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1. Fassung Diakonisches Werk Württemberg Diakonisches Werk Baden

Protokoll der Reise von Mitgliedern des Petitionsausschusses Baden-Württemberg und Vertretern der Diakonischen Werke Württemberg und Baden vom 3.9.2000 bis 7.9. 2000 in den Kosovo

Teilnehmer:

Vorbemerkung:
Es waren alle Fraktionen eingeladen, an der Reise in den Kosovo teilzunehmen. Der Vertreter der Republikaner, Abg. Wilhelm, hatte sich für die Teilnahme an der Reise angemeldet, wie die anderen Abgeordneten die Reiseunterlagen mehrmals zugesandt bekommen, dann jedoch kurzfristig seine Teilnahme wieder abgesagt, da er die Reiseunterlagen nicht bekommen habe und deshalb den Eindruck habe, dass er nicht erwünscht sei.

Teilnehmer:
Ewald Veigel, Vorsitzender des Petitionsausschusses, FDP/DVP

Jörg Döpper, Stellv. Vorsitzender, CDU
Claus Schmiedel, Obmann der SPD-Fraktion im Petitionsausschuss

Renate Thon, Stellv. Obfrau der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Petitionsausschuss

Gudrun Kunzmann, Geschäftsführerin im Diakonischen Werk Baden
Kirchenrat Henry von Bose, Geschäftsführer im Diakonischen Werk Württemberg
Martin Pfeiffer, Beauftragter der Evang. Kirchen in Baden und Württemberg bei Landesregierung und Landtag Baden-Württemberg

Jürgen Blechinger, Juristischer Mitarbeiter im Fachbereich Migration, Evang. Oberkirchenrat Karlsruhe/Diakonisches Werk Baden
Johannes Flothow, Flüchtlingsreferent im Diakonischen Werk Württemberg
Pjeter Coli, vereidigter Dolmetscher für Albanisch und Serbokroatisch

Fatos Kastrati, Leiter des Büros der Diakonischen Werke Württemberg und Baden in Prishtina/Kosovo
 

Gespräch mit UNHCR am 3.9.2000
mit Betsy Greve, Deputy Head of Protection
Gottfried Koefner, Assistent Chief of Mission (Protection):


 
 

Gespräch mit Dr. Wulffen, Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes und Leiter des Büros der Zivilen Soforthilfe im Kosovo, Prishtina am 3.9.2000

Besuch bei Benediktiner-Pater Helmreich (tätig im Dienste der Diakonie Österreich) in dem Dorf Hallac bei Lipjan am 4.9.2000
 

Herr Helmreich versucht aufgrund sein langjähriger Beziehungen zu den Dorfgemeinschaften der Albaner und Ashkali in Hallac, durch gemeinsame Wieder-aufbauprojekte, den noch anwesenden Ashkali im Dorf ein Verbleiben in Hallac zu ermöglichen. Er hofft zu erreichen, dass die albanische Gemeinschaft davon überzeugt werden kann, dass bestimmte Familien als "nicht der Kollaboration verdächtig" beurteilt werden und ihnen die Wiederansiedelung im Dorf ermöglicht wird. Herr Helmreich berichtet über die enormen Schwierigkeiten, die mit diesem Projekt verbunden sind. Aufgrund der intensiven Gespräche und seiner Präsenz sei es gelungen, auch Fortschritte zu erzielen.

Zur Zeit seiner Ankunft im Frühsommer seien 3 Ashkali ermordet worden, im Juni ein Haus ganz niedergebrannt, und es habe eine Reihe weiterer Übergriffe gegeben. Vor 10 Tagen habe er es – nach viermonatigem Ringen - geschafft, einen Beschluss der Albaner im Dorf herbeizuführen, dass es gegen die Familien, die auf einer gemeinsam erstellten Liste stehen, keine Übergriffe mehr geben soll. Derzeit lebe 1/3 der früheren Ashkali-Gemeinschaft noch hier, 2/3 seien im Ausland bzw. in der Enklave Obilic. Aus seiner Sicht sei es undenkbar, derzeit Minderheiten zurückzuschicken. Eine Wiederansiedelung auf freiwilliger Basis könne nur gelingen, wenn er hier aufgrund seiner Vertrauensstellung persönlich von Familie zu Familie gehe und in langen Gesprächen versuche, die Albaner zu einer Zustimmung zu bewegen. Die hier lebenden 31 Ashkalifamilien (ca. 8 Personen im Schnitt pro Familie) können aus dem von KFOR bewachten Viertel nicht raus, auch die Bestellung der Felder sei schwierig. Die Lebensmittellieferungen durch humanitäre Organisationen seien sehr eingeschränkt worden, die Ernährung jetzt sehr einseitig. Vor dem Krieg haben die Ashkali fast alle in den umliegenden Fabriken u.s.w. gearbeitet, jetzt können sie sich nicht rausbewegen.

