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Betreff:  [Kosova-Info-Line] Monatsbericht August 2001 der Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina
Datum: Fri, 28 Sep 2001 18:20:05 +0200
Von: Wolfgang Plarre <wplarre@bndlg.de>
An: Kosova-Info-Line-LISTE <liste@kosova-info-line.de>

http://www.cvizk.de/berichte/berichtaug2001.pdf

Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina

Monatsbericht August 2001

1 - Armut in Europa: Beispiel Kosovo
2 - Sozialversorgung im Kosovo
3 - Menschenhandel im Kosovo

Einleitung

Nachdem die Lage im benachbarten Mazedonien sich beruhigt und der Strom
der Flüchtlinge von dort nachgelassen hat, herrscht auch im Kosovo
relative Ruhe. Dennoch gibt es weiterhin unerklärlich grausame Morde -
so die Auslöschung einer 6- köpfigen Familie in der Nähe von Peja
(Nordwesten) - deren Motiv sich auch die Polizei nicht erklären kann.
Mit den herannahenden Wahlen werden politische Verbrechen erwartet, doch
noch scheint der Frieden gewahrt zu sein.

Die Reaktion der - offiziell muslimischen - Albaner auf die Ereignisse
in Amerika war einstimmig pro-amerikanisch, was durch riesige
Solidaritätsdemonstrationen bewiesen wurde.

Beunruhigend ist jedoch der herannahende Winter, von dem man vermutet,
daß er nicht so harmlos wie der letzte, sondern eher sehr hart sein
wird. Die Stromversorgung nähert sich dem Nullpunkt, obwohl die beiden
Stromwerke weiterhin munter die Umwelt verschmutzen. Ein französischer
Ingenieur verriet mir des Rätsels Lösung: Der kosovarisch produzierte
Strom wird nach Montenegro exportiert, aus dem erschreckenden Grund,
weil die Kosovaren im Gegensatz zu den Montenegrinern ihre
Stromrechnungen einfach nicht zahlen. Dies mag zum einen an der Armut
(siehe unten) liegen - Strom ist wirklich extrem teuer - aber sicherlich
auch an einem Mangel an Disziplin (1Zur Verdeutlichung: obwohl der
letzte Winter mild war und ich nicht übermäßig heizte (und nur ein
Zimmer, da meine Wohnung keine Zentralheizung besitzt) und dazu noch oft
Stromausfall war, betrug meine Rechnung 150 DM pro Monat. Sehr vielen
Familien aber stehen nur um die 200 DM Einkommen monatlich zur
Verfügung.). Viele Menschen zapfen einfach die Stromleitung ihrer
Nachbarn an.
Ein kürzlicher Streik der Müllabfuhr führte zu einer Überschwemmung mit
Abfall, der einem den Atem nimmt. Die Müllberge mitten in Pristina sind
meterhoch und erstrecken sich über weite Flächen. Die Einwohner (außer
den Internationalen) nehmen dies mit einer stoischen Ruhe hin, die aus
einer jahrhundertelangen Machtlosigkeit und der Apathie des Kommunismus
resultieren mag. Eigeninitiativen um diesen unangenehmen und
gesundheitsgefährdenden Umstand zu beseitigen gibt es außer
Verbrennungen von einzelnen Müllbergen keine.

Erschreckender noch als der Gestank und die giftigen Dämpfe der
brennenden Abfallhaufen sind die vielen Menschen, die scheinbar ohne
Scham den ganzen Tag diese Berge nach brauch-oder eßbarem durchwühlen.
Dieses Schauspiel ist ein offener Beweis dafür, daß es hier nicht nur
große Häuser und teure Autos gibt, die auf den ersten Blick den Schein
eines allgemeinen Wohlstandes vermitteln, sondern auch bittere Armut.

Vielmals wurde ich gebeten, über das Sozialwesen im Kosovo zu berichten,
doch erscheint es mir wichtig, erst einmal einen Überblick über die
Hintergründe d.h. die Bedürftigkeit der Menschen nach Sozialstrukturen
zu geben.

