Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für
die Aussprache eine halbe Stunde
vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Abgeordneten
Klaus Francke das Wort.
Klaus Francke (Hamburg) (CDU/CSU):Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich
halte es für außerordentlich wichtig, daß der Kosovo
durch unsere heutige Debatte wieder
in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt wird. Denn viel
zu häufig treten die Spannungen
im Kosovo hinter anderen, gewalttätigen Krisenherden der Region
in der internationalen
Aufmerksamkeit zurück.
Wir dürfen die gravierenden Verletzungen der Menschen-
und Minderheitenrechte
durch die serbische Regierung nicht tatenlos hinnehmen. Serbien unterdrückt
weiterhin
systematisch die Kosovo-Albaner, die mit 90 Prozent die ganz überwiegende
Mehrheit der
Bevölkerung im Kosovo stellen. Willkürliche Verhaftungen,
Verurteilungen ohne ordentliche
Gerichtsverfahren und Berichte von Folterungen sind an der Tagesordnung.
Die Serbisierung des Kosovo wird, unter anderem
durch die Ansiedlung serbischer
Flüchtlinge, unnachgiebig vorangetrieben. Bislang beantworten
die Kosovo-Albaner des
serbische Unterdrückungsregime mit friedlichem Boykott. Trotz
ständiger serbischer
Provokation und schwierigster Umstände hat die überwiegende
Mehrzahl der Kosovo-
Albaner auch nach beinahe sieben Jahren der Unterdrückung an dieser
friedlichen Haltung
festgehalten. Dies hat die gestrige Demonstration in Pristina noch
einmal deutlich gemacht.
Dieser Haltung sollten wir Respekt zollen.
Erstens. Beide Seiten müssen von ihren Maximalforderungen
- das heißt Erhalt des
Status quo auf der einen Seite und staatliche Unabhängigkeit auf
der anderen Seite -
abgehen. Zielsetzung kann nur ein spezieller Status des Kosova innerhalb
der
Bundesrepublik Jugoslawien sein, der der Region weitreichende Autonomierechte
einräumt
und selbständige Strukturen ermöglicht. Dies ist im übrigen
einheitliche Position der
Europäischen Union un der Vereinigten Staaten. Das bedeutet, daß
auch die Kosovo-
Albaner ihre jetzige Forderung nach Errichtung eines eigenen Staates
zurückstellen
müssen.
Zweitens. Ohne massiven Druck von außen wird sich Belgrad nicht
auf Gespräche
einlassen. Der Kosovo ist zu sehr im serbischen Nationalgefühl
verankert. Die
internationale Staatengemeinschaft muß deshalb mit allem Nachdruck
deutlich machen,
daß die Rückkehr Belgrads in ihre Mitte, eine langfristig
zufriedenstellende Zusammenarbeit
mit der Europäischen Union und - ganz entscheidend - der Zugang
zu finanzieller Hilfe nur
bei sichtbaren Fortschritten in der Kosovo-Frage gewährt werden.
Sichtbare Fortschritte
bedeuten, daß Belgrad seine systematischen Menschenrechtsverletzungen
einstellt, die rückkehrenden Flüchtlinge aktiv
integriert und sich zur Beobachtung der Lage vor Ort durch die OSZE
bereit erklärt.
Bislang ist es ja so, daß der OSZE-Sonderbeauftragte
van der Stoel keine
Einreisegenehmigung erhält. Wir können auch nicht akzeptieren,
daß Botschafter Lutz
ebenfalls keine Einreisegenehmigung erhält. Die kann von der Europäischen
Union nicht
hingenommen werden.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe
dem Abgeordneten Dr. Eberhard Brecht
das Wort.
Dr. Eberhard Brecht (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten
Kollegen und Kolleginnen! Das öffentliche Interesse am Kosovo
hat spürbar nachgelassen,
und zwar, so ist mein Eindruck, indirekt proportional zur Zunahme der
Spannungen in
diesem Gebiet. Das hängt ein bißchen mit dem Ohnmachtsgefühl
zusammen, das wir
haben. Es hängt aber auch damit zusammen, daß es offensichtlich
eine Erschöpfung
hinsichtlich der Beachtung der Kriege und Konflikte auf dem Balkan
gibt.
