Wertingens »Unterstützerkreis Asyl« gegen
Abschiebungsfall -
- Ausländeramt: »Achtmal die Zeit verlängert«
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von unserem Redaktionsmitglied
Erich Wandschneider
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Wertingen
Der Wertinger »Unterstützerkreis Asyl« protestiert
gegen die Festnahme und Abschiebung des in Wertingen lebenden Kosova-Albaners
Besim Makici. Der Unterstützerkreis-Koordinator Wolfgang Plarre meinte
gegenüber der WZ: »Der Mann wurde im Ausländeramt in Dillingen
verhaftet und in den Flieger gesetzt, ohne daß er seine persönlichen
Dinge regeln konnte.« Die WZ sprach zum Thema auch mit dem Landratsamt
und der Polizei.
Plarre klagte gegenüber der WZ weiterhin: »Über ein Telefonat mit Makicis Angehörigen wurde bekannt, daß der 29jährige in Belgrad verhaftet und zu zehn Monaten Haft verurteilt worden ist. Jetzt sitzt er im Gefängnis. Der Grund für die Verhaftung ist nicht bekannt!«
250 Flüchtlinge
Bevor wir hier Makicis Geschichte weiter verfolgen,
blicken wir auf die Vorgeschichte:
Vor fünf Jahren richtete man in der Nähe des Wertinger Friedhofs
eine Asylbewerber-Unterkunft für 80 Menschen ein. Seitdem lebten dort
nacheinander insgesamt 250 verschiedene Flüchtlinge. Fast alle waren
Kosova-Albaner, die vor serbischen Repressalien aus ihrer Heimat flüchteten.
(Die Albaner sprechen von Kosova, Kosovo ist serbisch). Die Kosova-Albaner
in Wertingen gehören zu den rund 100 000 nach Deutschland geflüchteten
Landsleuten, die zum Teil schon fast 5 Jahre lang als Asylbewerber oder
Asylanten leben. Die Wertinger Asylbewerber werden mitbetreut vom 1992
gegründeten »Unterstützerkreis Asyl«. Dessen Koordinator
Wolfgang Plarre vermittelt ehrenamtlich zwischen Stadtverwaltung, Asylanten
und Heimleiter Siegfried Hessenreither.
Rückführungsabkommen
Der Bürgerkrieg in Jugoslawien ist vorbei. Inzwischen gibt es ein Rückführungsabkommen zwischen Bonn und Belgrad. Das bedeutet, daß die Asylbewerber - zumindest dem Buchstaben der Verträge nach - wieder sicher in ihre Heimat zurückkehren können, weil die Beachtung der Menschenrechte Teil des Abkommens ist. Plarre: »Es gibt keine Kontrolle der Einhaltung durch die Serben. Wir haben viele Berichte darüber, daß bei den Rückführungen geschlagen und sogar gefoltert wird!«
Arbeit in Geratshofen
Wir kommen hier wieder zum Fall des 29jährigen Besim Makici. Er
lebte seit März 1993 in Wertingen. Der Familienvater mit zwei Kindern
arbeitete bei einer Geratshofer Firma, wo er laut Plarre ein geschätzter
Mitarbeiter war. Makici soll nun am 16. September in Arbeitskleidung beim
Ausländeramt im Dillinger Landratsamt gewesen sein, um seine Aufenthaltsgenehmigung
verlängern zu lassen. Dort habe ihn die Polizei dann festgenommen.
»Er hatte keine Gelegenheit mehr, persönliche Dinge zu regeln«,
klagte Plarre. Weitere vier Kosova-Albaner seien in Wertingen während
des Sommers festgenommen und abgeschoben worden.
Plarre kritisierte der WZ gegenüber grundsätzlich,
daß man die Kosova-Albaner in ein Krisengebiet abschiebe, denn er
befürchtet, daß die Serben nicht menschlich mit ihnen umgingen.
Er kritisierte aber auch die seiner Meinung nach abrupte Abschiebepraxis
im Fall Besim Makici.
