requiring complicated treatment or long-term management are beyond current capabilities. The following are examples of conditions that cannot be satisfactorily treated in Kosovo:

?  cancer (requiring radiotherapy or chemotherapy);
?  all heart surgery (including installation of pacemakers);
?  intraocular surgery;
?  severe and chronic mental illness and psycho-social disorders;
?  hormonal dysfunctions;
?  and HIV/AIDS.

Only drugs for the treatment of minor conditions and common diseases are readily available in the public sector.25 Patients with chronic or rare diseases requiring complicated and expensive diagnostic and therapeutic interventions, such as hormonal dysfunctions, HIV/AIDS and haemophilia, are unable to find appropriate medication in public health institutions and pharmacies. Furthermore, the limited range of drugs available may necessitate a change in medicinal therapy even for persons with relatively minor conditions. Coupled with the fact that disruptions to this supply of basic drugs occasionally occur, it is recommended that persons undergoing such treatment in their host countries be supplied with a sufficient quantity of the medication to cover at least the first six months after their return. Potential returnees being treated for diseases that require intensive, complicated or sophisticated procedures should be given the opportunity to complete their course of treatment before returning to Kosovo. Persons suffering from chronic illnesses (such as advanced and complicated heart and lung diseases) should not return to Kosovo. Psychiatric services are very limited, with an almost total lack of community services other than those associated with conflict trauma. Patients are mostly treated pharmaceutically; 'rehabilitation' is virtually non-existent. Despite a high level of awareness of alternative systems both in terms of treatment sites and types, funding for the gradual reform of the system, including increased primary care and community services, has not been adequate. In view of the prevailing circumstances, it cannot be too heavily emphasised that no mental hospital presently exists in Kosovo.
The present ratio of one psychiatrist for every 100,000 inhabitants indicates the extent of the challenge posed. Clinical psychologists are almost non-existent and few psychiatrists have been trained in psychotherapy. The current lack of mental-health structures for chronic psychiatric patients and the mentally disabled compels UNMIK to appeal to the host countries not to return such cases at this time. In any event, it is imperative that any proposed returnee in such a category be carefully examined on an individual basis before any determination is made.

25 See the second edition of the Kosovo Essential Drugs List (Kosovo Regulatory Authority, June 2000).

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The Shtime Special Institute for the Severely Mentally Retarded has undergone substantial repairs and rehabilitation. At present, however, this institution cannot accept new patients as facilities for treatment are extremely limited, particularly for rehabilitation including any kind of education. Oriented toward social-welfare, as opposed to health-care, this centre is most definitely not an appropriate facility for patients suffering from chronic mental illness. In short, Kosovo does not possess any facilities at present for treating either acute mental health cases or persons who need to be detained or forcibly medicated for mental health reasons.

3. PROMOTION OF VOLUNTARY RETURNS

As part of the overall strategy to maintain a phased and co-orditiated approach to return, governments should continue to give priority to voluntary repatriation. Often, the 'voluntariness' of a return is an indication that the individual has identified a 'solution' in the country of origin. By creating the necessary conditions for return and developing opportunities for reintegration, individuals will have the necessary incentives to repatriate.
With regard to the efforts currently underway to support reintegration, UNMIK would urge host-country governments to give serious consideration to expanding assistance programmes to include a broader category of returnees. Repatriation packages focused on people in vulnerable groups should be extended to cover those who may become 'vulnerable' by virtue of their return to Kosovo, despite their circumstances in the country of asylum.
For instance, a returnee family gainfully employed in a host country might well encounter few, if any, economic opportunities upon initial arrival back in their homeland. As the recovery continues and economic development advances in Kosovo, the jobless rate can of course be expected to decline, but many returnees may face a period of severe hardship due to unemployment. Likewise, even with adequate resources and the highest commitment, housing construction will face logistical constraints that could relegate many returnees to temporary shelter and dependence on humanitarian assistance for an unacceptably long period, if the repatriations are not properly spaced.

4. CONCLUSION

As concrete steps towards ensuring a dignified and safe return of Kosovar Albanians and their successful reintegration, UNMIK strongly recommends that practical modes of implementing any return programme be designed in close collaboration between the countries of asylum and UNMIK, with particular focus on:

?  avoiding the return at this time of any person in need of social assistance, in particular those in need of housing or any but the most basic medical treatment (particularly the mentally ill);
?  continued emphasis on voluntary and phased returns to allow the planning for and creation of basic, minimum acceptable conditions in the recipient communities; and
?  an increase in funding of the social welfare system, in order to strengthen its ability to meet the increased demands arising from the arrival of returnees.

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The gains of the past twenty months since the inauguration of international custodianship remain fragile in this climate of protracted political and ethnic tension. The restoration of public infrastructure, utilities and services, after years of neglect and lack of investment, has proved a formidable challenge to UNMIK and the donor community. Every effort must therefore be made to ensure that the pace, scale and timing of repatriation from the countries of asylum are the result of careful deliberation and planning.
UNMIK would therefore like to invite the host countries to work closely with its staff and partners to guarantee the repatriation of only of those individuals who may now return in safety and dignity. Acceptance of such a policy will contribute to the ultimate success of all our endeavours to build a prosperous, tolerant and multiethnic society in Kosovo.