Dabei ist es eigentlich das ureigene Interesse unseres
Landes, daß wir zu einer
friedlichen Konfliktregelung auf dem Balkan, speziell im Kosovo,
kommen - nicht nur
aus den Interessen der Erhaltung des Friedens in Europa insgesamt,
sondern weil wir
Deutschen natürlich durch 100 000 Flüchtlinge besonders
tangiert sind, die in den Kosovo
zurück wollen. Wie wir eben diskutiert haben, gibt
es eine ganze Reihe von
Problemen, diese Flüchtlinge zurückzuführen.
Ich habe eine entsprechende
Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Wir sollten
darauf dringen, daß
diese Personen keinen Schikanen und Menschenrechtsverletzungen
ausgesetzt sind.
Die Situation im Kosovo hat sich deutlich verschlechtert.
Kollege Francke hat darüber
schon einige Worte gesagt. Zum einen haben die Spannungen im Kosovo
nicht
abgenommen. Gelegentlich muß man sogar feststellen, daß
sie durch die anhaltende
Apartheidpolitik Belgrads in Pristina zugenommen haben. Aber auch die
Aktionen der
sogenannten Befreiungsbewegung tragen nicht dazu bei, daß
das Klima für
Verständigung wächst. Bis heute wissen wir nicht, wer hinter
dieser sogenannten
Befreiungsarmee steckt. Deswegen sollte man ähnlich wie im Fall
von Algerien mit
Vorurteilen oder vorschnellen Urteilen vorsichtig sein.
Andererseits ist die Interessenlage Jugoslawiens sowie
des nahen und fernen Auslands
nicht gerade förderlich für den notwendigen Friedensprozeß.
Es gibt eine Renaissance des
Nationalismus, dokumentiert durch die letzte Wahl in Serbien.
Zudem beschränkt auch der
übergroße Teil der Opposition in Belgrad die Forderung nach
Demokratie auf das
Kernterritorium von Serbien und ist sehr restriktiv, wenn es um die
Interessen der Kosovo-
Albaner und deren Selbstbestimmungsrecht geht.
Dazu kommt, daß das Land Albanien, das bisher
immer als Advokat der Kosovo-Albaner
aufgetreten ist, in bezug auf seinen Einfluß marginalisiert wurde.
Albanien kämpft um seine
eigene Staatlichkeit und um seine Konsolidierung und kann keinesfalls
ein Main player bei
der Begrenzung dieses Konfliktes sein.
Auch der Nachbarstaat Mazedonien kann diese Rolle
nicht spielen. Die ethnischen
Spannungen zwischen dem albanischen Bevölkerungsanteil und der
mazedonischen
Mehrheit - sichtbar an dem absurden Flaggenstreit, der sich hier abgespielt
hat - führen in
Skopje zu großen Vorbehalten gegenüber einem unabhängigen
Kosovo und zu einem
sinkenden Interesse an einer Konfliktlösung, die dem Kosovo sehr
viel mehr Autonomie
zugestehen würde.
Schließlich beobachten wir auch eine gewisse Lustlosigkeit
in der Europäischen Union,
der OSZE und den USA, weil die bisherigen Vermittlungsversuche alle
erfolglos geblieben
sind. Madeleine Albright schwenkte sogar auf Belgrader Positionen ein,
auch wenn die
Aufhebung des äußeren Rings der Sanktionen von der Aufhebung
der Repressionen auf
Belgrader Seite abhängig gemacht wird.
Angesichts dieser ausgesprochen schwierigen Situation
sind intelligente Lösungsansätze
gefragt. Zu diesen intelligenten Lösungsansätzen gehören
nicht Visionen, die mit dem Wort
"groß" beginnen, seien es nun großserbische, großalbanische
oder andere großnationale
Träume. Es darf auf dem Balkan zu keiner weiteren Grenzziehung
durch Blutvergießen
kommen.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Nun spricht der Kollege Gerd Poppe.
