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Kindergeld für als Arbeitnehmer tätige Flüchtlinge aus der Türkei oder dem ehem. Jugoslawien ohne gesicherten Aufenthaltsstatus


Betreff:  Kindergeld für Kriegsfluechtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien
Datum: Thu, 15 Mar 2001 00:56:25 +0100
Von: Georg Classen <georg.classen@berlin.de>
 
Kindergeld für Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien und weitere Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung

von Georg Classen, c/o Flüchtlingsrat Berlin, Fennstr 31, D 12439 Berlin,
FAX ++49-30-6361198,  E-mail: georg.classen@berlin.de , Internet: http://www.proasyl.de , Verzeichnis "Asylrecht"

(WICHTIGER Hinweis: Anfragen zu Einzelfällen kann ich leider grundsätzlich nicht beantworten! Ich verweise hierzu auf die Flüchtlingsräte in den verschiedenen Bundesländern sowie auf die Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände! Adressen der Wohlfahrtsverbände und der Flüchtlingsräte finden Sie über http://www.asyl.net/Adressen/Adressen.html , Verzeichnis "Flüchtlingsräte" bzw. "Nichtregierungsorganisationen Deutschland" sowie "Rechtsberater", oder über http://www.proasyl.de , Verzeichnis "Beratung - Informationsberatung",  diese können Ihnen fachkompetente Beratungstellen und ggf. Rechtsanwälte. vor Ort nennen.
Bitte vereinbaren Sie bei Interesse einen Beratungstermin mit einer Beratungsstelle vor Ort und legen dort eine Kopie dieser mail sowie eine Kopie des zugleich per e-mail versandten Erlasses der Bundesanstalt für Arbeit vom 19.02.2001 vor!
Falls Sie im ehemaligen Jugoslawien oder der Türkei leben, bevollmächtigen Sie einen Angehörigen Ihres Vertrauens mit der Antragstellung und damit, für Sie zu klären, welche Chancen in Ihrem Fall ein Kindergeldantrag hat.
Mit Hilfe Ihrer Angehörigen in Deutschland und/oder einer Beratungstelle sowie ggf. im Gespräch mit einem Anwalt sollten Sie auch klären, welche Rechtsmittel im Falle einer Ablehnung in Frage kommen (Fristen beachten!),  ob dafür die Beauftragung eines Anwalts sinnvoll ist und welche Kostenrisiken dabei evtl. für Sie ggf. entstehen können.
Alle Angaben in diesem Text nach bestem Wissen, aber ohne Gewähr!)
 

1. Kindergeld für Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung
2. Rückwirkung des Kindergeldantrags bis zum 1.7.1997
3. Kindergeld abgelehnt?
4. Die Höhe des Kindergeldes
5. Möglichkeiten einer Kürzung des Kindergeldes
6. Beispiele
7. Literatur und Materialien zum Kindergeld
8. Rechtsprechung zum Anspruch auf Kindergeld
 • Wohnsitz und gewöhnlicher Inlandsaufenthalt des Kindes
 • Anspruch von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis aufgrund einer Altfallregelung
 • Anspruch Staatenloser und anerkannter Flüchtlinge
 • Anspruch nach Abkommensrecht (EU, EWR, Schweiz, Türkei, Jugoslawien mit Nachfolgestaaten)
 • Rückwirkung eines Kindergeldantrags
 • rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwecks Erhalts von Kindergeld
9. Rechtsprechung zum Anspruch auf Erziehungsgeld
 • Anspruch anerkannter Flüchtlinge
 • Anspruch aufgrund Abkommensrecht (EU, EWR, Türkei u.a.)
 • Landeserziehungsgeld für TürkInnen aufgrund Abkommensrecht
 


Kindergeld für Ausländer ohne AUFENTHALTSERLAUBNIS oder -BERECHTIGUNG

Grundsätzlich besteht Anspruch auf Kindergeld seit 1.1.1994 nur noch, wenn der Berechtigte, also mindestens ein Elternteil, eine

o AUFENTHALTSERLAUBNIS ODER -BERECHTIGUNG

besitzt, und auch das Kind in Deutschland seinen Wohnsitz hat und sich hier gewöhnlich aufhält (auf den Aufenthaltstitel des Kindes kommt es dabei aber nicht an).

Bestimmte Ausländergruppen haben - entgegen dem Gesetzeswortlaut(!) - aber auch mit einem schlechteren Aufenthaltstatus (Aufenthaltsbefugnis, -bewilligung, -gestattung, Duldung, beantragte Aufenthaltserlaubnis - § 69 AuslG - etc.) Anspruch auf Kindergeld:

o JUGOSLAWISCHE ARBEITNEHMER (BR Jugoslawien einschließlich Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien) können Kindergeld unabhängig von ihrem jeweiligen ausländerrechtlichen Status aufgrund des mit diesen Ländern weiter gültigen deutsch-jugoslawischen Sozialabkommens zwischen der BRD und der SFRJ beanspruchen. Für den Status als "Arbeitnehmer" ist eine Beschäftigung für die Beiträge Arbeitslosenversicherung bezahlt werden erforderlich. Anspruch haben auf Kindergeld haben auch Kriegsflüchtlinge mit einer Duldung oder Aufenthaltsbefugnis sowie Asylbewerber mit einer Aufenthaltsgestattung für Zeiträume, in denen sie in Deutschland als Arbeitnehemr tätig sind oder waren.
Vgl. dazu Bundesanstalt für Arbeit, Runderlass vom 19.02.2001, Sozialabkommen BRD-SRRJ v.12.10.68, Änderungsabkommen zum Sozialabkommen BRD-SRRJ v. 30.09.74, Bekanntmachungen der Weitergeltung des Abkommens mit den Nachfolgestaaten der SFRJ (genaue Fundstellen und Bezugsquellen siehe unten), .

o TÜRKISCHE ARBEITNEHMER können Kindergeld unabhängig von ihrem jeweiligen ausländerrechtlichen Status beanspruchen. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem ARB 3/80 EWG-Türkei, und zugleich auch aus dem deutsch türkischen Sozialabkommen. Für den Arbeitnehmerstatus nach ARB 3/80 reicht die Pflichtversicherung gegen mindestens ein Risiko der Sozialversicherung, sogar die Pflichtunfallversicherung (!) für ansonsten versicherungsfreies geringfügiges studentisches Jobben (Rechtsprechung EuGH, InfAuslR 1999, 324, Fall Sürül, vertreten von RA Rainer Hofmann aus Aachen, Klägerin war eine türkische Studentin).  (vgl. dazu: DA-FamEStG v. 12.05.00, Bundessteuerblatt 2000, S. 635ff, darin: 'DA 62.4 Kindergeldanspruch für Ausländer', sowie: Bundesanstalt für Arbeit, Runderlass vom 19.02.01, (genaue Fundstellen und Bezugsquellen siehe unten).

o KINDERGELD FÜR KINDER IM HERKUNFTSLAND: Anspruch auf Kindergeld aufgrund von Sozialabkommen (unabhängig von ihrem jeweiligen ausländerrechtlichen Status) haben auch in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer aus der Türkei, BR Jugoslawien einschl. Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, wenn nur der Arbeitnehmer in Deutschland tätig ist, seine Kinder aber im Herkunftsland leben. In diesem Fall wird das Kindergeld allerdings massiv gekürzt (nur geringe Beträge, sogenanntes "ABKOMMENSKINDERGELD").

o WEITERE LÄNDER: Anspruch auf Kindergeld aufgrund Sozialabkommen unabhängig von ihrem jeweiligen ausländerrechtlichen Status können unter bestimmten Voraussetzungen  auch Kroaten, Slowenen, Marrokkaner, Tunesier, EWR-Angehörige (Schweiz, Norwegen, Liechtenstein) sowie Angehörige aus EU-Ländern. haben.
Diese Ansprüche möchte ich hier nicht näher erläutern, ich verweise insoweit auf: DA-FamEStG v. 12.05.00, Bundessteuerblatt 2000, S. 635ff, darin: 'DA 62.4 Kindergeldanspruch für Ausländer' (genaue Fundstelle und Bezugsquelle siehe unten) und die weiteren u.a. Literatur- und Materialienhinweise.

o ANERKANNTE FLÜCHTLINGE können (unabhängig vom Herkunftsland und einem evtl. Arbeitnehmerstatus) in jedem Fall das Kindergeld an dem Monat der Rechtskraft (Eintritt der rechtlichen Unanfechtbarkeit) ihrer Flüchtlingsanerkennung beanspruchen! Dies gilt sowohl für Asylberechtigte als auch für Konventionsflüchtlinge, denen der Flüchtlingspass noch nicht ausgestellt wurde, wie auch für Konventionsflüchtlinge, die nur eine Aufenthaltsbefugnis besitzen. Vgl. dazu: Dienstanweisung zur Durchführung des Familienlastenausgleichs (DA-FamEStG) v. 12.05.00, darin: 'DA 62.4 Kindergeldanspruch für Ausländer' - (genaue Fundstelle und Bezugsquelle siehe unten).


DIE RÜCKWIRKUNG DES KINDERGELDANTRAGS: BIS ZUM 1.7.1997!!!

Kindergeld wird nur auf schriftlichen ANTRAG bei der Kindergeldkasse des Arbeitsamtes gezahlt. Der Antrag ist bei der Kindergeldkasse am Wohnort zu stellen., Bei Antragstellung aus dem Ausland ist die Kindergeldkasse am Ort des letzten Arbeitsplatzes in Deutschland zuständig, wenn zuvor noch nie Kindergeld bezogen oder beantragt wurde, andernfalls die Kindergeldkasse am letzten Wohnort in Deutschland (vgl. dazu auch Erlass vom 19.2.2001). Ggf. sollte ein in Deutschland lebender Angehöriger oder Anwalt mit der Antragstellung bevollmächtigt werden.

