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INHALT:
Neuer
Krieg des Milosevic-Regimes
Kriegsvorbereitungen
Kriegsverlauf
Flüchtlinge
Systematik
der Angriffe
Massaker
und Vertreibungen
Lager
Vermisste
Humanitäre
Situation
Menschenrechtsverletzungen
Appell
der Gesellschaft für bedrohte Völker
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Ein Bericht der Gesellschaft für bedrohte Völker von August 1998 (Zusammenfassung)
Im Kosovo führt das Milosevic-Regime zum vierten Mal seit 1990 Krieg gegen ein nicht-serbisches Volk des ehemaligen Jugoslawien. Bis 1989 war der zu mehr als 90 Prozent von Albanern bewohnte Kosovo ein autonomes Gebiet innerhalb des damaligen Jugoslawien und den sechs Republiken politisch gleichgestellt. Sofort nach seiner Machtübernahme hob Milosevic diesen Autonomiestatus jedoch auf. Kosovo wurde einer rigiden Serbisierungspolitik unterworfen. Jahrelang leisteten die Kosovo-Albaner dagegen gewaltfrei Widerstand und hofften auf Hilfe von außen, um ihre Selbstbestimmung wiederzuerlangen.
Doch nach der Dayton-Konferenz erkannten die Staaten
der Bosnien-Kontaktgruppe (bis auf die USA) die neue "Bundesrepublik Jugoslawien"
an, ohne die Interessen der Albaner zu berücksichtigen. So schufen
sie die völkerrechtlichen Fakten, die ihnen heute angeblich ein Eingreifen
in die "inneren Angelegenheiten" Serbiens, d. h. in den Krieg des Milosevic-Regimes
gegen die zwei Millionen Kosovo-Albaner, unmöglich machen.
KRIEGSVORBEREITUNGEN
Der Krieg gegen die Kosovo-Albaner ist von langer Hand vorbereitet worden. Erste Hinweise gab es schon Ende 1997. Am 11. Februar 1998 wiesen Oppositionelle der ungarischen Minderheit aus der Vojodina auf einer Pressekonferenz in Novi Sad darauf hin, daß sie "unumstößliche Beweise" dafür hätten, daß die Armee für einen Krieg im Kosovo mobilisiert werde. Am 5. März 1998, kurz nach Ausbruch der Kämpfe, protestierte UNHCR-Sprecher Mons Nyberg gegen die völkerrechtswidrige Rekrutierung serbischer Flüchtlinge aus Kroatien für den Armeedienst im Kosovo. Im Juni 1998 bestätigten Angehörige der ungarischen Minderheit aus der Vojvodina gegenüber der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), daß mehr als 300 ungarische Soldaten gegen ihren Willen im Kosovo im Einsatz wären.
Die serbische Truppenstärke wird auf bis
zu 50.000 Mann geschätzt, die Kosten des Krieges betragen täglich
schätzungsweise zwei Millionen US-Dollar. Auch Beutegut aus dem Bosnien-Krieg
kommt zum Einsatz, so etwa im Sommer 1995 widerrechtlich erbeutete Panzerfahrzeuge
der in Srebrenica stationierten holländischen UNPROFOR.
KRIEGSVERLAUF
Die Kampfhandlungen begannen am 28. Februar 1998
mit den Massakern in der Drenica-Region und dehnten sich rasch aus. Ab
Mitte Juni kam der Krieg in den Zentralkosovo, Mitte Juli verschärften
sich die Kämpfe in der Region Mitrovica und Prizren, am 14. Juli wurde
im Süden in der Region Opoje an der Grenze zu Mazedonien serbischer
Truppenaufmarsch beobachtet. Am 19. Juli feuerten die serbischen Truppen
offenbar mehrere Granaten auch auf das Territorium des Nachbarstaates Albanien
ab. Am 25. Juli starteten die serbischen Truppen schließlich eine
Großoffensive im Zentralkosovo. Bei den Angriffen wird offenbar gezielt
gegen Zivilisten vorgegangen. Zwei von der "Kosova-Befreiungsarmee" UCK
an die OSZE überstellte Deserteure aus der jugoslawischen Armee bestätigten,
entsprechende Befehle erhalten zu haben.