Gespräch mit Herrn Hoffmann, Regional Administrator der UNMIK Prizren, am 4.9.2000

Gespräch mit dem Leitenden Verwalter der Regionalen Krankenhauses Prizren, Herrn Aldo Graciani von der Johanniter Unfallhilfe, und den albanischen Chefärzten des Krankenhauses, am 4.9.2000 Gespräch mit General von Korff, Deutsche Bundeswehr Prizren, am 4.9.2000

"Auch bei den Rückführungen von Flüchtlingen ist Geduld erforderlich. Ich empfehle, hier in ein Gebirgsdorf zu gehen. Man muss im Einzelfall genau hinschauen, in welchen Ort, in welche Lebensumstände jemand zurückgeführt wird." Häufig werde angenommen, die Personen würden durch den Sippenverband schon aufgefangen. "Wenn man hier jedoch sieht, dass hier viele Familien mit 10 Personen in 3 Generationen in 2 kleinen Zimmern leben, dann mahne ich zu großer Vorsicht." Eine Rückführung ist nur verantwortbar, wenn Wohnraum vorhanden ist oder durch die Personen aufgebaut werden kann. "Hier muss man sehr individuell hinschauen, welche Auffangmöglichkeiten bestehen".

Abgeschobene Kriminelle wandern sofort in den Untergrund und gefährden hier die innere Sicherheit, da die Polizeistrukturen noch nicht effektiv genug arbeiten.

Die Situationsbeurteilen der KFOR, die hier regelmäßig angefertigt werden, gehen über das Verteidigungsministerium an das Auswärtige Amt und werden von dort an die Länder verteilt.

Besuch bei einer kosovo-albanischen Familie in Shkoze bei Prizren, die aus Deutschland zurückgekehrt ist, am 5.9.2000

Die Familie mit drei kleinen Kindern musste vor kurzem aus Deutschland zurückkehren. Da das Haus ausgebrannt ist, lebt die Familie derzeit im Keller. Sie war im Diakonie-Projekt mangels weiterer Mittel abgelehnt worden, obwohl sie nach den Kriterien Unterstützung bekommen hätte können. Aufgrund eintretender Feuchtigkeit bildete sich an den Wänden der Kellerräume Schimmel. Die Familie schilderte glaubwürdig , dass ihr die erforderlichen finanziellen Mittel fehlen, um die erforderlichen Reparaturarbeiten vorzunehmen, um wenigstens zwei Räume isolieren und nutzbar machen zu können.

Besuch in dem Projekt der Diakonie Württemberg und Baden "Wiederaufbau der Ziegelei in Landovice" bei Prizren am 5.9.2000

Die Fabrikhalle war erst vor kurzem von der deutschen KFOR über UNMIK an die Fa. Ramiz Sadiku übergeben worden (das Gelände war zuvor von KFOR als Bauhof/Materiallager benutzt worden). Die ersten Ofenwagen in der Ziegelei konnten bereits repariert werden, auch sonst konnten in einige Maschinen bereits Ersatzteile eingebaut werden. Verzögerungen gebe es derzeit durch den regelmäßigen Stromausfall und wegen der Schwierigkeiten mit der Beschaffung bestimmter Ersatzteile. Deshalb versuche man, das Notstromaggregat wieder zu reparieren. Mit den derzeit arbeitenden Mitarbeitern für die Instandsetzung (ca. 30) ist vereinbart, dass sie während der Instandsetzungsphase auf Lohn verzichten und Lohn erst bekommen, wenn die Ziegelei die Produktion aufnehmen kann.

Besuch in dem Dorf Krusha e Vogel bei Prizren am 5.9.2000

In einem Massaker in dem Dorf wurden 112 Personen ermordet. Trotz der Instandsetzung von zwei winterfesten Räumen in 30 Häusern im Dorf sind immer noch viele Häuser im Dorf völlig zerstört. Ca. 800 Bewohner leben nach Auskunft des Bürgermeisters derzeit im Dorf, ca. 900 sind noch nicht zurückgekehrt, da sie nicht wissen, wie sie ihre Häuser wiederaufbauen sollen.
 

