http://www.cvizk.de/berichte/berichtjun2001.pdf
Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina
Monatsbericht Juni 2001
1 - Flüchtlingssituation
2 - Betrüger
3 - Kindergeld- und Rentenauszahlungen
4 - Wiederaufbau
Wie auch im letzten Jahr scheinen die Gemüter sich bei Temperaturen
um
35°C zu beruhigen. Die Gewalttätigkeit, zumindest ethnischer
Natur, hat
in den letzten Wochen deutlich nachgelassen. Es werden allerdings immer
noch permanent Waffen von KFOR konfisziert.
Das Gesundheitswesen und die wirtschaftliche Lage haben sich nicht
wesentlich verbessert. Die OSZE bereitet sich auf die Wahlen am 17.
November vor. Schon jetzt beginnt der Wettstreit zwischen den Parteien,
gespickt mit öffentlichen Diffamierungen. So berichtet die größte
Tageszeitung Koha Ditore (13. Juli 2001), daß sich dieses Jahr
die PDK
durch die LKD bedroht fühlt.
Da es ansonsten in diesem ruhigen Sommermonat nicht viel zu berichten
gibt, werde ich mich auf einige kleinere Aktualisierungen, die Situation
der Flüchtlinge aus Mazedonien und die Sorgen der Infostelle
beschränken.
1 - Flüchtlingssituation:
Leider ist die Situation im benachbarten Mazedonien trotz Waffenruhe
nicht so stabil wie im Moment im Kosovo. Angeblich nutzen beide Parteien
die Zeit, um ihre Stellungen zu auszubauen. Am 11. Juni kam es erneut
zu
Gefechten an der Grenze zum Kosovo, wobei ein mazedonischer Soldat
schwer verletzt wurde.
Nach den neuesten Angaben von UNHCR sind von den ursprünglich 73.000
Flüchtlingen aus Mazedonien noch 62.000 im Kosovo. Obwohl die
Rückkehrrate sich verringert hat, beobachtet UNHCR pro Tag eine
Rückkehrbewegung von ungefähr 500 Menschen. Dabei handelt
es sich jedoch
nur um Rückkehr nach Skopje. Noch kehrt niemand in die Region
um
Komanovo und Tetovo zurück.
An der Grenzstation Blace werden Flüchtlinge ohne gültigen
Paß nicht
durchgelassen. Letzten Mittwoch wurde ein Mann, der einen gültigen
Paß
besaß, von den mazedonischen Sicherheitskräften zurückgeschickt,
da er
in eine Region wollte, die an- geblich noch von den albanischen Rebellen
besetzt ist. Laut UNHCR wurde der Mann zudem verprügelt.
Die nicht durchgelassenen Flüchtlinge wissen nun nicht, wohin,
da es den
meisten unangenehm ist, zu ihren ohnehin überstrapazierten Gastfamilien
zurückzukehren.
UNHCR, zusammen mit Implementierungspartnern und Caritas Kosovo sowie
CRS (Catholic Relief Services, Amerikanische Caritas) unterstützen
die
Flüchtlinge mit Nahrungsmitteln und anderen Hilfsmitteln.
Der allergrößte Teil der Flüchtlinge ist bei Gastfamilien
untergekommen.
Diese haben wirklich Schlange gestanden, um ihre Dankbarkeit durch
die
Aufnahme der Flüchtlinge ihrerseits für die damalige Gastfreundschaft
während des Kosovokrieges auszudrücken. Nur wenige wohnen
in einem
Flüchtlingslager in Kacanik, unweit der Grenze zu Mazedonien.
So gut sich dies auch anhört, sind die Probleme doch vielfältig:
Wie
schon im letzten Bericht erwähnt, sind viele der Gastfamilien,
vor allem
in den Dörfern, selbst sehr hilfsbedürftig. Zudem sind die
Häuser der
meisten Familien seit langem von Angehörigen aus dem eigenen Land
völlig
überfüllt, und der zusätzliche Strom der Rückkehrer
hat die
Belastungsfähigkeit vieler Menschen bis aufs äußerste
strapaziert.
Eine forcierte Rückkehr aus Deutschland in dieser angespannten
Situation
könnte "das Faß bei vielen zum Überlaufen bringen".
2 - Betrüger
Seit Wochen macht ein Betrüger (auch über ihn wurde schon
im letzten
Bericht kurz geschrieben) der Informationsstelle und vielen Rückkehrern
aus Deutschland das Leben schwer.