FLÜCHTLINGE
Die Flüchtlingszahlen steigen stetig. Seit
Anfang März und bis Anfang Juli waren nach Schätzungen der GfbV
160.000 Menschen auf der Flucht. Albanische Hilfsorganisationen gingen
am 16. Juli bereits von 200.000 Flüchtlingen aus. Am 29. Juli schätzte
die kosovarische Hilfsorganisation "Mutter Theresa" in Malisheva die Zahl
der Binnenflüchtlinge auf 263.000. Das wären mehr als zehn Prozent
der Bevölkerung des Kosovo. Internationale Organisationen warnen vor
einer humanitären Tragödie. Bereits im Juni 1998 mahnte der Leiter
des schweizerischen Katastrophenhilfekorps SKH, Charles Raedersdorf, dringend
Vorbereitungen für den Wintereinbruch an, der für Mitte Oktober
zu erwarten sei.
SYSTEMATIK DER ANGRIFFE
Die Angriffe folgen einer Systematik, die an jene aus dem Bosnien-Krieg erinnert. Sie beginnen häufig mit Überraschungsangriffen im Morgengrauen, die teils mit schweren Waffen wie Boden-Boden-Raketen und raketengetriebenen Granaten geführt werden. Dann werden Scharfschützen postiert, die der Zivilbevölkerung die Bewegungsfreiheit nehmen. Viele Zivilisten verbergen sich deshalb tagsüber im Wald und kehren nachts in ihre Häuser zurück, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Schließlich ziehen schwer bewaffnete Truppen auf, die tagsüber alle Straßenverbindungen blockieren. Unter ihrem Schutz kommen Spezialeinheiten in dunklen Uniformen mit Macheten und "Skorpion"-Gewehren tschechischer Produktion in die jeweilige Ortschaft. Diese Truppen sollen Massaker begangen haben. Nach Tagen oder Wochen des Terrors werden die Bombardierungen wieder gesteigert und auch in der Nacht fortgesetzt, bis die Bevölkerung den Ort verläßt. Es folgen Plünderungen im großen Stil. Die Häuser werden niedergebrannt. Das Vieh bleibt unversorgt oder wird getötet.
Nach einer Statistik der GfbV wurden zwischen
Anfang März und Ende Juli 1998 mehr als 250 albanische Dörfer
von den serbischen Truppen angegriffen, mit schwerer Artillerie bombardiert
und ganz oder teilweise zerstört. Laut der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation
Physicians for Human Rights wurden Frauen festgenommen und vergewaltigt.
Einige der Frauen seien anschließend "verschwunden". Nach Schätzungen
der GfbV kamen bis Ende Juli mindestens 1.000 Zivilisten ums Leben.
MASSAKER UND MASSENERSCHIESSUNGEN
Seit der Offensive in der Drenica-Region von Anfang
März begehen die serbischen Truppen - serbische Spezialpolizei, jugoslawische
Armee und paramilitärische "Tschetnik"-Truppen unter Führung
der mutmaßlichen Kriegsverbrecher Zeljko Raznjatovic "Arkan" und
Vojislav Seselj - schwere Menschenrechtsverletzungen an der albanischen
Zivilbevölkerung. Bei Massakern in Qirez/Cirez, Likoshan/Likosan,
Prekaz, Glogjan/Glodjan, Zhara, Drenoc, Lubeniq/Ljubenic, Poklek i Ri bei
Glogovc/Glogovac, Padesh in den Bergen bei Decan und bei der Erstürmung
der Stadt Rahovec/Orahovac wurden ganze Familien hingerichtet, schwangere
Frauen, Greise und Kinder getötet, Männer an Strommasten aufgehängt
und Handgranaten in Keller mit Flüchtlingen geworfen. Die albanische
Menschenrechtsorganisation Council for the Defense of Human Rights and
Freedoms (CDHRF), Pristina, die serbische Menschenrechtsorganisation Humanitarian
Law Fund (HLF), Belgrad, Human Rights Watch, Amnesty International, Physicians
for Human Rights (Ärzte für Menschenrechte) und UN-Ermittler
haben aufgrund von Untersuchungen an den Tatorten und aufgrund von Zeugenaussagen
erste Dokumentationen vorgelegt. Genaue kriminalistische Untersuchungen
stehen jedoch noch aus. Das UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige
Jugoslawien in Den Haag hat am 12. Juni 1998 Ermittlungen wegen Verbrechen
im Kosovo aufgenommen.