Gerd Poppe (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Seit Jahren - und auch heute wieder - kritisieren wir die Verletzungen
der Menschenrechte
und des Selbstbestimmungsrechtes der Kosovo-Albaner und würdigen
zu Recht ihren
gewaltlosen Widerstand. Aber die politischen Konsequenzen blieben aus.
Denn wo
ernsthaft den Gefahren des Krisenherdes Kosovo begegnet werden
müßte, bleiben die
Forderungen halbherzig, bleibt die praktische Politik der Bundesregierung
widersprüchlich.
Auf Dauer stabilisiert diese Politik sogar das Milosevic-Regime. Die
serbische Regierung
fühlt sich sicher genug, die Unterdrückung
der Albaner im Kosovo,
unbeeindruckt von allen Resolutionen - von denen des
Bundestages sowieso
-, fortzusetzen.
Schon im Text des gemeinsamen Antrags der Koalitionsfraktionen
und der Fraktion der
SPD lassen sich Gründe dafür ablesen. Ich möchte nur
ein Beispiel bringen: In diesem
Antrag wird davon ausgegangen, daß das vor mehr als einem Jahr
geschlossene
Abkommen über das Erziehungswesen - ich zitiere - "rasch
umgesetzt" wird. Wie sieht
es aber tatsächlich aus? Tatsächlich haben auf Druck der
USA neuerliche Verhandlungen
über die Umsetzung stattgefunden. Aber was ist das Ergebnis? Die
serbische Seite weigert
sich, jegliche Terminierung zu akzeptieren, und fordert statt dessen
die Unterwerfung der
Kosovo-Albaner unter die serbischen Lehrprogramme. Gleichzeitig demonstrieren
die
albanischen Studenten in Pristina und werden dafür - so jedenfalls
am 1. Oktober - zu
Hunderten von der serbischen Polizei verhaftet und mißhandelt.
Das Hauptinteresse der Bundesregierung gegenüber
Serbien gilt allerdings der
Abschiebung der überwiegend albanischen Flüchtlinge. Entgegen
dem Wortlaut des
Rückführungsabkommens werden die Menschenrechte
abgeschobener
Albaner nach ihrer Rückkehr nachweislich massiv
verletzt. Es handelt sich
keineswegs nur um Einzelfälle, wie die Bundesregierung
in der Antwort auf
die kleine Anfrage unserer Fraktion behauptet. Das Diakonische
Werk
Württemberg hat allein für den Zeitpunkt bis
Mitte Juni 1997 54 belegte
Fälle dargestellt, und auch diese sind nur Beispiele.
Andere
Menschenrechtsorganisationen haben weitere Beispiele
in ähnlicher
Größenordnung gesammelt. Es gibt aber offensichtlich
kein Interesse der
Bundesregierung an den Folgen der Abschiebung für
die Betroffenen, und es
gibt auch keinen wirksamen Druck auf die jugoslawische
Regierung zur
Respektierung internationaler Standards - ganz zu schweigen
von
Verbesserungen der Lage im Kosovo - und damit zur Bekämpfung
der
Fluchtursachen.
Das Rückführungsabkommen selbst und erst
recht seine Umsetzung zeigen einmal
mehr, daß die Prioritäten deutscher Regierungspolitik nicht
in der Krisenprävention liegen,
sondern in populistischer Bedienung von Stammtischparolen.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege, Sie müssen zum Schluß kommen.
Gerd Poppe (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN): -
daß sie erst dann ernsthaft
reagieren, wenn die Krise zum Krieg oder Bürgerkrieg
wird, als hätten sie
aus dem Krieg in Bosnien nichts gelernt.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Ulrich Irmer.