Ein im Laufe des Jahr 2001 (oder in den Jahren 1998 - 2000) gestellter Kindergeldantrag wirkt zurück bis zum 1.7.1997 (so ausdrücklich § 52 Abs. 62 Einkommensteuergesetz!). Soweit Anspruch auf Kindergeld bestand, muss das Kindergeld also für alle Zeiträume ab 1.7.1997 nachgezahlt werden! Ggf. müssen also für alle Zeiträume ab 1.7.1997 die Anspruchsvoraussetzungen nachgewiesen werden (z.B. das Bestehen eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in Deutschland)!

Die Rückwirkungsfrist bis zum 1.7.1997 ergibt sich aus folgenden Regelungen: Nach den für das Kindergeld einschlägigen Vorschriften über die "steuerrechtliche Festsetzungsverjährung" in §§ 169 f. Abgabenordnung (AO) kann Kindergeld rückwirkend für das Antragsjahr sowie für bis zu vier vor dem Antragsdatum liegende Kalenderjahre beansprucht werden (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO). Dies würde bei Antragstellung (Eingang bei der Kindergeldkasse) irgendwann im Laufe des Jahres 2001 eine Rückwirkung des Antrags bis 1.1.1997 bedeuten, da das Jahr der Antragstellung bei der Berechnung der Vierjahresfrist nicht mitgerechnet wird.

Bis zum 31.12. 1997 galt allerdings die (zum 1.1.1998 ersatzlos aufgehobene) Bestimmung in § 66 Abs. 3 EStG, nach der (ebenso wie nach dem für Kindergeldansprüche bis zum 31.12.1995 einschlägigem Bundeskindergeldgesetz) Kindergeld rückwirkend nur für bis zu 6 Monate beansprucht werden konnte. Da die aufgehobene Bestimmung des § 66 Abs. 3 EStG für Ansprüche aus 1996 und 1997 weitergilt, sind die Ansprüche aus 1996 und vom 1.1.1997 bis 30.6.1997 (auch bei Antragstellung vor 2001) inzwischen verjährt.


KINDERGELD ABGELEHNT?

Wenn der Kindergeldantrag abgelehnt wurde, ist dagegen ein (kostenfreier) Einspruch möglich, wird auch dieser abgelehnt ist dagegen eine (im Ablehnungsfall gerichtskostenpflichtige, daher ggf. Prozesskostenhilfe beantragen!) Klage beim Finanzgericht möglich.

WICHTIG: Keinen Ablehnungsbescheid rechtskräftig werden lassen! Ggf. kann - um jegliche Kostenrisiken auszuschalten - Einspruch eingelegt und zugleich beantragt werden, das Verfahren so lange ruhen zu lassen, bis ein Erlass der Bundesanstalt für Arbeit bzw. eine Entscheidung des BFH zu dieser Fragestellung vorliegt.

>>>ACHTUNG: Wurde gegen eine Ablehnung innerhalb der dafür vorgesehenen Frist kein Rechtsmittel eingelegt, ist die Ablehnung rechtskräftig!<<<

In diesem Fall kann für Zeiträume vor dem Datum eines rechtskräftigen Ablehnungsbescheides vermutlich kein Kindergeld mehr beansprucht werden, wohl aber für Zeiträume zwischen der Rechtskraft des Ablehnungsbescheides und der erneuten Antragstellung (umstritten, vgl. FG Münster v. 23.10.2000, EFG 2001, 82). Auf jeden Fall kann ab dem Datum einer (jederzeit zulässigen) erneuten Antragstellung Kindergeld beansprucht werden.


DIE HÖHE DES KINDERGELDES

Anspruch auf Kindergeld in DM/Monat:

1997: 1. Kind 220.-, 2. Kind 220.-, 3. Kind 300.-, ab 4. Kind 350.-
1998: 1. Kind 220.-, 2. Kind 220.-, 3. Kind 300.-, ab 4. Kind 350.-
1999: 1. Kind 250.-, 2. Kind 250.-, 3. Kind 300.-, ab 4. Kind 350.-
2000: 1. Kind 270.-, 2. Kind 270.-, 3. Kind 300.-, ab 4. Kind 350.-
2001: 1. Kind 270.-, 2. Kind 270.-, 3. Kind 300.-, ab 4. Kind 350.-

(zum 1.1.2002 ist eine weitere Erhöhung des Kindergeldes geplant)
 

Anspruch auf Kindergeld in DM/Jahr:

1.7. -31.12.1997: 1. Kind 1320.-, 2. Kind 1320.-, 3.Kind 1800.-, je weiteres Kind 2100.-
1.1. -31.12.1998: 1. Kind 2640.-, 2. Kind 2640.-, 3.Kind 3600.-, je weiteres Kind 4200.-
1.1. -31.12.1999: 1. Kind 3000.-, 2. Kind 3000.-, 3.Kind 3600.-, je weiteres Kind 4200.-
1.1. -31.12.2000: 1. Kind 3240.-, 2. Kind 3240.-, 3.Kind 3600.-, je weiteres Kind 4200.-
 

maximale Summe Kindergeld 1.7.1997 - 31.12.2000 in DM

für 1 Kind: 10200.-
für 2 Kinder: 20400.-
für 3 Kinder: 33000.-
für 4 Kinder: 47700.-
für jedes weitere Kind: 14700.-


MÖGLICHKEITEN EINER KÜRZUNG DES KINDERGELDES

In der Praxis kann das Kindergeld auch geringer ausfallen:

• Kindergeld kann nur für Monate beansprucht werden, in denen der Berechtigte an mindestens einen Tag die Voraussetzungen erfüllt hat. Anerkannte Flüchtlinge können für die Dauer des Asylverfahrens auch rückwirkend kein Kindergeld beanspruchen (außer sie waren in dieser Zeit als Arbeitnehmer tätig und kommen aus der Türkei oder dem ehem. Jugoslawien, s.o.)

• Kindergeld nach dem Sozialabkommen mit Jugoslawien* kann nur für die Monate beansprucht werden, in denen der Antragsteller als ARBEITNEHMER tätig (und Arbeitslosenversicherungsbeiträge gezahlt hat) war, oder ArbeitslosenGELD oder Krankengeld bezogen hat. Kein Kindergeld kann für Monate beansprucht werden, in denen keine dieser Voraussetzungen erfüllt war,

• für Zeiten in denen nur der Arbeitnehmer in Deutschland, das Kind aber im Herkunftsland war, kann nach den Sozialabkommen mit Jugoslawien* nur ein wesentlich geringeres Kindergeld (sogenanntes 'ABKOMMENSKINDERGELD') beansprucht werden: für das 1. Kind 10.- DM, für das 2. Kind 25.- DM, für das 3. und 4. Kind je 60.- DM, für jedes weitere Kind 70.- DM.

• möglich sind Kürzungen der Kindergeldansprüche aufgrund von seinerzeit (auf Antrag beim FINANZAMT - Eintrag auf der Steuerkarte bzw. im Rahmen der Steuererklärung) in Anspruch genommener einkommensteuerlicher Kinderfreibeträge und dadurch bereits erzielter Steuerersparnis,

• möglich sind Kürzungen des Kindergeldes aufgrund von ERSTATTUNGSANSPRÜCHEN DER SOZIALÄMTER für für den selben Zeitraum (Monat) erhaltene Sozialhilfe bzw. Leistung nach Asylbewerberleistungsgesetz. Achtung: Die Erstattung des für einen bestimmten Monat gezahlten Kindergeldes darf das Sozialamt aber nur maximal bis zu der Höhe verlangen, in der es für den selben(!) Monat tatsächlich auch Sozialhilfe gewährt hat.

• Für Zeiträume (Monate), in denen keine Sozialhilfe bzw. Leistungen nach AsylbLG bezogen wurde, steht das Kindergeld dem Sozialamt nicht zu! Dasselbe gilt für Monate, für die zwar Sozialhilfe bzw. Leistungen nach AsylbLG bezogen wurde, aber kein Kindergeld.

*auf die Abkommen mit anderen Ländern können diese Beispiele leider nicht eingehen!


Beispiele

Beispiel 1:

Herr H. kam im Juni 1992 mit seiner Frau und seinen drei Kindern als Kriegsflüchtling aus Bosnien nach Deutschland und beantragte Asyl. Er erhielt zunächst eine Aufenthaltsgestattung als Asylbewerber, später eine Aufenthaltsbefugnis, noch später dann nur noch Duldungen. Am 15.7.1999 kehrte er mit seiner Familie nach Bosnien zurück.

Von Juni 1992 bis Juni 1993 erhielt die Familie Sozialhilfe. Im Juli 1993 erhielt Herr H. eine Arbeitserlaubnis und arbeitete bis zum 31.1.1998 als Bauhelfer. Er wurde gekündigt und erhielt dann vom 1.2.1998 bis zum 31.1.1999 Arbeitslosengeld. Anschließend (ab 1.2.1999) erhielt er für sich und seine Familie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Weil Herr H. früher noch nie Kindergeld beantragt hatte (auch noch kein Antrag rechtskräftig abgelehnt wurde!) und er jetzt (im Jahr 2001) erstmals einen Kindergeldantrag stellt, kann er für seine drei Kinder Kindergeld für den Zeitraum vom 1.7.1997 (maximale Rückwirkung bei Antragstellung in 2001) bis 31.1.1999 (Zeiten als Arbeitnehmer und Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld) beanspruchen. Auf den Aufenthaltstitel (Duldung, Aufenthaltsbefugnis oder Aufenthaltsgestattung) kommt es nicht an. Für Zeiten vor dem 1.7.1997 sowie die Zeit nach Ablauf seines Arbeitslosengeldes kann er allerdings kein Kindergeld erhalten.