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ANNEX 3: ICMPD-IOM Kosovo Information Project: Topical Information Fact Sheet – Health System in Kosovo

(Auszug)

Part 1: Health Regulations

The Department of Health and Social Welfare

Introduction of Co-Payrnents by Users of Health Services

1.  Pursuant to the authority vested in the Department of Health and Social Welfare by Regulation No. 2000110, particularly paragraph 2.2. (a) that mandates the Department to develop infrastructure and human resources to implement the strategy and policies for the development and provision of health care and social welfare, within the framework of the Kosovo Consolidated Budget.
2.  Recognizing the need to supplement the funds available through the Kosovo Consolidated Budget, and
3.  Determined to promote rational use of health services by, inter alia, establishing a referral system, and

Hereby promulgates the following:

1.  To supplement the funds available for health care institutions, to foster adherence to the referral system from primary health care to secondary and tertiary care and to guide the appropriate use of health services, all clinical health care institutions, i.e., ambulancas health houses and hospitals, will have to introduce a uniform system of user fees.
4.  The users of the services of the public health care system of Kosovo will have to follow the official referral chain, i.e.,
a)  Except in an emergency, the first visit for any given reason should be to an ambulanca or health house;
b)  Once the residents of Kosovo have been provided with identity cards and the network of family medicine centres has been established, the first visit should be to the centre serving the community (village) where the user resides;
c)  Visits to hospitals, both out-patient, should be on the basis of referral only;
d)  Visits by residents of municipalities other than Pristina to the Pristina University Hospital should normally be based on referral by doctor in a regional hospital. A health house doctor can, however, refer a patient direct to the Pristina University Hospital by justifying bypassing the regional hospital in the referral;
e)  Use of the outpatient and in-patient services of the Pristina University Hospital by residents of the municipality of Pristina should be on the basis of a referral from a health house doctor;

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f)  In emergencies (accidents and sudden, serious, possibly life-threatening conditions), a patient can be taken to the nearest health care institution or to the institution that is considered most appropriate given the nature of the emergency.
5.  The fees will be applicable to all services and all users with exceptions stated in operative paragraph 5 according to the fee scale given in annex 1.
6.  So as not to impede the use of health services by those most in need and chronically ill and not to discourage the use of preventive services, the following groups of users and group of services are exempt from user fees:
a)  Children up to and including 5 years of age;
b)  Pregnant mothers;
c)  War invalids;
d)  User who can document that they are on the social welfare emergency scheme and
e)  Patients with severe chronic diseases requiring continuous care and follow-up at the discretion of the treating physician until such a time that the Department issues a list of diseases entitling to exemption from user fees;
f)  All preventive services (turbeculosis testing, family planning, ante and postnatal care, immunization and PAP smear); and
g)  Repeat visits after the third visit for the same reason.
7.  The health care institutions have to maintain a separate account for monies thus raised showing both the monies generated and their use. This accounting will have to be linked to the information system of the facility in such a way that it enables the production of statistics on the use of services.
8.  All health care institutions are entitled to use sixty (60) per cent of the monies thus raised within the institution for the purposes specified in paragraph 8. Twenty (20) per cent will be transferred to a solidarity fund to be maintained at the regional level and twenty (20) per cent to the central level to finance unforeseen expenses (e.g., control of epidemics) and treatment abroad. The regional solidarity fund will be used to level inequalities between municipalities and communities within the region and to pay for unforeseen needs and emergencies. The funds retained at the central level will be used to finance unforeseen expenses e.g., control of epidemics) and treatment abroad.
9.  The health care institutions are entitled to use the monies thus raised for the following purposes:
a)  Incentive payments for health personnel working in remote facilities or under hardship conditions;
b)  Transport expenses to health care personnel commuting between their home and a remote facility;
c)  Payment for night and week-end duties;
d)  The use of the monies for any other purpose requires the approval of the Department of Health and Social Welfare;

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10.  The health care institutions will have to prepare a plan for the use of the monies thus raised for the approval by the UNMIK Regional Health Office.
11.  The health care institutions will have to monitor the co-payment system and report problems and suggest improvements to Department of Health and Social Welfare through the UNMIK Regional Health Office.
12.  The health care institutions will have to post the fee schedule and the list of exemptions (Annexes 1 and 2 to this Administrative Instruction) visibly at the entrance of the institution, in all waiting areas and next to possible cashiers office.
13.  The fee schedule will have to state clearly that the user will not need to pay any other charges.
14.  Before this Instruction becomes effective, the Department will launch an information campaign addressed to the entire population of Kosovo to introduce the use fee scheme.

Fees To Be Paid By The Users Of Health Services

Service Fee (DEM)
First visit to an ambulanca 2
Repeat visit to an ambulanca for the same reason 1
First visit to a Health House without referral by a doctor in an ambulanca 2
Repeat visit to a Health House for the same reason 1
First visit to a Health House without referral or not covered by paragraphs 2.a. or b  5
First visit to a hospital out-patient department with a referral 3
Repeat visit to hospital out-patient department for the same reason 2
First visit to the out-patient department of a regional hospital without a referral 20
First visit to the outpatient department of Pristina University Hospital with a referral 3
Repeat visit to the out-patient department department of the Pristina University Hospital out-patient department for the same reason 2
First visit to the out-patient department of the Pristina University Hospital without a referral 30
Any laboratory test used singly or a group of related tests (e.g., "blood count" includes Hb, WBC and differential) 2
X-ray examination 5
In-patient stay in any hospital regardless the length of the stay 10
Any certificate issued at the user s request (e.g., certificate for insurance or drivers license) 20
This health care institution or its staff is not entitled to charge any other fees.
 



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Seite erstellt am 29.12.2001