Ulrich Irmer (F.D.P.): Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Wir erleben heute zum
zweitenmal in diesen Abendstunden, daß die Bundesregierung attackiert
wird, weil sie in
Krisensituationen angeblich zu wenig tut. Meine Damen und Herren, wir
müssen uns mal
die Frage stellen: Was kann man denn tun? Sicher ist es schön,
wenn man sagt: Hier muß
die Staatengemeinschaft endlich aktiv werden. Aber in dem einen wie
in dem anderen Falle
stelle ich mal die Frage: Wollen Sie da eigentlich die Bundeswehr hinschicken?
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Vielen Dank
für Ihre freundlichen Worte. - Ich
gebe dem Abgeordneten Dr. Willibald Jacob das Wort.
Dr. Willibald Jacob (PDS): Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Im Juni 1997
habe ich auf der II. Europäischen Ökumenischen Versammlung
in Graz erlebt, wie
unversöhnlich sich orthodoxe und katholische Christen aus dem
Kosovo
gegenüberstanden. Drei Minuten reichen nicht aus, die ganze Tragweite
der heutigen
Situation des Kosvo zu beschreiben. Ich stimme dem Kollegen Brecht
zu, der sagt: Wir sind
überfordert und mancher ist müde. - Dennoch ist es nötig,
sich aufzuraffen. Ich will dies mit
drei Bemerkungen zu den vorliegenden Anträgen tun.
Erstens. Kosovo war schon immer eines der größten
Probleme in Jugoslawien. Hier
begann eigentlich der Zerfall Tito-Jugoslawiens. Repressive serbische
Politik hat
maßgeblich dazu beigetragen. Nur bestimmten Umständen ist
es zu verdanken, daß der
Funke des jugoslawischen Krieges nicht auch auf den Kosovo übergriff.
Hier verdient die
Haltung der albanischen Bevölkerung des Kosovo Respekt. Hier spitzt
sich die Lage erneut
zu, und die Gefahr wächst, daß in Zukunft ein neuer Konflikt
in Südosteuropa offen
ausbricht, der mit Sicherheit auf andere Balkanstaaten übergreifen
würde. Über diese
Beurteilung der Lage besteht in diesem Haus offensichtlich weitgehend
Übereinstimmung.
Die PDS könnte manchen Aussagen und Schlußfolgerungen
der beiden Anträge
zustimmen. Auch wir sehen in der Unterzeichnung der Vereinbarung über
das
Bildungswesen im Kosovo und in den unter Vermittlung der Gemeinschaft
San Egidio
geführten Gesprächen hoffnungsvolle Zeichen.
Zweitens. Nach Lage der Dinge ist das Hauptproblem die
Beantwortung der Frage: Wie
ist erreichbar, daß von dieser Region keine internationale Destabilisierung,
keine Gefahren
für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, darunter auch für
die Bundesrepublik,
ausgehen? Eine Politik einer alle umfassenden Kooperation ist
notwendig. Vergleiche
hinken zwar immer, aber dennoch möchte ich darauf hinweisen, daß
die Bundesrepublik
diese Kooperation mit dem früheren Jugoslawien bis in die 80er
Jahre im wesentlichen
durch Wirtschaftshilfe und Zusammenarbeit, durch die Aufnahme von Millionen
von
Gastarbeitern, durch die Förderung des Tourismus usw. gesucht
hat. Die Bundesrepublik
und das damalige Jugoslawien sind gut dabei gefahren.
Natürlich hat sich die Lage heute erheblich verändert,
besonders tiefgreifend in bezug auf
den Kosovo. Aber grundsätzlich gilt, daß es um die Friedenswahrung
und den Beitrag zur
generellen Stabilisierung der Region gehen muß. Dies sollte
unter Einsatz politischer,
wirtschaftlicher und geistiger Ressourcen im Interesse eines zusammenwachsenden
Europas geschehen, ausgerichtet auf die Schaffung einer möglichst
kooperativ und
integrativ verbundenen Region.