Da mir die menschlichen und logistischen Ressourcen für eine
ausführliche Studie fehlen, werde ich größtenteils auf die
Nachforschungen der Weltbank zurückgreifen (Kosovo Poverty Assessment,
Volume 1 and II, July 2001. Da es sich hierbei um ein Draft handelt, bin
ich nicht befugt, wörtlich zu zitieren, dennoch steht das Dokument der
Öffentlickeit zur Einsicht zur Verfügung.).
 

1 - Armut in Europa: Beispiel Kosovo

Schon zu Zeiten der Republik Jugoslawiens gehörte der Kosovo zu den
ärmsten Regionen des Landes. Dies hat sich durch die Jahre der
serbischen Repression und den Konflikt 1999 drastisch verschärft.

Gehen wir von der lokalen Wahrnehmung von Armut aus:

"Die Armen haben kein Einkommen. Sie haben keine Ersparnisse. Sie haben
wenige berufliche Fähigkeiten und kaum eine Ausbildung. Sie besitzen
wenig oder gar kein Land. Sie essen qualitativ minderwertige Nahrung.
Sie sind abhängig von Almosen der Nachbarn oder humanitärer Hilfe. Sie
leben in alten Lehm- oder Steinhäusern, denen selbst die grundlegendste
Einrichtung fehlt. Sie kleiden sich ärmlich und können sich nicht einmal
das Waschen (d.h. die Waschmittel) ihrer Kleidung erlauben. Die meisten
ihrer Kinder erhalten nicht mehr als eine Grundschulausbildung. Sie
können sich keine Medikamente leisten, wenn sie krank sind. Die Armen
haben keine Möglichkeit, sich von den erlittenen Verlusten durch den
Konflikt zu erholen, noch können sie ihr Leben ohne Hilfe wieder
aufbauen." (Nicht wörtliche Übersetzung aus dem Bericht der Weltbank)

Diese Beschreibung betrifft laut Definition der Weltbank die extrem
Armen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, daß 12 % der Kosovaren
als extrem arm bezeichnet werden können, während 50 % als arm gelten.
Die Verteilung ist wie folgt:
- 11,6% der extrem Armen und 52% der Armen leben in ländlichen Gebieten,
- während 12,5% der extrem Armen und 47,5% der Armen aus den Städten
kommen.
- Extrem Arme gibt es etwas mehr unter Albanern (verständlicherweise, da
ungefähr 88% der Kosovaren Albaner und nur um die 7% Serben sind) als
unter Serben. Roma sind allerdings am schlimmsten betroffen.

Die hauptsächlichen Ursachen für diese Armut sind

 - alte und kranke Menschen im Haushalt
 - viele Kinder unter 15 Jahren
 - allein erziehende Mütter
 - Mangel an Ausbildung
 - Arbeitslosigkeit
 - kein oder sehr wenig Grundbesitz
 - Mangel an landwirtschaftlichen Maschinen
 - Geringer oder unzureichender Viehbestand
 - Lebensbedingungen: extreme Armut ist sehr viel höher unter Familien,
die in Lehm- oder Steinhäusern ohne Toiletten/sanitäre Anlagen leben

Zusätzlich aber spielen auch folgende Faktoren, die durch den Konflikt
entstanden sind, eine Rolle:

 - körperliche und geistige Behinderungen
 - laut Weltbank-Untersuchungen ist die Wahrscheinlichkeit der extremen
Armut unter Rückkehrern zweimal so hoch wie beim Rest der Bevölkerung.
Die Ursachen dafür sind erschwerter Zugang zu Landbesitz und der Mangel
an nicht -landwirtschaftlichen Arbeitsplätzen.

Viele Rückkehrer (tägliche Interviews mit Betroffenen, die unser Büro
besuchen) haben es geschafft, mit den häufig sehr geringen Ersparnissen
(meistens wegen fehlender Arbeitserlaubnis in Deutschland) ihr Haus
wieder einigermaßen bewohnbar zu machen. Danach allerdings ist der
Großteil mittellos.
Diskriminierung bei der Vergabe von Arbeitsplätzen oder humanitärer
Mittel gegenüber Rückkehrern ist die Norm.