LAGER
Es gibt Hinweise darauf, daß im serbischen Truppenstützpunkt "Munitionsfabrik" in Skenderaj/Srbica Gefangene vorübergehend interniert, gefoltert und möglicherweise exekutiert worden sind. Nach Angaben des griechischen Helsinki-Komitees und von Human Rights Watch nannten Flüchtlinge auch immer wieder die Sekundarschule und das "Dekor"-Gebäude der inzwischen zerstörten Stadt Decan als Internierungslager für albanische Männer. Im Gefängnis von Gjilan/Gnilane wurden albanische Gefangene offenbar so schwer mißhandelt, daß ihre Schmerzensschreie bis auf die Straße zu hören waren.
Das gesamte Kosovo-Gebiet ist unter der Kontrolle
der serbischen Truppen, die flächendeckend ein Netz von Checkpoints
an allen Fernstraßen, wichtigen Kreuzungen, Bahnhöfen, Bushaltestellen,
Ausfallstraßen von Städten und Dörfern errichtet haben.
Fortwährend werden - vor allem von den serbischen Truppen, aber auch
von der kosovo-albanische Guerillaarmee ("Kosova-Befreiungsfront") UCK
- insbesondere Männer im wehrfähigen Alter bei Straßenkontrollen
willkürlich aus Bussen und Zügen geholt und bei der Eroberung
von Städten und Dörfern festgehalten und mißhandelt, aber
auch verhaftet und entführt.
VERMISSTE
Während einerseits von rund 400 Albanern
jede Spur fehlt, werden andererseits immer wieder Leichen unter ungeklärten
Umständen, auch Unbekannte, aufgefunden oder von der Polizei in Krankenhäuser
gebracht. Mit einem dramatischen Appell rief am 8.7.1998 die albanische
Menschenrechtsorganisation CDHRF "alle Seiten" dazu auf, die Genfer Konventionen
einzuhalten und alle Gefangenen freizulassen. Nach Angaben des Internationalen
Roten Kreuzes ist das Schicksal von 130 Serben unaufgeklärt.
HUMANITÄRE SITUATION
Die humanitäre Situation ist seit März
1998 im gesamten Kosovo-Gebiet angespannt. Zehntausende Flüchtlinge
aus den unmittelbaren Kampfzonen müssen versorgt werden. Die Hilfsgüter
internationaler Hilfsorganisationen werden beschlagnahmt oder aufgehalten
und dürfen nicht in die Notstandsgebiete passieren. In zwölf
Bezirken des Kosovo, vor allem im Westen und Südwesten, ist die Versorgung
mit Nahrungsmitteln, Medikamenten und Hilfsgütern seit März ganz
oder teilweise blockiert, Strom und Wasser wurden ganz oder zeitweise unterbrochen.
Die Bevölkerung in diesen Gebieten wurde Mitte Juni auf 750.000 Menschen
geschätzt, darunter sind mehr als 100.000 Flüchtlinge. Während
die von der UCK kontrollierten Gebiete von den serbischen Truppen hermetisch
abgeriegelt sind, leben die Menschen in den serbisch kontrollierten Gebieten
im Ausnahmezustand. Oft überwachen serbische Scharfschützen jede
Bewegung, niemand kann das Gebiet frei betreten oder verlassen. Immer wieder
werden Hilfstransporte zurückgewiesen und Mitarbeiter albanischer
Hilfsorganisationen wegen "Unterstützung des Feindes" verhaftet.
MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN DER UCK
Die kosovo-albanische Guerillaarmee ("Kosova-Befreiungsfront") UCK, die nach eigenen Angaben Mitte Juli 30.000 Mann zählte, hat sich zur Achtung des internationalen humanitären Völkerrechts bekannt. Massaker und Artillerieeinsatz gegen serbische Zivilisten sind bisher noch nicht bekannt geworden. Nach der GfbV vorliegenden Informationen beteiligt sich die UCK jedoch - wenn auch nicht im selben Ausmaß wie die serbischen Truppen - an Geiselnahmen, Mißhandlungen und "Verschwindenlassen" vor allem männlicher serbischer Zivilisten und Nicht-Kombattanten. UCK-Sprecher Jakub Krasniqi bekannte gegenüber der albanischen Zeitung Koha Ditore, daß die UCK Exekutionen durchführt.
Das albanische Menschenrechtskomitee CDHRF gab
am 8. Juli 1998 die Zahl der vermißten Serben mit 32 an, während
das IKRK Ende Juli von 130 vermißten Serben sprach. Alte Menschen
und Frauen werden von der UCK offenbar fair behandelt, während Männer
im wehrfähigen Alter und angebliche albanische "Kollaborateure" Opfer
von Menschenrechtsverletzungen werden.
APPELL DER GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER
(GfbV)
Die GfbV appelliert an die Regierungen der sog. "Bosnien-Kontaktgruppe", insbesondere an die deutsche Bundesregierung, den "ethnischen Säuberungen" im Kosovo Einhalt zu gebieten und der serbischen Führung ein Ultimatum zu stellen. Die serbischen Truppen müssen sofort in die Kasernen und binnen 14 Tagen aus dem Kosovo völlig abgezogen werden, alle Geiseln und Gefangenen sofort freigelassen, Hilfsorganisationen und Repräsentanten des UN-Kriegsverbrechertribunals völlige Bewegungsfreiheit erhalten. Wenn Milosevic diese Forderungen ignoriert, muß die NATO weitere Angriffe gegen die albanische Bevölkerung im Kosovo verhindern.
Die GfbV appelliert an die Regierungen der Kontaktgruppe, von der albanischen Widerstandsbewegung UCK mit Nachdruck die Freilassung aller Geiseln und Gefangenen, die Bestrafung aller Gewalttäter innerhalb der UCK, die Aufklärung des Schicksals jener serbischer Zivilisten, deren Verschwinden mit Operationen der UCK zusammenhängt, die Beendigung der Praxis, angebliche "Kollaborateure" ohne ordentliches Verfahren abzuurteilen, sowie die Respektierung der kulturellen, historischen und kirchlichen Denkmäler und Einrichtungen der serbischen Minderheit im Kosovo zu fordern.
Die GfbV fordert die Regierungen der Kontaktgruppe auf, im Kosovo freie und geheime Parlamentswahlen unter internationaler Kontrolle zu organisieren, die Entscheidungen dieses Parlamentes über den künftigen Status des Kosovo als völkerrechtlich verbindlich anzuerkennen und ihre Umsetzung zu garantieren sowie dafür Sorge zu tragen, daß die Menschen- und Minderheitenrechte des serbischen und montenegrinischen, des muslimisch-bosniakischen, türkischen und des Roma-Volkes im Kosovo durch ein Minderheitenstatut geschützt werden.
Der komplette Report der Gesellschaft für
bedrohte Völker "Kosovo: Krieg, Vertreibung und Massaker" umfasst
44 Seiten (Din-a-4) und enthält zahlreiche Detailinformationen sowie
eine Tabelle sämtlicher Übergriffe bis einschließlich Juli
1998. Er kann gegen Schutzgebühr von DM 5.00 per
Email (mailto:versand@gfbv.de) bestellt werden. Für Nachfragen:
Felicitas Rohder, Referat Europa der
GfbV.
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** Basisinformationen zum Kosovo ** Lagebericht: "Serbische Truppen gehen militärisch gegen die albanische Bevölkerung vor (März 1998) ** Das albanische Frauenforum der LDK in Kosova und Deutschland ** weiterführende Homepages zum Kosovo ** weitere Dokumentationen der GfbV ** andere bedrohte Völker ** die GfbV-Homepage **