Hierzu enthalten beide Anträge durchaus unterstützenswerte
Forderungen, aber sie sind -
gemessen am Ziel - keineswegs ausreichend. Beide Anträge beantworten
diese Frage
einseitig. Sie wollen die Wahrung der politischen, kulturellen, sozialen
und wirtschaftlichen
Rechte der albanischen Bevölkerung. Die Verhandlungen darüber
müssen unbedingt
weitergeführt werden. Das Ziel aber muß sein, diese Rechte
für alle Ethnien, also auch für
die serbische Bevölkerung, zu wahren. Dafür sollte sich die
Bundesregierung aktiv
einsetzen, in ihren bilateralen Beziheungen sowie in den internationalen
Organisationen.
Drittens. Der gemeinsame Antrag von Koalition und SPD
setzt im besonderen auf das
Rückübernahmeabkommen und seine zügige Realisierung.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege, Sie müssen zum Schluß kommen.
Dr. Willibald Jacob (PDS): Im Klartext
heißt das doch schnellere
Abschiebungen von Flüchtlingen und weitere Restriktionen
im Sinne des
Innenministeriums. Die PDS kann das nicht gutheißen.
Deshalb bitten wir
darum, im Interesse der Stabilisierung die Rückführungen
nicht
durchzuführen.
Wir werden aus den genannten Gründen den gemeinsamen
Antrag von Koalition und
SPD ablehnen und uns beim Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen
der Stimme enthalten.
Danke sehr.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Dann gebe
ich für die Bundesregierung Herrn
Staatsminister Helmut Schäfer das Wort.
Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen
Amt: Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Die Bundesregierung begrüßt den interfraktionellen
Antrag von CDU/CSU, F.D.P.
und SPD zur Lage der Albaner im Kosovo, weil wir glauben, daß
dies ein wichtiges Signal
zum richtigen Zeitpunkt ist.
Wir haben - das ist in der Debatte zum Ausdruck
gekommen - in den
letzten Wochen und Monaten beobachtet, wie sich die Lage
im Kosovo
weiter verschlechtert, die Repression der serbischen
Behörden unverändert
anhält, Terroranschläge - zum Teil ungeklärter
Urheberschaft - das Klima
anheizen.
Die Ungeduld in der albanischen Bevölkerung, gerade
auch unter den jungen Kosovo-
Albanern, wächst. Es gab gestern wieder Demonstrationen, allerdings
nach den Berichten
unserer Botschaft dort Gott sei Dank - zumindest in Pristina - ohne
Gewalt. Wir haben
außerdem festzustellen - das ist natürlich sehr beängstigend
-, daß zwischen Belgrad und
dem Kosovo derzeit Sprachlosigkeit herrscht.
Die Haltung Belgrads - ich glaube, das ist die einvernehmliche
Meinung des Deutschen
Bundestages -, die Kosovo-Frage als eine innere Angelegenheit der Bundesrepublik
Jugoslawien zu betrachten, können wir nicht akzeptieren.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Kollege
Schäfer, zwei Kollegen haben sich zu
Zwischenfragen gemeldet.
Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen
Amt: Ich bitte, diesen Gedanken noch zu
Ende führen zu dürfen, da er sonst zerissen wird.
Dazu müssen aus unserer Sicht insbesondere folgende
Elemente gehören: Eröffnung
einer Repräsentanz der Europäischen Union im Kosovo, Rückkehr
der OSZE-
Langzeitmission, Unterstüztung für die Vereinbarung über
das Bildungswesen und
Unterstützung für den Beginn eines echten Dialogs zwischen
Belgrad und den Albanern in
Kosovo.
Belgrad muß wissen - ich sage das hier in aller
Deutlichkeit -: Erstens. Durch
Verzögerungstaktik kann das Kosovo-Problem nicht gelöst werden.
Zweitens. Ohne
Fortschritte in der Kosovo-Frage wird es auch keine substantiellen
Fortschritte in den
Beziehungen Belgrads zur Europäischen Union geben; das hat Herr
Kollege Irmer sehr
deutlich gesagt.