Für die Zeiträume, in denen er Sozialhilfe bzw. Leistungen nach AsylbLG erhalten hat, hat Herr H. kein Kindergeld erhalten. Das Sozialamt hat in daher seinem Fall auch keinen ERSTATTUNGSANSPRUCH gegen die Kindergeldkasse! Das Kindergeld für Monate, in denen keine Sozialhilfe bezogen wurde (hier 1.7.1997 - 31.1.1998), steht in jedem Fall dem Berechtigten zu!

Wenn Herr H. zusätzlich zum Arbeitslosengeld vom 1 .2.1998 bis zum 31.1.1999 auch ergänzende Leistungen nach AsylbLG in Höhe von 500.- /Monat bezogen hätte, dürfte das Sozialamt nur für diese 12 Monate einen Anteil des gezahlten Kindergeldes von insgesamt 12 x 500.-/Monat beanspruchen. Weitere Ansprüche hätte das Sozialamt auch in diesem Fall nicht.

Für die Monate, für die nur Sozialhilfe oder Leistungen nach AsylbLG, aber kein Kindergeld gezahlt wurde, und ebenso für die Monate, für die zwar Kindergeld, aber keine Sozialhilfe oder Leistungen nach AsylbLG bezogen wurde, kann das Sozialamt keine Erstattungsansprüche geltend machen.

Den die gezahlte Sozialhilfe von 500.- DM/Monat übersteigenden Teil des Kindergeldes für den Zeitraum vom 1 .2.1998 bis zum 31.1.1999 sowie das gesamte Kindergeld für den Zeitraum 1.7.1997 bis  31.1.1998 kann Herr H. also behalten.

Möglich sind allerdings Kürzungen der Kindergeldansprüche aufgrund von evtl. beim FINANZAMT beantragter einkommensteuerlicher Kinderfreibeträge und dadurch bereits erzielter Steuerersparnisse.
 

Beispiel 2:

Herr A, Flüchtling aus dem Kosovo, kam im August 1995 nach Deutschland und lebt hier seitdem mit Duldungen. Seine Frau und seine beiden Kinder kamen am 28. August 1998 nach Deutschland.

Von August 1995 bis Januar 1996 erhielt Herr A. Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz. Ab Januar 1996 arbeitete er als Lagerarbeiter. Im Juli 2000 wird von der Ausländerbehörde ein Arbeitsverbot verfügt, weshalb er am 3.8.2000 seinen Arbeitsplatz verlor und auch kein Arbeitslosengeld erhielt. Seit August 2000 erhält er für sich und seine Familie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Er hatte nie Kindergeld und solange er Arbeit hatte für sich und seine Familie auch keine Sozialhilfe oder Leistungen nach AsylbLG beantragt.

Herr A. beantragt im März 2001 Kindergeld. Er erhält für seine beiden Kinder für den Zeitraum 1.7.97 bis 31.7.98 in dem er hier gearbeitet, seine Kinder aber noch im Kosovo waren nur das für im Herkunftsland lebende Kinder geltende geringe Abkommenskindergeld,  für den Zeitraum 1.8.1998- 31.8.2000 in dem er hier gearbeitet hat und auch seine Kinder hier gelebt haben jedoch das Kindergeld in Höhe der auch für Deutsche geltenden Beträge.

In diesem Fall kann das Sozialamt im Rahmen eines Erstattungsanspruches nur das Kindergeld für August 2000 (ggf. anteilig) beanspruchen, denn nur im August 2000 hat die Familie sowohl Kindergeld als auch Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz bezogen.

Das Kindergeld für alle anderen Monate (Juli 1997 bis Juli 2000) kann das Sozialamt nicht beanspruchen, da die Familie in diesen Monaten keine Sozialhilfe oder Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz bezogen hat. Wegen der von August 1995 bis Januar 1996 sowie seit September 2000 gezahlten Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz kann das Sozialamt (unabhängig von der Höhe der gezahlten Sozialhilfe) keinerlei Erstattungsansprüche geltend machen, da Herr A. für diese Zeiträume kein Kindergeld erhält.
 

Allerdings kann das Sozialamt die Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz ab dem Zeitpunkt einstellen, in dem die Familie die Kindergeldnachzahlung tatsächlich ausbezahlt bekommen hat, und verlangen, dass die Familie von dem erhaltenen Geld solange lebt, bis es vollständig aufgebraucht ist. Vorhandenes Einkommen oder Vermögen ist nach den Bestimmungen des § 7 AsylbLG zunächst vollständig aufzubrauchen, bevor man Leistungen beanspruchen kann.

Wenn die Familie von Sozialhilfe nach BSHG oder nach § 2 AsylbLG lebt (z.B. weil als Angehörigen einer ethnischen Minderheit aus dem Kosovo ihrer Abschiebung und ihrer freiwilligen Rückkehr humanitäre und persönliche Hindernisse entgegenstehen), müsste sie das erhaltene Kindergeld allerdings nicht vollständig, sondern nur soweit aufbrauchen, bis sie noch den nach § 88 BSHG zulässigen 'Vermögensfreibetrag' von 2500.- DM (Haushaltsvorstand), 1200.- (Ehepartner) sowie 500.- pro Kind übrig hat. Familie A. könnte also wieder zum Sozialamt gehen, sobald von dem erhaltenen Kindergeld nur noch 5700.- DM übrig sind.

Wenn die Familie in den Kosovo zurückkehrt, kann sie das Kindergeld (bzw. das was dann davon noch übrig ist...) mitnehmen. Wenn im Zeitpunkt der Rückkehr über den Kindergeldantrag noch nicht entscheiden ist oder noch gar kein Antrag gestellt worden ist, kann die Familie das Kindergeld auch aus dem Kosovo beantragen. Sie kann den Antrag über einen für die Kindergeldangelegenheit bevollmächtigten in Deutschland lebenden Angehörigen oder Anwalt in Deutschland stellen und erforderlichenfalls bei Gericht durchsetzen und in den Kosovo auszahlen lassen.

Achtung: Wenn versäumt wird, rechtzeitig gegen einen Ablehnungsbescheid ein Rechtsmittel (Einspruch, Klage etc.) einzulegen, dürfte der Anspruch für Zeiten bis mindestens zum Datum des Ablehnungsbescheides verloren sein!!!

Möglich sind auch in diesem Fall Kürzungen der Kindergeldansprüche aufgrund von evtl. beim FINANZAMT beantragter einkommensteuerlicher Kinderfreibeträge und dadurch bereits erzielter Steuerersparnisse.


