Das Einkommen muss für ein Auskommen reichen

Podiumsdiskussion Diese Forderung wird bei der Hartz-IV-Debatte in Lauingen aufgestellt

VON CHRISTIAN SCHREIBER
Lauingen Ein paar Leute schlendern am Mittwochabend noch durch die Arbeitslosen-Ausstellung im Erdgeschoss des Lauinger Rathauses. Das, was hier in Worte und Bilder gekleidet ist, nämlich die Schicksale Einzelner in der Arbeitswelt, ist kurze Zeit später Thema der Podiumsdiskussion
einen Stock höher. Die „Arbeitslosen-Initiative Lauingen“ und die Gruppe „Arbeit Leben Glaube III“ haben die Veranstaltung auf die Beine gestellt.
Schnell ist klar, dass die Debatte viel weiter gefasst ist, als der Titel „Hartz IV (k)ein Thema im Landkreis“ anklingen lässt. Die Vertreter aus Politik und Wirtschaft, von Sozialverbänden und der Gewerkschaft diskutieren über Sozialleistungen genauso, wie über Einkommensschwache, Arme oder den Mindestlohn. Besonders fruchtbar wird die Debatte durch die Beiträge und Fragen Betroffener.
Es ist ähnlich wie in der Ausstellung, Einzelschicksale stehen immer wieder im Mittelpunkt. Da ist der ehemalige Verkäufer aus Lauingen, der seinen Job verloren hat, weil die öffentlichen Verkehrsmittel nach seiner Aussage nicht mit den Öffnungszeiten der Geschäfte getaktet sind. Hans-Jürgen Weigl, in seiner Funktion als stellvertretender Landrat, betont, dass die Fahrzeiten und -ziele des öffentlichen Nahverkehrs ständig auf dem Prüfstand stünden. Er verspricht aber, in diesem speziellen Fall nachzuhaken.
Eine Frau schildert, dass sie sich nur hin- und hergeschoben fühlt, Arbeit höchstens immer für ein paar Monate erhält. Sie schimpft auch auf die Zeitarbeit, setzt sie mit "Sklavenhandel" gleich. Wolfgang Peitzsch vom DGB spricht in diesem Zusammenhang von Missbrauch. Leiharbeit könne ein Instrument für Unternehmer sein, um Spitzen abzudecken. Mittlerweile gebe es aber Firmen, die zu 30 Prozent Leiharbeiter beschäftigten. Er ist gleich bei der Forderung nach dem Mindestlohn. Nur so ließe sich die Zeitarbeit eindämmen. „Leiharbeit ist eine Arbeitsform, die wir nicht mehr wegbekommen.“
Und was sagen die Sozialarbeiter, die engen Kontakt zu den Einkommensschwachen haben? Ulrich Keuch von der Dillinger Caritas schildert seine Erfahrungen vom Teufelskreis Schulden, fordert geeignete Stellenangebote für Arbeitslose, das Recht auf ein Girokonto und eine Vereinfachung des Schriftverkehrs, bei dem viele Hartz-IV Empfänger gar nicht durchblickten.
Schulmaterial
Heike Bayer vom Diakonischen Werk Neu-Ulm richtet eine Forderung an die Kommunal-Politiker: Sie mögen doch beispielsweise das Schulmaterial von Kindern aus armen Familien bezuschussen. Lauingens Bürgermeister Wolfgang Schenk entgegnet, dass der Staat immer mehr Belastungen auf  Städte und Gemeinden abwälze. Aus dem Lauinger Säckel werde zum Beispiel eine Praxisklasse unterstützt.
Kritik  muss sich ein ums andere Mal Dieter Schiller, Personalleiter bei Grünbeck und IHK-Vertreter anhören, über die Mentalität der Firmen, aus Deutschland abzuwandern, um anderswo billiger zu produzieren. Er will es auch gar nicht gutheißen und betont, dass viele Unternehmen „reumütig“ wieder zurückkehrten und bei Grünbeck seit jeher die Maxime gelte, nicht abzuwandern, sondern die Arbeitsplätze zu sichern. Auch, wenn dies mit Einschnitten bei den Sozialleistungen verbunden sein könnte.
Einigkeit herrscht auf dem Podium in einigen Punkten: Man müsse bei den jungen Menschen ansetzen, dass diese erst gar nicht in die Arbeitslosigkeit rutschten. Auch Edwin Ziemann von der ARGE Dillingen spricht für die Mehrheit, als er zum Schluss sagt: "Arbeit soll sich auszahlen.";
Das Einkommen müsse für ein Auskommen reichen – ohne zusätzliche Sozialleistungen. Eine Forderung übrigens, die auch in der Ausstellung im Rathaus einen Stock tiefer auftaucht.

"Arbeit soll sich auszahlen."
Edwin Ziemann, ARGE Dillingen

Nachgefragt
»BEIM ORGANISATOR DER VERANSTALTUNG
Viel Zuspruch bekommen
Hans Guttner vom Diakonieverein hat in den letzten Wochen zahlreiche Veranstaltungen zur Arbeitslosigkeit organisiert
.

Wie fällt Ihr Fazit zum Abschluss der Veranstaltungsreihe aus?
Guttner: Ich bin zufrieden, auch wenn es nicht immer der große Zulauf war. Sicher waren es auch bei der Podiumsdiskussion nicht allzu viele Besucher. Aber die, die da waren, haben sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Und bei der Ausstellung im Rathaus waren fast immer Besucher da, wenn ich vorbeigeschaut habe. Im Gästebuch haben wir auch viel Zuspruch bekommen.
Haben die Veranstaltungen denn die gewünschte Wirkung erzielt?
Guttner: Sicher habe ich auch die Erkenntnis gewonnen, dass das Interesse gering sein kann. Trotzdem denke ich, dass vielen Menschen das Thema bewusst geworden ist. Aber man muss am Ball bleiben.
Sie haben also schon weitere Pläne?
Guttner: Ich möchte die Sache nicht einschlafen lassen. Das Thema muss man am Leben halten. Und sei es nur dadurch, dass wir noch mal Thesen an die Rathaustür schlagen. Oder wir machen einen Stand auf dem Wochenmarkt. Vielleicht ergibt sich auch noch mehr aus der Zusammenarbeit mit der Gruppe "Arbeit Leben Glaube III".
Gerade wurden die Arbeitslosenzahlen verkündet: Sie sind bei uns auf dem niedrigsten Stand seit November 2002. Was sagen Sie dazu?
Guttner: Ich habe immer das Gefühl, dass das ganze Spiel ziemlich verlogen ist. Ein-Euro-Jobber werden halt von der Liste gestrichen. Aber was hilfts, wenn die Leute einen Job haben und auf der anderen Seite noch Sozialhilfe-Empfänger sind? (ber)
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