Entgegen der Erwartungen vieler sind 12% der Bevölkerung, die nicht
vertrieben war, extrem arm, während laut Weltbank 23% der rückkehrenden
Emigranten als extrem arm zu bezeichnen sind!
 

Mangel an Bildung und Armut

Aufgrund der desolaten wirtschaftlichen Lage des Kosovo, haben 38% der
Arbeitslosen im vergangenen Jahr nicht ernsthaft nach Arbeit gesucht.
Ein weiterer Grund für die Resignation ist auch der Stand der Bildung in
der Provinz. Inadäquate Bildung und Armut hängen hierbei in einem
Teufelskreis zusammen.

Das Analphabetentum liegt bei Albanern und Serben auf ungefähr 10%
(nachdem es bereits auf 5% gesunken war), bei den anderen Volksgruppen
(vor allem der Roma) jedoch liegt es bei über 20%. Dies wiederum führt
zu extrem hoher Arbeitslosigkeit unter diesen Gruppen.
Auch Geschlechts- und ethnische Unterschiede beim Schulbesuch vor allem
in ländlichen Gegenden spielen eine große Rolle bei der Bildung der
kosovarischen Gesellschaft.
Während Schulanmeldungen von Serben konstant 90% betragen, besuchen nur
59% der Albaner in ländlichen und gegen 80% in den Städten die Schule.
Nur 46% der übrigen ethnischen Gruppen schicken ihre Kinder in die
Schule.
Nur die Hälfte der albanischen Mädchen verfolgt eine Ausbildung über das
achte Schuljahr hinaus, während bei den Serben mehr Mädchen zur Schule
gehen als Jungen.
20% der Kinder in Städten, die nicht zur Schule gehen, kommen aus sehr
armen Verhältnissen. Ein gutes Beispiel ist der Bezirk um den alten
Markt. Ein großer Teil der Verkäufer sind Kinder im schulpflichtigen
Alter. Meinen Beobachtungen zufolge (ich wohne in diesem Viertel) sitzen
diese Kinder tagtäglich von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends hinter ihren
kleinen Ständen. Bei den meisten dieser Kinder handelt es sich um intern
Vertriebene aus den umliegenden Dörfern.

Die Abwesenheit vom Schulunterricht der nicht-serbischen Minderheiten
hat mehrere Gründe:

 - Angst vor Diskriminierung
 - fehlende finanzielle Mittel für Kleidung, Schulmaterial, Transport
 - Kinder als Zuverdiener entweder in landwirtschaftlichen Tätigkeiten
oder auf dem schwarzen Markt (Verkauf von Zigaretten, etc.)

Erschreckend ist die täglich steigende Zahl bettelnder Kinder vor allem
in Pristina und deren insistierende Art. Wo sie noch vor einigen Monaten
nur an den Tischen in hauptsächlich von Internationalen besuchten
Restaurants und Cafes handaufhaltend vorbeigingen, bleiben sie jetzt
solange stehen bis sie etwas bekommen haben.
Nur sehr wenige der Internationalen sehen die Gefahr, diesen Kindern
Geld zu geben und sie somit zur Einnahmequelle der Familien zu machen,
wobei der Schulbesuch in immer weitere Ferne rückt.

Positiv zu vermerken ist jedoch, daß auch viele sehr arme Familien
relativ viel Geld für Bildung ihrer Kinder ausgeben.
 

Soweit der kurze Überblick über die sozialen Verhältnisse im Kosovo.
Aufbauend auf die Studie der Weltbank, entwickelte die Abteilung für
Gesundheit und Sozialfürsorge (im folgenden DHSW) von UNMIK eine
Strategy for Social Protection im Juni 2001.
 