LITERATUR UND MATERIALIEN ZUM KINDERGELD

• Abgabenordnung (AO) im Wortlaut:
http://www.datenschutz-berlin.de/recht/de/rv/fin/ao/index.htm
• Bundesamt für Finanzen, Dienstanweisung zur Durchführung des Familienlastenausgleichs (DA-FamEStG) v. 12.05.00, in Bundessteuerblatt 2000, S. 635ff, darin: 'DA 62.4 Kindergeldanspruch für Ausländer' - IBIS e.V. C1556. Diese Dienstanweisung enthält detailierte Regelungen zur Kindergeldgewährung und ist für Kindergeldkassen und Finanzämter verbindlich.
• Bundesamt für Finanzen, Merkblatt Kindergeld 2000, in Bundessteuerblatt 2000, S. 319ff., auch als Broschüre bei den Kindergeldkassen usw. erhältlich.
• Bundesanstalt für Arbeit, Runderlass vom 19.02.01, Geschäftszeichen IIb2 - 7601 (3)-A-/7504/9020/9320/2112 - ; IBIS e.V. C1614: Kindergeld nach dem EStG und dem BKGG i.V.m. über- und zwischenstaatlichen Rechtsvorschriften; Ansprüche von ausländischen Staatsangehörigen ohne Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung; hier: Umsetzung neuerer Rechtsprechung des BSG und des EuGH. (Der Erlass enthält Hinweise zu den Kindergeldansprüchen von Arbeitnehmern aus dem (ehemaligen) Jugoslawien und aus der Türkei aufgrund der Sozialabkommen mit diesen Ländern).
• Bundessteuerblatt online: http://www.bstbl.de
• Classen, G., 'BKGG / EStG - Anspruch auf Kindergeld', in: Rechtsprechungsübersicht zum Asylbewerberleistungsgesetz und zum Flüchtlingssozialrecht, kostenloser download:  http://www.dim-net.de/site/downloads/docs/Urteile2.doc
• Classen, G., 'Kindergeld - EstG, BKGG' sowie 'Antragstellung und Rechtsdurchsetzung', in 'Menschenwürde mit Rabatt', ein Kommentar zum AsylbLG und zu weiteren Sozialleistungen für Flüchtlinge, Seite 267ff. und 292ff. Hrsg. PRO Asyl, April 2000, 360 Seiten, 29,80 DM + 10.- DM für CD-ROM mit Formularanträgen und Materialien zum AsylbLG . Im Volltext: http://www.proasyl.de/lit/classen/buch/inhalt.htm
• Deutscher Bundestag, Drs. 12/4778 v. oo.oo.1993, IBIS e.V.: C1591. Zahlung von Kindergeld an in Deutschland beschäftigte ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Antwort auf eine Kleine Anfrage zu Kindergeldansprüchen aufgrund von Sozialabkommen.
• Einkommensteuergesetz
http://www.steuernetz.de/gesetze/estg/20001230/index.html oder
http://www.steuernetz.de/gesetze/estg (kommerzielle URL, Vorsicht Werbung!)
• Hildesheim, C., Der Ausländerbegriff im Kindergeldrecht des EstG, DStZ 2000, 25; IBIS e.V.: C1589. Ein aufschlussreicher Beitrag u.a. zum Kindergeldanspruch für Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung, die EU und EWR-Angehörige, Schweizer, anerkannte Flüchtlinge, Staatelose sowie für Arbeitnehemr aus der Türkei und dem ehem. Jugoslawien.
• Hofmann, R. M., Sparen aber Richtig! Über das europarechtliche Verbot diskriminierender Ausgabenkürzungsprogramme, InfAuslR 1999, 381 (zum Anspruch von TürkInnen auf Kinder- und Erziehungsgeld unabhängig vom Aufenthaltsstatus aufgrund des Assoziationsratsbeschluss EG-Türkei 3/80 und der Rspr. des EuGH)
• Hofmann, R. M., Rechtstreue, was ist das? Der Fall Sürül und die Folgen (nochmals zum Anspruch von TürkInnen auf Kinder- und Erziehungsgeld unabhängig vom Aufenthaltsstatus aufgrund ARB EG-Türkei 3/80 und der Rspr. des EuGH). InfAuslR 2000, 265
• Leder, H., Für Ausländer weniger? Bundesarbeitsblatt 1975, 33; IBIS e.V.: C1590. Zur Entstehungsgeschichte und zum Zweck der Kindergeldregelungen in den Sozialabkommen mit Jugoslawien und der Türkei.
• Seewald, O., Felix, D. Kindergeldrecht, Kommentar (Heymanns Verlag, Loseblatt)
• Sozialabkommen BRD-SFR Jugoslawien, IBIS e.V.: C1592. in Kraft seit 01.09.1969 (BGBl. II 1969, 1438ff., BGBl. II 1969, 1568), Änderungsabkommen zum Sozialabkommen BRD-SFR Jugoslawien, in Kraft seit 01.01.1975 (BGBl. II 1975, 390f., BGBl. II 1975, 916), gilt auch weiterhin mit Bosnien-Herzegowina (BGBl. II 1992, 1196) und Mazedonien (BGBl. II 1994, 326), galt weiter mit Kroatien bis zum 30.11.1998 (BGBl II 1992, 1146, BGBl. II 1999, 25) und mit Slowenien bis zum 31.08.1999 (BGBl II 1993, 1261f., BGBl. II 1999, 796)
• Sozialabkommen BRD-Kroatien, IBIS e.V.: C1593, in Kraft seit 01.12.1998 (BGBl. II 1998, 2032f, 2034ff., BGBl. II 1999, 25), bis dahin galt mit Kroatien das Sozialabkommen BRD-SFRJ weiter (vgl. BGBl II 1992, 1146, BGBl. II 1999, 25)
• Sozialabkommen BRD-Slowenien, IBIS e.V.: C1594, in Kraft seit 01.09.1999 (BGBl. II 1998, 1985f, 1987ff., BGBl. II 1999, 796), bis dahin galt mit Slowenien das Sozialabkommen BRD-SFRJ weiter (vgl. BGBl II 1993, 1261f., BGBl. II 1999, 796)

>>> IBIS e.V.: Die unter einer IBIS e.V. - Nummer erfassten Dokumente können gegen Erstat-tung der Kosten über IBIS e.V. bestellt wer-den: IBIS e.V., Donnerschwerstr. 12, 26123 Oldenburg, FAX 0441-9849606, E-Mail ibisev.ol@t-online.de <<<


RECHTSPRECHUNG ZUM ANSPRUCH AUF KINDERGELD

(gekürzter Auszug aus: Classen, G., 'BKGG / EStG - Anspruch auf Kindergeld', in: Rechtsprechungsübersicht zum Asylbewerberleistungsgesetz und zum Flüchtlingssozialrecht, ca 180 Seiten, ca 1,3 MB WORD-Datei, kostenloser download über:  http://www.dim-net.de/site/downloads/docs/Urteile2.doc )

Wohnsitz und gewöhnlicher Inlandsaufenthalt des Kindes

 FG Ba-Wü 12 K 113/97, B. v. 01.10.98 (rechtskräftig), EFG 1999, 179, IBIS e.V.: C1585. Ein aufgrund unanfechtbaren Bescheids des Bundesamtes anerkannter Konventionsflüchtling hat ab dem Monat der Rechtskraft der Anerkennung Anspruch auf Kindergeld. Der Anspruch kann nicht ausgeschlossen werden, weil das Kind keinen Inlandswohnsitz hätte. Für den Begriff des Wohnsitzes des Kindes in § 63 Abs. 1 S. 3 EStG gilt die Begriffsbestimmung des § 8 AO. Kinder teilen nach dieser Bestimmung grundsätzlich den Wohnsitz der Eltern, solange sie sich noch nicht persönlich und wirtschaftlich vom Elternhaus getrennt haben. Ausweislich der Haushaltsbescheinigung lebt das Kind seit seiner Geburt im Haushalts des Klägers.

 sinngemäß ebenso: FG Niedersachsen XV 380/97 Ki, U. v. 30.09.97, EFG 1998, 377, IBIS e.V. C1587.


Anspruch von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis aufgrund einer Altfallregelung

 LSG NRW v. 6.12.96 - L 13 Kg 105/94, IBIS e.V.: C1363 Das LSG hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorge-legt, ob der Ausschluss von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis aufgrund eines Bleiberechtserlasses in § 1 BKGG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ge-klagt hatte eine libanesische Familie mit fünf Kindern, die Aufenthaltsbe-fugnisse erhalten hat und denen das Kindergeld zum 1.1.1994 gestrichen wurde. Das LSG hält - mit ausführlicher Begründung - anders als das BSG die Vorschrift für verfassungswidrig:  ”§ 1 Abs. 3 Satz 1 BKGG 1994 verletzt den Kläger in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit seinen Grundrechten aus Art. 6 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 und dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG und den Grundrechten seiner Kinder aus den Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.”

BFH VI B 134/00, Beschluss v. 13.09.00, IBIS e.V. C1582; DStR 2000, 239. Zum Kindergeld für Flüchtlinge mit Aufenthaltsbefugnis aufgrund einer Altfallregelung. Klägerin ist eine libanesische Familie mit sechs Kindern, deren zuvor erteilte Aufenthaltserlaubnisse aufgrund des auf § 99 AuslG gestützten Übergangserlasses des Nds. Innenministeriums v. 18.10.1990 nach dem AuslG 1990 als Aufenthaltsbefugnisse fortgelten. Der Kläger hält den in § 62 Einkommensteuergesetz geregelten Ausschluss von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis vom Anspruch auf Kindergeld für einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG), da sein Aufenthaltsrecht mindestens so sicher sei wie das eines Ausländers mit Aufenthaltserlaubnis. Da die Klage hinreichend Aussicht auf Erfolg habe, wurde vom Bundesfinanzhof Prozesskostenhilfe bewilligt. Nach erneuter Prüfung hält der Bundesfinanzhof an seiner früheren Rspr. (keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG) nicht mehr fest. Im Hauptverfahren will der BFH insbesondere prüfen, ob der Ausschluss des Antragstellers vom Kindergeld mit Art. 3 GG vereinbar ist und - wenn nicht -, ob eine Vorlage an das BVerfG erforderlich ist.

Anmerkung: § 99 AuslG bestimmt, dass vor Inkrafttreten des AuslG 1990 aus humanitären Gründen oder wegen eines Abschiebungshindernisses erteilte Aufenthaltserlaubnisse ab 1.1.1991 als Aufenthaltsbefugnisse fortgelten und abweichend von § 34 Abs. 2 AuslG (Wegfall des Abschiebungshindernisses oder der sonstigen einer Aufenthaltsbeendung entgegenstehenden Gründe) verlängert werden. Auch neuere Altfallregelungen (z.B. die aktuelle Regelung für traumatisierte Bosnier - nicht jedoch die aktuelle Regelung für Kosovo-Flüchtlinge) enthalten teilweise eine Bestimmung, nach der § 34 Abs. 2 AuslG bei der Verlängerung keine Anwendung findet. Zumindest in solchen Fällen sollte daher versucht werden, unter Berufung auf Art. 3 GG und den o.g. Beschluss des BFH einen Kindergeldanspruch geltend zu machen (und ggf. zugleich zu beantragen, das Verfahren bis zu einer endgültigen Entscheidung des BFH bzw. des BVerfG auszusetzen).


Anspruch Staatenloser und anerkannter Flüchtlinge

Durchführungsanweisung zum Kindergeld IBIS e.V. C1556. In der amtlichen Durchführungsanweisung wird u.a. der Kindergeldanspruch von anerkannten Flüchtlingen - unabhängig vom Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung - bestätigt: DA Einkommenssteuergesetz, Bundessteuerblatt 2000 Teil I, S. 648 f. zu § 62 EStG, Kindergeld - Anspruchsberechtigte -  "DA 62.4.2 Flüchtlinge und Asylberechtigte  (1) Anerkannte Flüchtlinge sind aufgrund des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl. 1953 II S. 59, und des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen, BGBl. 1976 II S. 473, Deutschen gleichgestellt, die im Inland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dies bedeutet, dass für Flüchtlinge vom Zeitpunkt der Anerkennung durch unanfechtbaren Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge oder von der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen an die zusätzlichen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG [=Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung; Anmerkung G.C.] nicht erfüllt sein müssen."