Rechtskräftig abgelehnt
Über diese Kritik Plarres sprach die WZ gestern mit Hermann Stark vom Landratsamt Dillingen, der den Fall Makici mit weiteren Details beleuchtete. Laut Stark wurde Makicis Asylantrag Ende 1995 rechtskräftig abgelehnt, so daß der Albaner wußte, daß er Deutschland wieder verlassen und zu seiner Familie zurückkehren mußte. Stark meinte aber: »Wir haben aber 1995 nicht reagiert, weil damals das Rücknahmeabkommen zwischen Deutschland und Belgrad noch nicht rechtskräftig war!« Makici blieb deswegen weiter in Wertingen.
Achtmal verlängert
Am 5. Dezember 1996 schließlich kündigte die Ausländerbehörde im Landratsamt Makici an, daß er mit seiner Abschiebung zu rechnen habe, falls er nicht binnen dreier Monate selbst ausreise. Makici hatte eine Arbeit in Geratshofen gefunden. Stark teilte der WZ mit: »Wir haben Makici insgesamt achtmal seine Grenzübertrittsbestätigung - das ist wie ein Ausweis - verlängert!« Vom Landratsamt hieß es weiter, man könne also nicht davon sprechen, daß Besim Makici unvorbereitet war und daß er unverhofft ausgewiesen worden sei.
Flugzeug gechartert
Die eigentliche Festnahme eines Auszuweisenden ist Sache der Polizei. Wie Stark sagte, seien Polizeibeamte am 16. September frühmorgens nach Wertingen gefahren, um Makici mitzunehmen. In Stuttgart war ein Flugzeug gechartert worden. Das ging um 11.25 Uhr nach Belgrad ab. Franz Bohmann, der Sprecher der Dillinger Polizei erläuterte der WZ gestern das Verfahren: »Bei so einer Ausweisung kann der Abgeschobene 20 Kilogramm Gepäck im Flugzeug mitnehmen. Das packt er dann unter den Augen der Beamten zusammen und dann fährt die Polizei ihn zum Flughafen.« Im Falle Besim Makici war das Packen nicht möglich, weil die Polizei ihn in Wertingen nicht antraf. Erst nach 9 Uhr tauchte er dann nichts ahnend im Dillinger Landratsamt auf. Wie Hermann Stark mitteilte, habe man dann gleich die Polizei benachrichtigt, die Makici festnahm und eilends nach Stuttgart brachte, wo ja schon zwei Stunden nach dieser Festnahme das Flugzeug nach Belgrad abging.
Warum so eilig? Es gehen doch viele Linienmaschinen? Stark erklärte, die Ausgewiesenen dürften aus Sicherheitsgründen nicht mit Linienmaschinen ausgeflogen [werden], sondern nur mit Chartermaschinen. Das koste den Steuerzahler pro Gruppe und Flug bis zu 25 bis 40 000 Mark. »Man kann die Abgeschobenen nicht mit dem Bus in ihre Heimat bringen«, so sagte Stark, »denn da machen die Transitländer nicht mit.« Wenn man Makici nicht am 16. September ausgeflogen hätte, wäre er in Abschiebehaft genommen worden: »Das aber kostete den Steuerzahler noch einmal weitere 130 Mark am Tag«, so Stark.
Wertingen (wz). Im Laufe der Recherchen zum WZ-Artikel über
den abgeschobenen Wertinger Kosova-Albaner Besim Makici betonte Wolfgang
Plarre vom »Unterstützerkreis Asyl«: Kosovo ist die serbische
Bezeichnung. Die Menschen dort sind zu 90 Prozent Albaner. Sie nennen ihr
Land Kosova.«
Am Fall des Wertinger Kosova-Albaners Besim Makici kann man wie an einem Paradebeispiel die Fallstricke und Probleme unserer Asylpraxis studieren. Auf folgende Überlegungen soll hier aufmerksam gemacht werden:
Die Ausländerbehörde in Dillingen und die Polizei bekommen im Fall Makici den »Schwarzen Peter« zugeschoben, weil sie entsprechend den rechtlichen Bestimmungen Besim Makici in seine Heimat abgeschoben haben. Aber diese Behörden führen nur Gesetze durch. Die Kernfrage jedoch - war Makici nun zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch ein Flüchtling oder schon ein »Gastarbeiter« - ist von Dillingen aus nicht zu entscheiden. Nur von Bonn aus könnte über den Bundesnachrichtendienst und andere Möglichkeiten in Erfahrung gebracht werden, ob die Heimat der Kosova-Albaner sicher ist.