Besuch in der Enklave in Orahovac am 5.9.2000

Gespräch mit einem Soldaten der Deutschen Bundeswehr:

Über die Zahl der Serben und Roma/Ashakli, die hier in den Enklave noch leben, darf er keine Auskunft geben. Das Gebiet ist vielleicht 500 auf 500 Meter groß. Es ist ein Ghetto. "Ich kann nur jeden verstehen, der hier weg möchte." Gerade letzte Nacht sei trotz der Bewachung wieder ein Haus angezündet worden. Dies passiere hier öfters und sei letztendlich nicht zu verhindern. "Wir können nicht neben jedes Haus einen Soldaten stellen" und man würde ja sehen, wie hier die Häuser aneinandergebaut sind. Die Menschen hier fühlten sich nicht sicher. Wenn jemand krank wäre, müsste er sie vom Militär ins Krankenhaus hinunter in den albanischen Teil der Stadt eskortiert werden. Dies sei zum einen zum Schutz der Person erforderlich, zum anderen, damit der albanische Arzt den Serben oder Rom überhaupt behandeln würde.

Gespräch mit einer Mitarbeiterin von Amica/Freiburg:

Sie bestätigt, dass es immer wieder Übergriffe hier in der Enklave gibt. Die Situation sei wie im Gefängnis. Die Menschen trauten sich nicht hinunter in die Stadt. Außerhalb des Verwaltungsrates für die Stadt, an der die Serben mit den Albanern unter KFOR-Präsenz (teilweise) teilnehmen würden, gäbe es keine Kontakte zur albanischen Bevölkerung. Es habe zwar einen Versuch gegeben, albanische und serbische Frauen zu einem gemeinsamen Gespräch unter internationaler Vermittlung zusammenzubringen; die albanischen Frauen hätten das Gespräch abgebrochen. Dass dies nicht gelungen sei, habe zum einen den Grund, dass die Wunden noch tief sitzen, sei zum anderen auch durch die mangelhafte Vorbereitung durch die durchführende Organisation bedingt.

Gespräch mit dem Regional Health Administrator der UNMIK Peja, Herrn Dr. Hepp am 6.9.2000

Im Einzugsbereich der Region Peja mit 400.000 Einwohnern gebe es 2 Krankenhäuser, 5 Polikliniken und ein Lungenkrankenhaus. Es fehle zum einen an den Ressourcen, zum anderen vor allem auch an qualifiziertem Personal (es gebe zum Beispiel in der Region nur einen Anästhesisten). Ein Problem sei auch, dass die Ärzte nur sehr wenig Geld bekommen und sich deshalb häufig noch Nebenjobs, sei es in einer privaten Praxis, sei es in anderen Bereichen, besorgen würden. Mit den 400 DM, die ein leitender Arzt bekomme, kann hier keiner eine Familie finanzieren.

Ein Problem seien z.B. auch überalterte Röntgengeräte (Strahlendosis von einem Monat Aufenthalt in Tschernobyl). Das Notrettungswesen sei sehr schlecht beziehungsweise funktioniere teilweise überhaupt nicht. Im Frühjahr sei die Hasenpest hier aufgetreten (Ursache: vermutlich Vermehrung der Ratten in zerstörten Häusern, noch eingelagerte Lebensmittelreserven und die Müllprobleme). Es gebe eine Liste freier Basismedikamente, die an die hospitalisierten Patienten verteilt würden.

Das gesamte Kosovo-Budget betrage für dieses Jahr 450 Mio. DM (entspreche den Kosten von 2 Tagen Nato-Bombardierung). Für den Gesundheitsbereich ständen 75 Mio. DM für den Gesundheitsbereich und Gehälter und nochmals 75 Mio. für Capital Investment Programme zur Verfügung.
 