Anmerkungen: Bei anerkannten Flüchtlingen reicht demnach für den Anspruch auf Kindergeld die Rechtskraft der Anerkennung, auf die Ausstellung des Konventionspasses und Erteilung der Aufenthaltsbefugnis bzw -erlaubnis kommt es nicht an.

BFH VI B 43/97 v. 14.08.97, BFH/NV 1998, 169; DStZ 1998, 171, IBIS e.V.: C1601 Der grundsätzliche Ausschluss des Kindergeldanspruchs aufenthaltsrechtlich nur geduldeter Ausländer gilt nicht für nach der GK anerkannte Flüchtlinge und sonstige politisch Verfolgte i.S.d. § 3 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 AuslG (vgl. Gemeinsames Rundschreiben des BMFuS und des BMI v. 06.01.94 BMFuS 223 - 2862 - 2/BMI - DII - 4 - 221972/I, GMBl 1994, 70).

FG Ba-Wü 12 K 113/97, B. v. 01.10.98 (rechtskräftig), EFG 1999, 179, IBIS e.V.: C1585. Ein aufgrund unanfechtbaren Bescheids des Bundesamtes anerkannter Konventionsflüchtling hat ab dem Monat der Rechtskraft der Anerkennung Anspruch auf Kindergeld (ebenso DA Einkommenssteuergesetz 62.4.2, Bundessteuerblatt 2000 Teil I, S. 648 f. zu § 62 EStG, Kindergeld - Anspruchsberechtigte - IBIS e.V. C1556). Der Anspruch kann auch nicht ausgeschlossen werden, weil das Kind keinen Inlandswohnsitz hätte. Für den Begriff des Wohnsitzes des Kindes in § 63 Abs. 1 S. 3 EStG gilt die Begriffsbestimmung des § 8 AO. Kinder teilen nach dieser Bestimmung grundsätzlich den Wohnsitz der Eltern, solange sie sich noch nicht persönlich und wirtschaftlich vom Elternhaus getrennt haben. Ausweislich der Haushaltsbescheinigung lebt das Kind seit seiner Geburt im Haushalts des Klägers. Ausländerrechtliche Beschränkungen haben für die Begründung eines steuerrechtlich beachtlichen Wohnsitzes keine Bedeutung (DA FamEstG Anh. 1, Anwendungserlass zu § 8 Abs. 1 S. 3 AO).

 FG Köln 2 K 93/99, U. v. 10.06.99, EFG 1999, 1139, IBIS e.V.: C1588 Ein Staatenloser ist hinsichtlich des Kindergeldanspruchs ab 1996 einem Deutschen gleichgestellt. Die entgegenstehende Rspr. des BSG ist aufgrund der Ausgestaltung des KG als Steuervergütung überholt. Der Auschluss aufenthaltsrechtlich nur geduldeter Ausländer durch § 62 EstG wird eingeschränkt durch zwischen- oder überstaatliches Recht (Art. 29 Staatenlosenübereinkommen).

 BFH B. v. 16.10.98 VI B 192/98, BFH/NV 1999/310, IBIS e.V.: C1600 Die Antragsteller haben ihre Staatenlosigkeit nachgewiesen und eine Aufenthaltsbefugnis mit dem Vermerk der Staatenlosigkeit erhalten. Sie machen geltend, mit der formellen Auflösung der Sowjetunion sei auch ihre Staatsangehörigkeit erloschen, aus Art 31 Abs. 1 Staatenlosenübereinkommen folge, dass zu erwarten sei, dass sie und ihre Kinder auf Dauer in Deutschland bleiben werden.
 Gründe: Ob die Entscheidung des BSG im Urteil v. 03.12.96 10 Rkg 8/96 - aufgrund Art. 24 Abs. 1 Buchst b ii StlÜbk (Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen) bestehe kein Anspruch auf Gleichbehandlung mit Inländern bei Leistungen, die ausschließlich aus öff. Mitteln bestritten werden, hierzu zählte das BSG auch das Kindergeld - nach der Neuregelung des Kindergeldes im Jahresteuergesetz 1996 noch zutrifft ist zweifelhaft und bedarf der Klärung im Hauptsacheverfahren. Wie sich aus § 31 EStG ergibt, wird das KG als Steuervergütung gezahlt und dient der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums, und soweit es der Freistellung - wie bei der Klägerin - nicht bedarf, weil der Berechtigte keine Einkommenssteuern zahlt, der Förderung der Familie. Sieht man die Kindergeldvorschriften des EStG 1996 auch als Steuerentlastungsvorschrift an, so könnte nunmehr Art. 29 StlÜbk eingreifen (steuerechtliche Gleichbehandlung von Staatenlosen mit Inländern).


Anspruch nach Abkommensrecht (EU, EWR, Schweiz, Türkei, Jugoslawien mit Nachfolgestaaten)

 EuGH C-262/96 v. 4.5.1999, IBIS e.V.: C1405, InfAuslR 1999, 324 Anspruch auf Kindergeld für TürkInnen unabhängig vom Aufenthaltsstatus: Artikel 3 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates EG-Türkei vom 19.9.1980 verbietet es, den Anspruch eines türkischen Staatsangehörigen, der in Deutschland nur eine befristete Aufenthaltsbewilligung zum Studium besitzt, auf Kindergeld für sein Kind, das in Deutschland mit ihm zusammenwohnt, vom Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis abhängig zu machen, während Deutsche insoweit nur ihren Wohnsitz in Deutschland haben müssen. Für die für die Geltendmachung von Rechten aufgrund des Beschlusses 3/80 erforderliche "Arbeitnehmereigenschaft" ist es ausreichend, dass eine gesetzliche Sozialversicherung gegen mindestens ein Risiko des Systems der sozialen Sicherheit im Sinne dieses Beschlusses besteht. Damit ergibt sich ein Anspruch sowohl aus der Arbeitnehmereigenschaft des neben dem Studium stundenweise sozialversicherungsfrei, aber pflichtunfallversichert arbeitenden Ehemannes als auch aus der Tatsache, dass die nicht arbeitende Ehefrau für die ersten drei Lebensjahre ihres Kindes als pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung (Kindererziehungszeiten) gilt.

 Anmerkungen: Der den Fall vertretende RA Rainer M. Hofmann, Aachen hat unter dem Titel "Sparen aber Richtig! Über das europarechtliche Verbot diskriminierender Ausgabenkürzungsprogramme" in InfAuslR 1999, 381 eine Urteilsbesprechung vorgelegt.

 SG Aachen Urteil S 15 KG 5/99 v. 23.03.00, InfAuslR 2000, 353; EZAR 454 Nr. 7 Eine türkische Staatsangehörige kann auch ohne Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung Kindergeld aufgrund Art 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei beanspruchen, wenn ihr Ehemann als Arbeitnehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist oder für sie für die Zeiten der Kindererziehung Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gemäß § 56 SGB VI als gezahlt gelten. Ein Urteil des EuGH stellt eine für alle Rechtsanwender verbindliche Auslegung dar.

BSG B 14 KG 2/99 R v. 12.4.00, InfAuslR 2000, 347, IBIS e.V. C1553. Kindergeld für erwerbstätige Bosnier mit Duldung aufgrund dt.-jugoslaw. Sozialabkommen. Dem Kläger ist auch für die Zeit ab 1.1.1994 Kindergeld zu gewähren, obwohl er keine Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung besitzt. Entgegen der Auffassung der Kindergeldkasse schließt § 1 Abs. 3 BKGG den Anspruch nicht aus. Auf den Kläger sind die Vorschriften des deutsch-jugoslawischen Abkommens über Soziale Sicherheit anzuwenden. In die Rechte und Pflichten dieses Abkommens ist Bosnien-Herzegowina als Rechtsnachfolgestaat Jugoslawiens eingetreten.
Zu Unrecht meint die Kindergeldkasse, durch das Abkommen würden nur Wanderarbeitnehmer begünstigt. Weder dem Wortlaut noch den Materialien zum Abkommen (sämtlich in BR-Drs. 98 und 99/69) lässt sich derartiges entnehmen. Daß der Kläger 1992 als Bürgerkriegsflüchtling aus Bosnien-Herzegowina nach Deutschland eingereist ist hier nur geduldet wird, steht der Anwendung des Abkommens nicht entgegen. Die Vorschriften des Abkommens gehen als speziellere Regelung dem § 1 Abs 3 BKGG vor. Jedenfalls haben Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina, die in Deutschland - erlaubt - versicherungspflichtig tätig geworden sind, für die Zeit ihrer Beschäftigung Anspruch auf Kindergeld für ihre nach BKGG berücksichtigungsfähigen Kinder. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese sich in Deutschland oder Bosnien-Herzegowina aufhalten. Dies ergibt sich aus Art. 4 Abs. 1 des Abkommens. Schließlich kann der Anspruch auf Kindergeld - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch nicht mit der Begründung verneint werden, der Kläger habe als - lediglich in Deutschland geduldeter - Ausländer hier weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch einen Wohnsitz i.S. von § 30 SGB I. Denn er hält sich i.S. des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens gewöhnlich in einem der beiden Vertragsstaaten auf. Dies genügt für den Kindergeldanspruch. Die Höhe des Kindergeldanspruchs richtet sich vorliegend nach dem Bundeskindergeldgesetz, da das Kind in Deutschland wohnte. Die in Art. 28 des dt.jugoslawischen Sozialbakommen für in Jugoslawien lebende Kinder vorgesehenen niedrigeren Sätze ("Abkommenskindergeld") berücksichtigen das Kaufkraftgefälle und die unterschiedlichen Unterhalts- und Erziehungkosten. Sie haben keine andere Funktion, als im Abkommensrecht das "Wohnlandprinzip" durchzusetzen: Die Höhe des Kindergeldes richtet sich nach den Unterhalts- und Erziehungskosten des Landes, in dem das Kind wohnt.