Herr Präsident, ich bin jetzt gern bereit, die beiden
Fragen zu beantworten.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Die erste Frage stellt Herr Kollege Poppe.
Gerd Poppe (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN):
Herr Staatsminister Schäfer, Sie sagten, die Bundesregierung verfolge
alle Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen bei
abgeschobenen Albanern. Wir haben eine Anfrage an die Bundesregierung
gerichtet, die
vom BMI beantwortet worden ist, und ich frage Sie, wie Sie folgende
Aussage
interpretieren. Auf eine Frage von uns wird gesagt:
An anderer Stelle ist von fünf Fällen die Rede. - Eine andere
Frage lautete:
Nun frage ich Sie, ob man dann wirklich sagen kann, daß
die
Bundesregierung jedem Hinweis auf Menschenrechtsverletzungen
nachgeht.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Herr Staatsminister.
Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen
Amt: Herr Kollege, ich kann nur sagen:
Wenn uns - egal, ob dem Auswärtigen Amt oder wem
auch immer in der
Bundesregierung - Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen
bei Menschen
gegeben werden, die aus Deutschland auf Grund eines Abkommens
zurückgeführt worden sind, gehen wir diesen
Fällen nach. Wir müssen uns
dann natürlich im wesentlichen auf unsere Dienststellen
konzentrieren. Ich
habe Ihnen gerade eben in meiner Rede gesagt, daß wir in einzelnen
belegten Fällen mit
außerordentlich scharfen Protesten reagiert haben. Also, das
wird beobachtet.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Zu einer weiteren Frage Herr Kollege Dr. Brecht.
Dr. Eberhard Brecht (SPD): Herr Staatsminister,
könnten Sie an dieser Stelle
die Zusage machen, daß die Bundesregierung im Prinzip
bereit ist, der
Einsetzung einer paritätisch zusammengesetzten Kommission
in Pristina und
Belgrad näherzutreten, um nicht nur den Wahrheitsgehalt
von
Folterbehauptungen zu prüfen, sondern um auch tatsächlich
den Schutz für
die Betroffenen sicherzustellen?
Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen
Amt: Wir sind für jeden
vernünftigen und durchsetzbaren Vorschlag dankbar.
Ich bin gerne bereit,
mit Ihnen, Herr Brecht, darüber zu reden.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Der
interfraktionelle Antrag von
CDU/CSU, F.D.P. und SPD spiegelt den breiten Konsens des Bundestages
zur Lage im
Kosovo wider. Die Bundesregierung fühlt sich dadurch ermutigt,
ihre bisherige Politik in
Sachen Kosovo fortzusetzen. Wir müssen und werden dies auch in
enger Abstimmung mit
der internationalen Staatengemeinschaft, mit der Europäischen
Union und natürlich auch
mit den Vereinigten Staaten tun. Wir sind uns darüber im klaren,
daß weitere Krisenherde
auf dem Balkan enorme Gefährdungen für die gesamte europäische
Sicherheitslage
bedeuten.
Ich danke Ihnen.
Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Damit schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung
des Auswärtigen
Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.
zur Lage der
Kosovo-Albaner, Drucksache 13/8563 Nr.1. Der Ausschuß empfiehlt,
den Antrag auf
Drucksache 13/5705 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer der
Beschlußempfehlung
des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!
-
Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, daß die Beschlußempfehlung
mit den Stimmen der
Koalition und der Fraktion der SPD bei Gegenstimmen der Gruppe der
PDS und der
Fraktion des Bündnisses 90 / Die Grünen angenommen worden
ist.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung
des Auswärtigen
Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen
zur Lage der Albaner im
Kosovo, Drucksache 13/8563 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den
Antrag auf Drucksache
13/5752 abzulehnen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses
zustimmt, den bitte
ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle
fest, daß die
Beschlußempfehlung, den Antrag abzulehnen, mit den Stimmen der
Koalition und der
Fraktion der SPD gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90 / Die
Grünen bei
Stimmenthaltung der Gruppe der PDS angenommen worden ist.