2 - Sozialversorgung im Kosovo

Sandra Hudd, die Leiterin der Abteilung, erklärte mir die Aussichten und
Möglichkeiten - nach den Einschätzungen des DHSW - der nächsten 5 Jahre:

In 2 bis 3 Jahren werden die Spendengelder spätestens endgültig
versiegen. Dann wird der Kosovo alle Kosten der Sozialversorgung selbst
übernehmen müssen. Da nicht damit zu rechnen ist, daß das kosovoeigene
Budget bis dahin sehr hoch sein wird, muß jetzt genau kalkuliert werden,
welche Sozialleistungen auch dann noch realisierbar sind.

Bis dato bestand die Sozialversorgung im Kosovo aus
Nahrungsmittelverteilung oder einer kleinen Sozialhilfe ( nur wer die
Kriterien für die Sozialhilfe nicht erfüllt, hat bei großer Armut das
Recht auf Nahrungsmittelhilfe). Obwohl die Nahrungsmittelverteilung
schon im März diesen Jahres abgeschlossen sein sollte, gibt es auch
heute noch zahlreiche Bedürftige - siehe Weltbankbericht - die ohne
diese Hilfe nicht überleben können.
Denn Sozialhilfe bekommt nur, wer unter anderem folgende Kriterien
erfüllt:

 - mindestens ein Kind unter 5 Jahren
 - weniger als 1 Hektar Landbesitz

Auch wenn das DHSW die Problematik dieser Kriterien anerkennt, so müssen
doch irgendwo Grenzen gesetzt werden, schon allein aufgrund des
limitierten Budgets von UNMIK.
 

Nahrungsmittelhilfe

Laut George Elion vom World Food Programme (WFP) bekommen heute noch
100.000 Menschen Nahrungsmittelhilfe. Dies betrifft vor allem

 - allein erziehende Mütter mit bis zu 4 Kindern
 - ältere Menschen
 - Waise
 - sehr große Familien

Im März 2002 wird WFP endgültig den Kosovo verlassen. Bis dahin soll
diese Hilfe auf 20.000 Begünstigte reduziert werden. Schon heute wird
daher nach lokalen Partnern gesucht, die diese Aufgabe übernehmen kann.
Das Problem wird v.a. logistischer Natur sein, weshalb WFP bereits
angefangen hat, Kosovaren auszubilden.

Die Nahrungsmittelpakete enthalten:
12 kg Mehl
1 kg Zucker
1 Öl
1 kg Bohnen
pro Person und Monat.
 

Sozialhilfe

Momentan profitieren 55.000 Familien, d.h. 200.000 Menschen beider
Kategorien (siehe frühere Berichte der Infostelle) von Sozialhilfe. Bei
einem Höchstsatz von 120 DM und einem Mindestsatz von 65 DM pro Familie
betragen die Kosten für UNMIK DM 6,0 Mio. pro Monat.

Da das Banksystem im Kosovo, besonders in den serbischen Enklaven, noch
nicht ausgereift ist und nur relativ wenige Menschen ein Konto besitzen,
arbeitet das DHSW zur Zeit in den albanischen Teilen der Provinz über
die BPK Bank. Dort liegen Listen der Begünstigten aus und das Geld wird
bar ausgezahlt. Im serbischen Nordteil operiert nur die Yugoban, die von
UNMIK nicht anerkannt wird. So bekommen serbische Begünstigte ihre
Sozialhilfe über die Rathäuser.
Allerdings wird die allgemein anerkannte MEB (Micro Enterprise Bank)
angeblich bald eine Filiale im Norden eröffnen, was die Auszahlungen
erheblich erleichtern würde.

Die Zentren für Sozialfürsorge (CSW) sind zum größten Teil inadäquat
ausgestattet und ihr Personal ist oft unzureichend ausgebildet. So gibt
es im Kosovo z.B. keinen Studiengang für Sozialarbeiter. UNMIK versucht
derzeit mit Hilfe von einigen Regierungen und der Weltbank diesen
Studiengang zu eröffnen.