BSG B 14 KG 3/99 R v. 12.4.00; NVwZ-Beilage I 2001, 14; EZAR 454 Nr. 8; IBIS e.V. C1552. Kindergeld für arbeitslose Bosnier mit Duldung aufgrund dt.-jugoslaw. Sozialabkommen. (Sachverhalt ansonsten wie oben) Auch in diesem Falle ist das deutsch-jugoslawische Abkommen über Soziale Sicherheit anzuwenden, weil der Kläger in Deutschland eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hat. Für die Zeit der Arbeitslosigkeit kommt es allerdings darauf an, für welche Zeiten der Kläger Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Arbeitslosenhilfe bezogen hat. Da nach dem Abkommen auch die Empfänger von Krankengeld oder Arbeitslosengeld, nicht aber von Arbeitslosenhilfe als Arbeitnehmer gelten, ist bei Arbeitslosigkeit nur für die Zeit des Arbeitslosen- oder Krankengeldbezugs Kindergeld zu gewähren (vgl. die 1974 vorgenommene Änderung von Art. 28 Abs. 1 Satz 2 des Abkommens). Die Höhe des Kindergeldes richtet sich vorliegend nach dem Bundeskindergeldgesetz, da das Kind in Deutschland wohnte.

Die Durchführungsanweisung zum Kindergeld bestätigt den Kindergeldanspruch von Türkischen ArbeitnehmerInnen unabhängig vom Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung: DA Einkommenssteuergesetz, Bundessteuerblatt 2000 Teil I, S. 648 f. zu § 62 EStG, Kindergeld - Anspruchsberechtigte - IBIS e.V. C1556 DA 62.4.3 Staatsangehörige aus einem anderen EWR-Staat, der Schweiz und der Türkei
Das Erfordernis des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung gilt nicht für Staatsangehörige des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) und die sie begleitenden Familienangehörigen. Nach den Rechtsvorschriften der EU i.V.m. dem EWR-Abkommen haben diese Personen, wenn sie im Inland wohnen, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Kindergeld wie Deutsche. Dasselbe gilt für Staatsangehörige der Schweiz aufgrund des deutsch-schweizerischen Abkommens über Soziale Sicherheit sowie für türkische Arbeitnehmer i.S. des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates vom 19.9.1980. Eine Person ist dann Arbeitnehmerin i.S. dieses Beschlusses, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko in einem allgemeinen oder besonderen System der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist.
Zum Europäischen Wirtschaftsraum gehören neben der Bundesrepublik Deutschland folgende Staaten: Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Liechtenstein, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien." TürkInnen haben demgegenüber auch als Asylbewerber, Geduldete, StudentInnen mit Aufenthaltsbewilligung, mit Aufenthaltsbefugnis aufgrund Altfallregelung etc. einen Kindergeldanspruch, wenn sie ArbeitnehmerInnen sind. Die Mitgliedschaft in nur EINEM System der sozialen Sicherung (z.B. gesetzliche Unfallversicherung) ist dafür ausreichend, z.B. durch die geringfügige Beschäftigung eines Ehepartners (vgl. dazu auch EuGH C262/96 v. 4.5.1999, InfAuslR 1999, 324 sowie Hofmann, Hofmann, InfAuslR 1999, 381 sowie InfAuslR 2000, 265).

BSG B 14 KG 1/00 R vom 13.12.00: Sachverhalt: Der Kläger reiste 1987 mit seiner Ehefrau nach Deutschland ein und lebt hier mit vier Kindern. Auf Grundlage der Bleiberechtsregelung des Landes Nds, die u.a. für die Klägerfamilie als Yeziden aus der Türkei gilt, nahmen die Eheleute ihre Asylanträge zurück und erhielten 1990 eine befristete Aufenthaltserlaubnis. die ab 1991 als Aufenthaltsbefugnis verlängert wurde. Seit 1991 bestreitet der Kläger den Unterhalt für sich und seine Familie aus Arbeitseinkommen. Aufgrund der Änderung des § 1 BKGG zum 1.1.1994 wurde die Bewilligung von Kindergeld aufgehoben, da der Kläger nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis war. Der Kläger rügt eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie einen Verstoß gegen § 42 BKGG iVm Art 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs 1 EWG-VO 1408/71.
Gründe: Die Beklagte hat die Bewilligung des KG zu Unrecht aufgehoben. Zwar hatten sich die rechtlichen Verhältnisse, die der Bewilligung zugrunde lagen, mit der Neufassung des § 1 Abs. 3 BKGG zum 1.1.1994 geändert. Diese Änderung war aber für den Kläger nicht rechtserheblich, weil er auch ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis Anspruch auf KG nach den Vorschriften des Abkommens zwischen der BRD und der Republik Türkei über soziale Sicherheit hat. Das über- und zwischenstaatliche Recht geht inländischen Rechtsnormen vor. Der Kläger fällt - seit er in Deutschland Arbeitnehmer ist - auch als ehemaliger Asylbewerber unter den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens. Entgegen der Auffassung der Beklagten haben die Vertragsstaaten nicht lediglich Arbeitnehmer begünstigen wollen, die mit Wissen und Willen der beteiligten Regierungen in einem der Vertragsstaaten auf Zeit unselbständig erwerbstätig sind. Weder aus dem Text des Abkommens noch aus dem Schlußprotokoll oder der begleitenden Denkschrift und auch nicht aus der Begründung zum Vertragsgesetz ergibt sich ein Anhaltspunkt für ein derartiges Regelungsziel. Zwar sollten durch das Abkommen vor allem die damals in Deutschland beschäftigten etwa 69.000 türkischen Arbeitnehmer sozial abgesichert werden, die überwiegend in einem geordneten Anwerbeverfahren für eine Arbeit in Deutschland gewonnen worden waren. Selbst wenn man aus diesen bei Abschluß des Abkommens herrschenden Verhältnissen eine Abgrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs ableiten wollte, bewirkt dies nicht den Ausschluss ehemaliger Asylbewerber, die den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt und damit zu dem System der sozialen Sicherheit nicht über ein Anwerbeverfahren gefunden, sondern aufgrund eigener Initiative erreicht haben.

FG Düsseldorf 10 K 5596/97 Kg, U. v. 21.01.99, EFG 1999, 567, IBIS e.V.: C1586 (Revision anhängig beim BFH, AZ VI R 40/99). Kindergeld (KG) für jugoslawische Arbeitnehmer aufgrund Sozialabkommens. Die Einschränkung des § 62 EstG, wonach nur Ausländer mit Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis Anspruch auf KG haben, gilt für sie nicht.