Im Fall Makici kann man dem Landratsamt sicher kein
übereiltes Handeln vorwerfen. Erst zwei Jahre nach der Ablehnung seines
Asylantrags wurde er abgeschoben. Selbst seine »freiwillige Ausreisefrist«
wurde achtmal verlängert.
Makici soll laut Plarre in Serbien zu zehn Monaten
Haft verurteilt worden sein. Das müßte ein Anlaß für
entsprechende Recherchen sein: Warum wurde er verurteilt? Weil er Albaner
ist? Oder aus einem unbekannten strafrechtlichen Grund?
Diese Recherchen kann nicht das Landratsamt führen,
und auch nicht die Dillinger Polizei, sondern nur übergeordnete Behörden.
Das Ergebnis einer solchen Ermittlung wäre interessant für die
weitere Asylpraxis für die 100 000 Kosova-Albaner in Deutschland.
Zum Artikel »Verhaftet und in den Flieger gesetzt« vom 25. September erreichte die WZ-Redaktion ein Leserbrief von Wolfgang Plarre:
Zu dem Artikel, für den ich der Wertinger Zeitung danke, möchte ich ergänzen:
Wertingen asylumseekers' supporters'
group against case of deportation
- office in charge of foreigners'
affairs: "stay extended eight times"
A group from Wertingen trying to help asylumseekers
protests against the arrest
and deportation of Mr Besim Makici, a Kosovo-Albanian
living in Wertingen. Mr
Wolfgang Plarre, the supporters' group coordinator,
said in an interview with the
Wertingen local newspaper (Wertinger Zeitung
= WZ):"The man was arrested in
the office handling foreigners' affairs in
Dillingen and put on board a plane without
getting a chance to see to his personal matters.
The Wertingen local newspaper
also talked on that issue to the Dillingen
District Office and the police.
Plarre further complained in his interview with
the WZ: "From a phone call with Makici's
family we learned that the 29-year-old was arrested
in Belgrade and sentenced to ten
months imprison-ment. He is now in jail, nobody
knows why."
250 Fugitives
Before following Makici's story any further here,
let us have a look at what happened before
the incident mentioned above.
Five years ago containers providing a home to
80 asylumseekers were set up near the
graveyard in Wertingen. Since then a total of
250 people have lived there over the years.
Almost all of them were Kosovo-Albanians, who
had left their home region trying to escape
Serbian reprisals. [The Albanians (90% of the
population in that area) say "Kosova", "Kosovo"
is the word used by Serbs.] In Germany there
is a total of about 100,000 Kosova-Albanians
who live here seeking or having been granted
asylum. The asylumseekers have also been
looked after by the "asylumseekers' supporters'
group" founded in 1992. The group's
coordinator, Wolfgang Plarre, mediates on a honorary
basis between Wertingen town council,
asylumseekers and Mr Siegfried Hessenreiter,
the man in charge of the asylumseekers'
home in Wertingen.
Reintegration Agreement
The civil war in former Yugoslavia is over. In
the meantime a reintegration agreement
between Bonn and Belgrade has come into existence.
That means that asylumseekers - at
least in theory - can return home safely,
because respect for human rights is part of this
agreement. Plarre: "There are no controls making
sure that the Serbs stick to that
agreement. There have been many reports about
people returning being beaten and even
tortured."
Job in Geratshofen
That takes us back to Besim Makici's case. He
had lived in Wertingen since March 1993.