Um Sozialhilfe zu beantragen, müssen Bedürftige ein Formular bei dem
Institut für Sozialpolitik ausfüllen. Dieses Institut sowie die CSW
werden von lokalen Kräften geführt. Dabei besteht die Gefahr der
Diskriminierung, die uns oft von Rückkehrern bestätigt wurde. Seit
kurzem stellt die Organisation "Action against Hunger" jedoch
Überwachungsteams, die solche Diskriminierungen und das Ausnützen des
Systems verhindern sollen.

Für isolierte Enklaven stehen 19 Sozialarbeiter bereit, die die Auswahl
der Begünstigten treffen.

10 von 12% extrem armer Menschen bekommen Sozialhilfe.
Laut Frau Hudd ist es unmöglich, die finanziellen Mittel zu finden, um
extreme Armut wie im Living Standards Monitoring Survey (unterstützt von
der Weltbank) beschrieben, abzubauen.

Was realistisch im Rahmen der bestehenden finanziellen Mittel
mittelfristig an Sozialfürsorge gesichert kann, ist folgendes (5 A
Strategy for Social Protection in Kosovo, Department for Health and
Social Welfare, UNMIK, S. vii):

 - die Einführung eines Sozialplans für Veteranen und zivile Opfer
während diesen Jahres
 - eine einmalige Auszahlung während des nächsten Jahres an alle
diejenigen, die unter die ehemalige Rentenfürsorge fallen
 - die Einführung eines Rentensystems Ende 2002
 - die Einführung einer begrenzten Familienunterstützung im Jahr 2004

Bis im März 2000 waren sehr arme Familien von Strom- und Wasserzahlungen
ausgeschlossen. Dies kann allerdings nicht wiederholt werden.

Alleinerziehende Mütter oder behinderte Menschen bekommen nicht mehr als
andere Bedürftige.
 

Beiträge zur Sozialfürsorge

Da die finanziellen Mittel von UNMIK über die nächsten Jahre stark
reduziert werden und mit der steigenden Anzahl von Rückkehrern und dem
damit verbundenen Verlust der Diaspora-Gelder die Bedürfnisse im Kosovo
ansteigen werden, muß die zukünftige Sozialfürsorge sehr vorsichtig
geplant werden.

In den meisten entwickelten Ländern wird der Großteil der Sozialfürsorge
von Beiträgen aus der Bevölkerung finanziert.
Auch wenn dies sicherlich ein Ziel im Kosovo ist, so würden solche
Beiträge aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und der geringen Gehälter
momentan keine entscheidende Wirkung auf das Staatsbudget ausüben.

Zudem würde die Einführung einer Gehaltssteuer sicherlich zu einer
kleinen Revolution führen, denn die einzigen, die hier hoch bezahlt
werden, sind die lokalen Mitarbeiter der UNO, die laut UN - Regelung von
Einkommenssteuer ausgeschlossen sind. Somit würde die ganze Last auf
ohnehin unterbezahlte Angestellte im öffentlichen Dienst fallen, da sie
die einzigen vom Staat wirklich erfaßbaren Einkommensquellen darstellen.
Würde man diese Arbeitsgruppe 10% ihres Gehalts als universellen
Sozialversicherungsbeitrag zahlen lassen, würden die so erlangten 18
Mill. DM keinen großen Unterschied im allgemein dargestellten Bild
machen.
Generell geht das DHSW davon aus, daß die Löhne im Kosovo zu gering
sind, um Steuern verlangen zu können.

Auch Steuern auf Luxusgüter, die soeben eingeführte Mehrwertsteuer,
Benzin - und Zigarettensteuer bringen keine zusätzlichen Mittel, da sie
schon jetzt in die Zukunftsplanung einbezogen sind.

All diese Tatsachen laufen darauf hinaus, daß die Höhe der Ausgaben für
Sozialfürsorge in den kommenden Jahren vorher festgelegt werden muß, um
eine graduelle Reduzierung zu vermeiden. Dies bedeutet jedoch, daß die
Kriterien für Begünstigte sehr eng sein müssen und daß z.B. Renten erst
dann versprochen werden können, wenn feststeht, daß lokale Ressourcen
die Spendengelder ersetzen können.