Der grundsätzliche Ausschluss des KGs für aufenthaltsrechtlich nur geduldete Ausländer durch § 62 Abs. 2 S. 1 EStG wird eingeschränkt durch über- und zwischenstaatliches Recht. Dies ist vor allem der Fall im Bereich der EG (siehe dazu Seewald/Felix, KGrecht, § 62 Rn 141, 142). Der Ausschluss gilt weiterhin nicht für nach der GK anerkannte Flüchtlinge (BFH v. 14.08.97). KGberechtigt sind unter den jeweiligen Voraussetzungen auch Arbeitnehmer aus Staaten, mit denen Abkommen über soziale Sicherheit bestehen. Ein solches Sozialabkommen besteht auch mit dem ehem. Jugoslawien. Es gilt völkerrechtlich und durch das Zustimmungsgesetz v. 29.07.69 (BGBl. II, 1437) innerstaatlich weiter, bis es für die Nachfolgestaaten durch neue Abkommen abgelöst wird. Nach Art 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d bezieht sich das Abkommen "auf die deutschen Rechtsvorschriften über (u.a.) das KG für Arbeitnehmer. Der Regelungsinhalt KG ist bestehen geblieben, unabhängig davon dass das KG seit 1996 auch den Charakter einer Steuervergütung erhalten hat (wird ausgeführt). Das Abkommen ist aufgrund des Zustimmungsgesetzes unmittelbar anwendbares (self-executing) innerstaatliches Recht. Das gilt auch für den Grundsatz der Inländergleichbehandlung in Art. 3 des Abkommens, wonach in allen Bereichen, auf die sich das Abkommen erstreckt, jugoslawische Arbeitnehmer die gleichen Rechte wie deutsche Arbeitnehmer haben. D.h. sie haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf KG wie Deutsche. Aufgrund der zwischenstaatlichen Vereinbarung wird das nationale Recht hinsichtlich einzelner Anspruchsvoraussetzungen zum Zweck der Koordinierung ergänzt oder modifiziert. Die allgemeine Regel, dass späteres Bundesrecht früheres Bundesrecht abändert oder ersetzt, gilt im Falle des transformierten Vertragsrechts nur eingeschränkt. Auch wenn es nur einfachem Bundesrecht gleichsteht, ist es in Zweifelsfällen völkerrechtsfreundlich auszulegen. Normwidersprüche sind nach der Regel, dass späteres allgemeines Recht nicht früheres spezielles Recht ändern kann (lex posterior generealis non derogat lex priori speciali). Das Recht der Sozialabkommen enthält Regelungen, die auch gegenüber späterem abweichenden innerstaatlichen Recht als solche Vorrang genießen (sh. dazu Schuler, a.a.O. S. 378; Frank/Schulte/Steinmeyer, Internationales und Europäisches Sozialrecht, S. 84 Rn 21).
Die Auffassung des Beklagten, aus Art. 28 des Sozialabkommens ergebe sich nur dann ein Anspruch, wenn das Kind des Klägers im (ehemaligen) Jugoslawien seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, geht fehl. Nationales Recht über Familienleistungen sieht regelmäßig vor, dass derartige Leistungen nur erbracht werden, wenn das den Anspruch begründende Kind im Gebiet des zuständigen Staates wohnt. Art. 28 erweitert den Anwendungsbereich des Abkommens, um zu verhindern, dass Kinder nur deshalb nicht berichsichtigt werden, weil sie im Heimatstaat des Arbeitnehmers verblieben sind. Diese erweiternde Regelung ist aus der Situation der 60er Jahre verständlich, als die angeworbenen ausländische Gastarbeiter vielfach -jedenfalls zunächst - ihre Familien im Heimatland zurückgelassen hatten. Gegenüber dem Grundsatz, dass ein Kind nur bei Aufenthalt im Inland berücksichtigt werden kann, handelt es sich um eine Erweiterung, nicht eine Einschränkung der Anspruchsvoraussetzungen. Entsprechendes gilt für Art. 73ff. VO EWG 1408/71, wonach die Beschränkung auf den Aufenthalt des Kindes im Inland auf den Kindesaufenthalt in einem anderen EU-Staat erweitert wird (Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, Rn 566f). Sozialabkommen sollen sicherstellen, dass Vertragsstaatsangehörige beim Aufenthalt im Inland den inländischen Staatsangehörigen gleichgestellt werden.
Die Dienstanweisung der Beklagten sieht vor, dass Schweizer aufgrund des dt-schweizerischen Sozialabkommens unter den gleichen Voraussetzungen Anspruch auf KG haben wie Deutsche (FamDA 62.3.3; BStBl I 1998, 400). Mit der Schweiz besteht ein Sozialabkommen mit vergleichbaren Regelungen. Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen sich die Dienstanweisung darauf beschränkt, nur für dieses Abkommen eine Gleichbehandlung vorzusehen.


Rückwirkung eines Kindergeldantrags

 FG Münster 4 K 6362/98 Kg, U.v. 23.10.00 (rechtskräftig), mit Anmerkung E. Siegers, EFG 2001, 82; IBIS e.V.: C1612. Kindergeld ist bei erneutem Antrag nach vorangeganger bestandskräftiger Ablehnung (sogenanntem Nullbescheid) auch rückwirkend zu gewähren, jedoch nicht über das Datum des bestandskräftigen Nullbescheides hinaus. Der Nullbescheid wirkt nur für die Vergangenheit, nicht für die Zukunft. (...)


rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwecks Erhalts von Kindergeld

 VG Karlsruhe 10 K 2675/96 v. 28.1.98, IBIS e.V.: C1365, InfAuslR 1998, 266, mit Anmerkung Blechinger: Eine Verpflichtungsklage auf rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist möglich, wenn ein Aufenthaltstitel erstrebt wird, der dem Kläger im Hinblick auf die Verfestigung seines Aufenthaltes sowie hinsichtlich sozialrechtlicher Ansprüche gegenüber dem erteilten Aufenthaltsrecht eine weitergehende Rechtsposition vermittelt.

 VGH Ba-Wü 11 S 741/98 v. 25.8.98, IBIS e.V.: C1393, InfAuslR 1998, 485 Nach höchstrichterlicher Rspr. kommt die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Betracht, um den Aufenthalt des Ausländers für eine vergangene Zeit zu legalisieren (BVerwG, NVwZ 1996, 168 = InfAuslR 1996, 168); sie kommt ebenso in Betracht, um dem Ausländer damit für einen zurückliegenden Zeitraum einen gegenüber der ihm erteilten Aufenthaltsbefugnis günstigeren Aufenthaltstitel zu verschaffen (BVerwG, InfAuslR 1998, 191). Der assoziationsrechtlich begründete - eigenständige - Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis wird auch nicht verdrängt, wenn der betreffende türkische Arbeitnehmer im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis ist (BVerwG, NVwZ 1995, 1131/1133).
 


 BErzGG - Anspruch auf Erziehungsgeld

Anspruch anerkannter Flüchtlinge

 LSG NRW L 13 Kg 39/96 v. 22.8.97, IBIS e.V.: C1394
Konventionsflüchtlinge haben ab Rechtskraft der Anerkennung Anspruch auf Erziehungsgeld, wenn ein Ehepartner Arbeitnehmer im Sinne der VO EG 1408/71 ist. Der Anspruch der Klägerin besteht bereits ab Rechtskraft der Anerkennung ihres Ehemannes, auch solange die Klägerin noch im Besitz einer Aufenthaltsgestattung ist.

 Anmerkung: vgl. Stellungnahme des UNHCR "Bundeserziehungsgeld für Flüchtlinge nach der GK" (Schreiben vom 19.8.1998 an RA Gert Müller, Karlsruhe, IBIS e.V.: C1409),. Der UNHCR vertritt die Auffassung, dass Konventionsflüchtlinge aufgrund von Art. 23 GK sowie möglicherweise auch aufgrund von Art. 24 Abs. 1 Buchst. b Anspruch auf Erziehungsgeld haben.

 Der UNHCR verweist zudem auf die Stellungnahme der Europäischen Kommission "Persönlicher Anwendungsbereich der VO 1408/71" (Schreiben vom 23.3.1998 an RA Rainer Hofmann, Aachen, IBIS e.V.: C1410), wonach Konventionsflüchtlinge Anspruch auf Erziehungsgeld auch aufgrund von EU-Recht haben, wenn sie selbst oder ihr Ehegatte Arbeitnehmer im Sinne der EG VO 1408/71 sind.

 Beide Stellungnahmen sind erhältlich beim UNHCR, Wallstr. 9-13, 10179 Berlin, Tel 030-202202-00, FAX 202202-20, e-mail: gfrbe@unhcr.ch

 BSG B 14 EG 7/97 R v. 15.10.98, IBIS e.V.: C1408, Vorlagebeschluss an EuGH zum Anspruch auf Erziehungsgeld für Konventionsflüchtlinge (Entscheidung im Revisionsverfahren zu LSG NRW L 13 Kg 39/96 v. 22.8.97, IBIS e.V.: C1394; vgl. auch BSG B 14 KG 19/97 R, InfAuslR 1999, 223 (nur Leitsatz)):
 I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
 II. Dem EuGH werden gemäß Art. 177 des Vertrages zur Gründung der EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
 1. Ist die VO EWG 1408/71 auf Flüchtlinge und deren Familienangehörige, die einem Drittstaat angehören, anwendbar, wenn diese nach den Vertrag zur Gründung der EG v. 27.3.57 in der Fassung des Vertrages über die EU v. 7.2.92 kein Recht auf Freizügigkeit haben?
 2. Wenn Frage 1 zu bejahen ist: Ist die VO EWG 1408/71 auch dann anwendbar, wenn ein als Arbeitnehmer tätiger Flüchtling und dessen Familienangehörige unmittelbar aus einem Drittstaat eingereist und innerhalb der Gemeinschaft nicht gewandert sind?
 3. Wenn Frage 1 zu bejahen ist: Ist eine Familienleistung wie das Erziehungsgeld auch dem Ehegatten eines solchen Arbeitnehmers zu gewähren, der ebenfalls nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats besitzt und weder selbst Arbeitnehmer noch als Flüchtling anerkannt ist?

 BSG B 14 EG 3/99 R vom 5.8.99; IBIS e.V.: C1509 Die Klägerin rügt die Verletzung europäischen Gemeinschaftsrechts. Aus Art. 2 und 3 der EWG-Verordnung 1408/71 ergebe sich der Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Gleichbehandlung mit Angehörigen der Mitgliedstaaten. Wenn von diesen für das ErzG nach der Rechtsprechung des EuGH kein förmlicher Aufenthaltstitel verlangt werden könne, müsse dies auch für Flüchtlinge gelten, und zwar rückwirkend auch für Zeiten vor der Asylanerkennung. Das Verfahren wurde im Anschluss an den Vorlagebeschluss vom 15.10.1998 - B 14 EG 7/98 R - ausgesetzt, um dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zusätzlich die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob EG-Recht einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der Erziehungsgeld für Asylbewerber auch dann nicht rückwirkend gezahlt wird, wenn die Asylberechtigung später anerkannt und eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.

 BSG B 14 EG 5/98 R vom 5.8.99 (aus Pressemitteilung BSG) Vorinstanzen SG Stuttgart S 17 EG 4617/96, LSG Ba-Wü L 1 EG 778/98. Sachverhalt: Hier ist ebenfalls ErzG für eine Zeit vor der Anerkennung der Asylberechtigung und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis streitig. Die Klägerin stammt aus Sri Lanka und lebt mit ihrem ebenfalls aus Sri Lanka stammenden Lebensgefährten zusammen, der seit 1996 deutscher Staatsbürger und Vater der in Deutschland geborenen Tochter der Klägerin ist. Das Verfahren wurde ausgesetzt und wie im Fall BSG B 14 EG 3/99 R der EuGH um Vorabentscheidung ersucht. Zusätzlich wurde die Frage vorgelegt, ob Familienangehörige im Sinne der EWG-Verordnung 1408/71 auch Personen in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sein können.

