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Meldung vom 19.06.1999 16:58 http://seite1.web.de/show/376BAF55.AP1
 «Sie haben ihr Leben für uns riskiert»

Serbisch-orthodoxe Mönche gewährten Kosovo-Albanern Zuflucht – Soldaten plünderten das Dorf Decane

Von AP-Korrespondentin Ellen Knickmeyer
Decane (AP)

Als serbische Streitkräfte auf ihrem Rückzug das Dorf plünderten, bot der serbisch-orthodoxe Abt von Decane Dutzenden Kosovo-Albanern Schutz hinter den Mauern seines Klosters. Er sandte Mönche aus, um auch die Familienmitglieder der Geflohenen in Sicherheit zu bringen. Jetzt stehen Nato-Panzer vor dem Kloster aus dem 14. Jahrhundert, in dem inzwischen zahlreiche serbische Dorfbewohner Zuflucht gesucht haben. Dabei scheinen solche Sicherheitsmaßnahmen in Decane kaum nötig: Anders als im übrigen Kosovo haben sich hier sämtliche Spannungen zwischen Albanern und der serbisch-orthodoxen Kirche gelegt.

       Der albanische Dorfbewohner Shaban Bruqi nimmt die Mönche vor möglichen Angriffen in Schutz. «Wenn jemand sie töten will, muß er zuerst uns töten», sagt Bruqi. «Sie haben uns gerettet.» Während der letzten Plünderungen serbischer Soldaten im Westen des Kosovos in der vergangenen Woche herrschte auf dem Klostergelände längst ungetrübter Frieden zwischen serbischen und albanischen Bewohnern. Abt Theodosia schaffte damit eine beispiellose Ausnahme in einer Provinz, in der es kaum einen Unterschied zwischen Nationalität und Religion gibt: Fast alle Albaner hängen dem moslemischen, fast alle Serben dem serbisch-orthodoxen Glauben an.

       Aus fester Überzeugung habe er guten Menschen aller Nationalitäten und jedes Glaubens Zuflucht gewährt, erzählt der Abt, während seine Mönche um ihn mit Schubkarren durch den Garten rollen und Unkraut jäten. «Es war meine christliche und menschliche Aufgabe. Wir sind froh, daß wir ihnen helfen konnten.»

        «Nimm meine fünf Dinar, und laß meinen Vater am Leben»

       Vor Kriegsbeginn lebten in Decane rund 6.000 Kosovo-Albaner und 700 Serben. Die meisten Albaner flohen bereits Monate vor Beginn der Nato-Luftangriffe aus Angst vor den serbischen Streitkräften. Noch am 11. Juni raubten Soldaten Häuser im Dorf aus und mißhandelten Frauen und Männer.

       «Ich habe dem Soldaten gesagt: 'Hier, nimm meine fünf Dinar, und laß meinen Vater am Leben», berichtet die achtjährige Duresa Malaj, die vor einem der wenigen noch intakten Häuser sitzt. «Er hat mein Geld genommen.» Abt Theodosia half den Kosovo-Albanern mit Lebensmitteln aus, besuchte sie regelmäßig und erkundigte sich nach ihrem Wohl. Nach dem Überfall vom 11. Juni ließ er 150 von ihnen für drei Tage in sein Kloster bringen. Seine Mönche bezogen Stellung vor der Stadt und sagten den Angreifern, es seien keine Kosovo-Albaner mehr im Dorf.

       «Sie haben ihr Leben für uns riskiert», sagte Bruqi. Dennoch tauchten die Soldaten eines Tages vor den Toren des Klosters auf - jedoch mit einem unerwarteten Anliegen: Wie Dorfbewohner berichteten, wollten sie beten und für ihre Sünden um Vergebung bitten. Mit dem Rückzug der Streitkräfte aus dem Kosovo flohen auch die meisten serbischen Bewohner aus Decane. Nur etwa 20 ältere Menschen blieben im Dorf und suchten aus Angst vor Angriffen der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) im Kloster Schutz.

       Abt Theodosia hingegen fürchtet die Rebellen nicht. Das Kloster und die 660 Jahre alte Kirche in Decane gehörten zu den besterhaltenen im Kosovo und müßten geschützt werden, sagte er. «Kirchen und Moscheen sind heilige Orte», sagt auch Bruqi. «Ich weiß nicht, wer den Mut haben sollte, sie anzurühren. Der Abt hat keinen Grund, uns zu mißtrauen.»

© AP


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Seite erstellt am 19.6.1999