Bei dem Betrüger handelt es sich um einen 20-jährigen Kosovoalbaner,
der
sich als Caritasmitarbeiter ausgibt. Er verspricht verzweifelten
Rückkehrern gegen ein Entgeld von 360 DM pro Familie (in Einzelfällen
auch mehr), daß die DCV/DW Infostelle Pristina Kindergeld auszahlt
und
den Familien, deren Kinder in Deutschland geboren sind, Visa nach
Deutschland verschafft.
Die Familien, die ihm nicht glauben, kommen dann aus dem ganzen Land
in
unser Büro, um sich Gewissheit zu verschaffen. Innerhalb von 2
Monaten
überschwemmten über 100 aufgebrachte Rückkehrer unser
Büro. Auch wenn
mich das sehr von meiner eigentlichen Aufgabe abhielt, fand ich es
doch
nötig, die betrogenen Menschen sprechen zu lassen, schon alleine
um
Näheres über den Betrüger zu erfahren. Zudem bestand
und besteht die
Gefahr, daß die Caritas in den Ruf der Korruption kommt, da man
in
diesem Land für alles bezahlen muß (auch für Dinge,
die von der
internationalen Gemeinschaft eigentlich umsonst sind, so zum Beispiel
die Aufnahme in die Bewerberliste der lokalen Polizei. Doch dazu später
Genaueres). Viele der Rückkehrer glauben, daß wir einige
bevorzugen und
dafür Geld verlangen. Es kostet jedesmal viel Mühe und Geduld,
die
Menschen vom Gegenteil zu überzeugen.
Vor 2 Wochen erstatteten wir Anzeige gegen Unbekannt und der zuständige
deutsche Polizist fand heraus, daß der Betrüger mit einer
jungen
deutschen Frau verheiratet ist, die als seine Komplizin "arbeitet".
Sie
gibt an, aus der Caritaszentrale in Deutschalnd zu kommen!
Glücklicherweise hat diese Frau so viele Spuren hinterlassen,
daß wir
Hoffnung haben, das Paar zu erwischen.
Es ist skandalös, wie viele Menschen hier das Leid und die Armut
ihrer
Kompatrioten ausnützen. Zwar ist dies oft der Fall in
Nachkriegsgebieten, doch scheint es im Kosovo ganz besonders
erschreckende Ausmaße anzunehmen.
So berichteten mehrere Rückkehrer, daß bis zu 3000 DM bezahlt
werden
müssen, um in ein Wiederaufbauprogramm aufgenommen zu werden.
Hilfsgüter
werden oft verkauft anstatt gespendet.
Alle diese Aussagen beruhen natürlich auf Gerüchten, doch
die Häufigkeit
der Erzählungen lassen darauf schließen, daß viel
Wahrheit daran ist.
3 - Kindergeld- und Rentenauszahlungen
Gerüchte sind überhaupt ein treibender Faktor in dieser Gesellschaft.
So
wird weiterhin behauptet, daß unser Büro Renten und Kindergeld
auszahlt.
Um dieses Gerücht ein für alle Mal zu beenden, gebe ich hier
die
Organisation an, die sich tatsächlich um diese Dinge kümmert.
Es handelt sich um die lokale Organisation NOSHI, die in Pristina und
München (Schützenstrasse 5) ihren Sitz hat.
Rückkehrer, die sich in Deutschland nicht um die Auszahlung dieser
Gelder bemüht haben, können also dort ein entsprechendes
Formular
ausfüllen, das über die Zweigstelle in München zu den
deutschen Behörden
weitergeleitet wird. Begünstigte müssen ein Konto bei der
hiesigen MEB
(Micro Enterprise Bank) besitzen, auf das die Gelder überwiesen
werden.
NOSHI zieht 13% der Auszahlungen ein. Stellt sich jedoch heraus, daß
ein
Rückkehrer keinen Anspruch auf Kindergeld oder Rente aus Deutschland
hat, entstehen ihm keine Bearbeitungsgebühren durch NOSHI.
4 - Wiederaufbau
Auch im nächsten Jahr müssen wieder Häuser von der internationalen
Gemeinschaft aufgebaut werden. Rund 12.000 Familien benötigen
noch
Wiederaufbauhilfe (UNMIK News, No.99, 1 July 2001). In diesem Jahr
ist
das Ziel der Abteilung für Wiederaufbau die Rehabilitation von
ungefähr
8.000 Häusern.
Pristina, den 13. Juli 2001
Christina Kaiser
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