Anmerkung: Mit am 7.Juli 2000 vom Bundestag in 2. und 3. Lesung verabschiedeten, im Bundesrat nicht zustimmungspflichtigem, am 1.1.2001 in Kraft tretendem Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes http://195.227.51.240/infoc/download/gesetz_neu_internet1.doc wird in § 1 BErzGG klargestellt, dass anspruchsberechtigt auch Ausländer sind, für die das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes unanfechtbar festgestellt worden ist (Konventionsflüchtlinge). Weitere Verbesserung: Für Konventionsflüchtlinge und Asylberechtigte zählt der Anspruch künftig ab Rechtskraft der Flüchtlingsanerkennung, auf die Ausstellung des Konventionspasses und Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung kommt es also nicht mehr an. Allerdings: Für vor dem 1.1.2001 geborene Kinder sind die Vorschriften des BErzGG in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Ansprüche vor dem 1.1.2001 geborener Kinder von Konventionsflüchtlingen müssen daher wie bisher gerichtlich geltend gemacht werden


Anspruch aufgrund Abkommensrecht (EU, EWR, Türkei u.a.)

 EuGH C-85/96 v. 12.5.98, IBIS e.V.: C1366, EZAR 830 Nr. 10; InfAuslR 1998, 316, ZfSH/SGB 1998, 673 Anspruch auf Erziehungsgeld für EU-Angehörige auch ohne förmliche Aufenthaltserlaubnis (vorliegend waren - wohl wegen Sozialhilfebezuges - jahrelang fortlaufend nur ”Bescheinigungen” über die Beantragung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erteilt worden). Das Gemeinschaftsrecht verbietet, die Gewährung von Erziehungsgeld an Angehörige anderer Mitgliedsstaaten von der Vorlage einer förmlichen Aufenthaltserlaubnis abhängig zu machen, während Inländer lediglich einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben müssen.
 Eine Person fällt als Arbeitnehmer in den Anwendungsbereich des Art. 48 EGV und der VO 1408/71 oder der VO 1612/68, wenn sie zumindest gegen ein Risiko im Sinne des Artikel 1 a EG-VO 1408/71 im Rahmen der Sozialversicherung freiwillig oder pflichtversichert ist.
 Das Erziehungsgeld fällt als Familienleistung im Sinne von Art 4 Abs. 1 Buchst. h VO/EWG 1408/71 sowie als soziale Vergünstigung im Sinne von Art 7 Abs. 2 VO/EWG Nr. 1612/68 in den sachlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts.

 Dazu Anmerkung Gutmann in InfAuslR 1998, 320: Einen entsprechenden Anspruch haben aus Gründen der Gleichbehandlung aufgrund Artikel 3 AssoziationsratsBeschluss 3/80 auch TÜRKEN, ebenso aufgrund entsprechender Abkommen auch MAROKKANER, TUNESIER und ALGERIER. Entgegen dem Wortlaut der entsprechenden Bestimmungen besteht ebenfalls ein Anspruch auf Landeserziehungsgeld für Angehörige der genannten Staaten sowie bei Unterbrechungszeiten gemäß § 69 Abs. 3 AuslG. Entsprechendes gilt schließlich für Staatenlose und Konventionsflüchtlinge gemäß Artikel 2 und 3 VO/EWG 1408/71. Der EuGH teilt in seinem Urteil nicht die bisher vom BSG vertretene Auffassung, dass sich auf die VO nur Arbeitnehmer berufen könnten, die zuvor innerhalb der EG-Staaten ”gewandert” sind.

 Anmerkung: Vgl. dazu bereits EuGH v. 10.10.96, IBIS e.V.: C1312, In-fAuslR 1997, 5 wonach Er-ziehungsgeld eine Familienleistung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der EG-VO 1408/71 ist. Dazu Anmerkung Röseler in InfAuslR 1/97, 7: Aus dem EuGH-Urteil kann entgegen dem Wortlaut des BErzGG gefolgert werden, dass gemäß Art 2 Abs. 1 der EG VO 1408/71 ein Anspruch auf Erziehungsgeld auch für Konventionsflüchtlinge besteht, sowie nach dem Gleichheits-grund-satz auch für andere Flüchtlinge mit Aufent-haltsbefugnis.

 SG Aachen, Urteil v. 16.4.98 - S 15 Kg 43/95, IBIS e.V.: 1278; InfAuslR 1998, 325: Bejahung eines Erziehungsgeldanspruchs für Konventionsflüchtlinge nach Maßgabe des Art. 2 EWG-Verordnung 1408/71. Flüchtlinge sind allerdings nur dann den Staatsangehörigen eines EG-Mitgliedsstaates gleichgestellt, wenn sie zugleich Arbeitnehmer bzw. Selbständige (oder deren Familienangehörige) sind. Als Arbeitnehmer im Sinne der VO gilt, wer für den Fall der Arbeitslosigkeit pflichtversichert oder im Anschluss an diese Versicherung Krankengeld oder entsprechende Leistungen erhält. Da der Flüchtlingsanerkennung lediglich deklaratorische und keine konstitutive Bedeutung zukommt, besteht ein Anspruch auf Erziehungsgeld rückwirkend auch für die Dauer des Asylverfahrens. Das Gebot der Gleichbehandlung setzt für Flüchtlinge nur voraus, dass sie in einem Mitgliedsstaat wohnen (vgl. LSG NRW, Urteil v. 6.12.96, L 13 Kg 117/95). Eine Fallgestaltung vorauszusetzen, nach der der nach Deutschland eingereiste Flüchtling zunächst als Wanderarbeitnehmer in einem anderen Mitgliedsstaat Arbeit finden müsste, damit seine in Deutschland verbliebene Ehefrau Erziehungsgeld beanspruchen kann, würde der Zielsetzung der Artikel 2, 3 und 4 EWG-VO 1408/71 widersprechen (so aber im Ergebnis BSG, Urteil v. 3.12.96, 10 Rkg 8/96).

 Rundschreiben Landesversorgungsamt NRW v. 7.7.99, InfAuslR 1999, 398; IBIS e.V.: R3673. Unter Bezugnahme auf EuGH C262/96 v. 4.5.1999, IBIS e.V.: C1405, InfAuslR 1999, 324 zum Kindergeld für TürkInnen:   Anspruch auf Erziehungsgeld für Türken/innen ohne Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung aufgrund des Assoziationsratsbeschlusses EG-Türkei 3/80, wenn sie als Arbeitnehmer mindestens gegen ein einziges Risiko pflicht- oder freiwillig sozialversichert sind. Dies gilt auch für Kindererziehungszeiten Nichterwerbstätiger in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes, in denen gem § 56 Abs. 1 SGB VI Rentenversicherungsbeiträge als gezahlt gelten. Anspruchsberechtigt ist auch der Ehegatten dieser Personen.   Vgl. dazu ausführlich auch Rainer M. Hofmann, InfAuslR 1999, 381 "Sparen aber Richtig! Über das europarechtliche Verbot diskriminierender Ausgabenkürzungsprogramme"


Landeserziehungsgeld für TürkInnen aufgrund Abkommensrecht

 VG Karlsruhe 14 K 1335/99 v. 12.7.99, InfAuslR 1999, 394; IBIS e.V.: C1441 Anspruch auf Landeserziehungsgeld Ba-Wü für türkische Arbeitnehmer aufgrund des Anspruchs auf Inländergleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 Assoziationsratsbeschluss 3/80 EWG-Türkei.

 LSG Bayern L 9 EG 7/00 v. 19.12.00. Anspruch auf Bayerisches Landeserziehungsgeld für türkische Arbeitnehmer und ihre Ehepartner aufgrund Art.4 ARB 3/80 EWG-Türkei. Das Verfahren wurde seinerzeit ausgesetzt, um eine Entscheidung des EuGH in einem ähnlich gelagerten Fall abzuwarten. Nachdem diese Entscheidung des EuGH im Mai 1998 getroffen wurde, folgte nun das Bayerische LSG der Argumentationslinie des EuGH.
 

(c) Georg Classen 2001
 


Weitere Informationen:

im Wortlaut: Kindergelderlass der Bundesanstalt fuer Arbeit vom 19.2.2001
http://www.bndlg.de/~wplarre/kindergeld2-010316.htm

Neue Entscheidungen zum Flüchtlingssozialrecht - AUSZUG Stand 15.03.2001
nur Inhaltsverzeichnis, ENTSCHEIDUNGEN ZUM KINDER- UND ERZIEHUNGSGELD, Literaturliste, Abkürzungsverzeichnis
http://www.bndlg.de/~wplarre/kindergeld4-010316.htm

Kindergeld für Arbeitnehmer aus der Tuerkei und Jugoslawien
neuer Erlass der Bundesanstalt für Arbeit vom 16.03.2001
http://www.bndlg.de/~wplarre/kindergeld5-010316.htm

Merkblatt über Kindergeld für Staatsangehörige Jugoslawiens, Bosnien-Herzegowinas, Kroatiens, Sloweniens, Mazedoniens und der Türkei ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis
http://www.bndlg.de/~wplarre/kindergeld5-Merkblatt-010316.htm
ZUM DRUCKEN:  Webseite, die NUR den Text des Merkblattes enthält
                                  http://www.bndlg.de/~wplarre/kindergeld5-Merkblatt-Druck-010316



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Seite erstellt am 16.03.2001