Im Klartext bedeutet dies:

Krankenversicherung

Wie oben erwähnt, ist es derzeit (wiederum laut Einschätzungen des DHSW)
inakzeptabel und unrentabel, Steuern einzuziehen. In absehbarer Zeit
wird es daher - außer kleine Privatversicherungen - keine gesetzliche
Krankenversicherung geben.

Arbeitslosenversicherung

Auch diese wird es aufgrund der oben genannten Tatsachen in nächster
Zeit nicht geben können, schon alleine weil die Arbeitslosigkeit
zwischen 50% und 70% beträgt und nur Angestellte im öffentlichen Dienst,
bei internationalen Organisationen und Geschäftsinhaber registriert
werden können, nicht aber die Tausende, die im sogenannten informellen
Sektor (Straßenverkauf, etc.) arbeiten.

Renten

Die Unzufriedenheit unter der Bevölkerung über das Ausbleiben von Renten
(Serben bekommen weiterhin Renten von Belgrad) wurde so laut, daß selbst
die politischen Parteien begonnen haben, sie als die einzig zusätzliche
Priorität (die erste ist die Unabhängigkeit des Kosovo) in ihre
politischen Programme aufzunehmen. Dabei versprachen sie Dinge in den
lokalen Zeitungen, die sie nicht einhalten können.

Realistischerweise könnte eine einmalige Auszahlung von UNMIK an
Pensionäre, d.h.

 - Menschen über 65 Jahre
 - wohnhaft im Kosovo seit mindestens 15 Jahren im Alter zwischen 15 und
65 Jahren
 - ohne Arbeit
 - nicht berechtigt für Kriegsrente
 - oder aus anderen Gründen unter dem ehemaligen jugoslawischen Systems
rentenberechtigt

finanziert werden.

Das DHSW jedoch empfiehlt eine monatliche Rentenauszahlung von ungefähr
65 DM monatlich für Einzelpersonen und 90 DM für Paare.
Der Beginn der Rentenauszahlung sollte Mitte 2002 sein - und OHNE
Beiträge der Bevölkerung von der Regierung übernommen werden.

Die oberste Finanzbehörde im Kosovo scheint jedoch entgegen der
Empfehlungen dieser gründlichen Untersuchung beschlossen zu haben, ab
Januar 2002 Lohnsteuer zu erheben. Warum dies gerade jetzt (kurz vor den
Wahlen) bekannt gegeben wurde, zumal eingeschränkt durch erhebliche
Vorbehalte, ist unklar.
Laut Pressemeldungen in den letzten Tagen hier sollen 10% Steuern und 5%
Rentenbeiträge von der Bevölkerung bezahlt werden.
Real wird dies bedeuten, daß
 - gerade diejenigen, die am meisten verdienen, die UNMIK-Angestellten,
von der Steuer befreit sind
 - Menschen, die durch Wohnungsvermietungen an Internationale sehr viel
Geld verdienen, nicht erfaßt werden können, da es kaum Verträge gibt,
auch nicht zahlen werden
 - die wirklich Reichen, die ihr Geld oft durch illegale Machenschaften
verdienen, sicherlich nicht freiwillig Steuern zahlen werden
 - die öffentlich Angestellten fast die einzigen sein werden, die auf
jeden Fall werden zahlen müssen, wobei sie die geringsten Gehälter
erhalten.

Außer der berechtigten enormen Unzufriedenheit der öffentlich
Angestellten, deren Beiträge wie schon erwähnt ohnehin keine
zusätzlichen Mittel erbringen werden, werden - wie immer - die davon
kommen, die substantielle Beiträge leisten könnten. Denn wenn die
Bevölkerung schon nicht einsieht, daß man für Dienstleistungen wie Strom
und Wasser zahlen muß, werden sie unter diesen Voraussetzungen die
Notwendigkeit von Steuern sicher noch weniger einsehen.

Pristina, den 22. September 2001
Christina Kaiser
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Seite erstellt am 29.12.2001