The father of a family, having two children,
worked for a company in Geratshofen (a village
that is part of Wertingen) and was well-liked
there. Makici is said to have been in the "office
handling foreigners' affairs" in Dillingen in
working clothes on September 16th to have his
residence permit extended when he was arrested
by the police. "He had no chance to see
to his personal matters," Plarre complained,
adding that other four Kosova-Albanians had
been arrested in Wertingen over the summer and
had been deported. In his interview with
the WZ Plarre generally critized that Kosova-Albanians
were being deported to a crisis
area, fearing that Serbs would not treat them
humanely. He also criticized the practice of
sudden deportation as in Besim Makici's case.
Legally Valid Rejection
Yesterday the WZ discussed Plarre's point of
criticism with Mr Hermann Stark from the
Dillingen District Office, illuminating Makici's
case with some more details. According to Mr
Stark Makici's application for asylum was rejected
at the end of the year 1995 and that
rejection became law. So the Albanian knew that
he would have to leave Germany and go
back to his family. Mr Stark, however, said:"We
didn't react then because then the
reintegration agreement between Germany and Belgrade
hadn't become law yet." That's
why Makici stayed on in Wertingen.
Extension Eight Times
On December 5th 1995 the office in charge of
foreigners'affairs in Dillingen told Makici that
he would have to reckon with deportation unless
he left Germany voluntarily within three
months. Makici had found a job in Geratshofen.
Stark told the WZ:
"Altogether we extended Makici's `border crossing
certificate' - that's like a passport - eight
times." The Dillingen Distict Office also pointed
out that nobody could say Besim Makici's
deportation had come as a surprise.
Plane Chartered
Arresting a person to be deported is really the
police's job.
According to Mr Stark policemen went to Wertingen
on September 16th to take Makici
away. A plane had been chartered in Stuttgart.
It took off for Belgrade at 11.25 hours. Franz
Boh-mann, Wertingen police spokesman, explained
the procedures to the WZ yesterday.
"In case of such a deportation the person to
be deported can take 20 kilos of luggage on
board the plane. He packs his luggage with the
police watching him, then the police take
him to the airport." In Makici's case packing
was impossible, because the police didn't find
him. Not until after nine o'clock did he appear
at Dillingen District Office, not suspecting
anything at all. Mr Stark said the police had
been informed immediately. Then Makici was
arrested and hurried to Stuttgart where the plane
took off for Belgrade as early as two hours
after Makici's arrest.
Why was there such a hurry? There are many scheduled
flights, too. Stark explained that
for security reasons people being deported weren't
allowed to be flown out on scheduled
flights, but only on chartered flights. He added
that that cost taxpayers up to an amount
between 25,000 and 40,000 deutschmarks per group
and flight. "People being deported
can't be taken home by bus because the countries
to be crossed just won't have that." If
Makici hadn't been flown out on September 16th
he would have been put on remand
pending deportation. "That, however, would have
cost taxpayers another 130 deutschmarks
a day", Stark said.
WZ Comment:
Investigation by Federal Intelligence
Service would be necessary
The case of the Wertingen Kosova-Albanian Besim
Makici is a prime example that enables
us to study the traps and problems of the way
asylumseekers are treated in Germany:
The office handling foreigners' affairs in Dillingen
and the police are being blamed in
Makici's case for deporting him to his homeland
according to German legal regulations.
But they only enforce laws. The most important
question, however, whether Makici was still
a refugee at that moment or already a guest worker,
couldn't be answered from Dillingen.
Whether the Kosova-Albanians' homeland is safe
could only be found out from Bonn, with
the help of the Federal Intelligence Service
and others.
In Makici's case the Dillingen District Office
certainly can't be blamed for acting in a hurry.
He wasn't deported until two years after his
application for asylum had been rejected. Even
the deadline for his voluntary departure was
extended eight times.
According to Mr Plarre Makici is said to have
been sentenced to ten months imprisonment.
This ought to be a reason for appropriate investigation.
Why was he sentenced? Because
he is Albanian? Or because of an unknown criminal
reason?
Such an investigation can be performed neither
by the Dillingen District Office nor by the
Dillingen police force, but only by superior
authorities. Its results would be of interest to the
way the remaining 100,000 asylumseekers from
Kosova here in Germany are to be treated
in the future.