Dr. Hepp erläutert ausführlich, wie das Gesundheitssystem umstrukturiert werden soll. Problem: Die über 10 Jahre dauernden unzureichenden Investitionen, fehlende Ausbildung (albanische Ärzte wurden nach der Aufhebung der Autonomie nach und nach entlassen und arbeiteten im "parallelen Gesundheitssystem") und die Kriegszerstörungen. Nun müsse erst ein leistungsfähiges Gesundheitssystem aufgebaut werden, das sich auch langfristig finanzieren lässt. Beispiel der notwendigen Maßnahmen: Einführung eines Art Hausarztwesens, zwingendes Referenzsystem, Management in den Krankenhäusern, Aufbau eines Systems der öffentlichen Gesundheitskontrolle, u.v.m.
 
 

Gespräch mit dem Landwirtschaftsverantwortlichen bei UNMIK Peja, Herrn Nonnen, am 6.9.2000

Zur Zeit werden nur 40-50 % der landwirtschaftlichen Erträge erzielt im Vergleich zu 1989. Das Land kann sich zur Zeit noch nicht selbst ernähren, Selbstversorgung mit Getreide derzeit nicht in Sicht (Probleme mit mangelhaftem Saatgut, kaputtem landwirtschaftlichem Gerät, unzureichender Düngung, wilder Bebauung landwirtschaftlicher Nutzflächen, nicht alle haben die notwendige Erfahrung in der Landwirtschaft). Das unkontrollierte Einschlagen in den Wäldern müsse verhindert werden. Nicht alle Rückkehrer haben Erfahrung mit Landwirtschaft. Ein großes Problem seien die ungeklärten Eigentumsfragen. Man wolle jetzt versuchen, über mehrjährige Pachtverträge Interimslösungen zu entwickeln. "Rückkehrer brauchen oft ein Jahr, bis sie Fuß fassen."

Gespräch mit der Stadtverwaltung UNMIK Peja; Frau Kallenbach, Vize Municipality Administrator a.i., Vorsitzende des Housing Comittees am 6.9.2000

Gespräch mit einem Verwalter eines Community shelters am 6.9.2000:

Anfang August sei eingeführt worden, dass die Menschen in den Community Shelters keine regelmäßigen Lebensmittelzuwenden mehr bekommen. Die Menschen hier hätten zwar eine Unterkunft; den Lebensunterhalt müssten sie sich aber irgendwie selbst bestreiten. Im Winter sei mit einem großen Kapazitätsproblem zu rechnen.

In dem Community- Shelter begegnen wir einer Familie, die aus Deutschland (Tuttlingen) vor kurzem abgeschoben wurde. Die Tochter berichtet:

Gespräch mit Herrn Bukoshi, Ex-Ministerpräsident im Exil, am 6.9.2000: Gespräch mit Dr. Jung-Hecker von der WHO und dem UNMIK-Gesundheitsminister Dr. Vuori am 7.9.2000

Dr. Jung-Hecker erläutert die derzeitige Situation im Gesundheitsbereich (vgl. Anlage).

Dr. Vuori erläutert weiter: Gespräch mit Herrn Dr. Wulffen (Leiter des Deutschen Koordinierungsbüros) und dem ihm zugeordneten Mitarbeiter des Bundesministerium des Inneren, Herrn Gumbrich am 7.9.2000 Für das Protokoll:

Henry von Bose Jürgen Blechinger

Geschäftsführer im DWW DWB

Karlsruhe/Stuttgart, den 8.9.2000



VEREINTE NATIONEN
DER HOHE FLÜCHTLINGSKOMMISSAR
Vertretung in Deutschland
Wallstrasse 9-13
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UNITED NATIONS
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Telefon: +49 (0) 30 / 20 22 02-0
Telefax: +49 (0) 30 / 20 22 02-20
E-Mail: gfrbe@unhcr.ch
Überblick über vorübergehende Unterkunftsmöglichkeiten/Notunterkünfte im Kosovo

Überblick über den Aufbau eines Sozial(hilfe)systems im Kosovo


 
Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina
(Christina Kaiser, Pristina)
Monatsbericht August 2000
1 - Einleitung: 
     Aktualisierung von Strom- und Wasserversorgung und Abfallbeseitigung
2 - Gesundheitsversorgung
3 - Wohnraumsituation und soziale Versorgung
4 - Wirtschaftiche Lage
Monatsbericht Juli 2000
Die Sicherheitslage im Kosovo im Sommer 2000
Monatsbericht Juni 2000
1 - Die Situation alleinstehender Frauen/Mütter und Jugendlicher im Kosovo
2 - Die aktuelle Wohnraumsituation


wplarre@bndlg.de  Mailsenden

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Seite erstellt am 30.09.2000